Donnerstag, Mai 15

Die ausufernden Kommunikationsabteilungen der Behörden liefern nicht nur Informationen, sondern halten sie gerne auch zurück.

Wer etwas zu verbergen hat, kann eine Mauer um sein Geheimnis errichten und die Tür verschliessen. Das Problem: Nichts weckt mehr Neugier als eine verschlossene Tür.

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Effektiver ist es oft, die Tür zu öffnen, im ganzen Haus Licht zu machen – und dann dafür zu sorgen, dass sich neugierige Besucher im Labyrinth der Räume verlieren, ohne dem Geheimnis nahe zu kommen.

Genau das ist im Kanton Zürich passiert, seit die Verwaltung ihre Kommunikationsstrategie vor rund 25 Jahren auf den Kopf gestellt hat. Der Staat, zuvor eine Blackbox, hat sich unter dem Druck des anbrechenden Informationszeitalters zwar geöffnet, aber er schützt seine Geheimnisse heute mindestens so gut wie zuvor. Weil er ein Heer von Kommunikationsprofis verpflichtet hat, die dafür sorgen, dass die Öffentlichkeit nur zu sehen bekommt, was sie sehen soll.

Es ist eine Entwicklung, die oft übersehen wird. Sie trifft nicht nur Zürich, sondern auch andere Kantone und die Bundesverwaltung.

Es ist eben mehr als nur eine Anekdote, dass sich kürzlich Oliver Washington, der Sprecher des Bundesrats Beat Jans, in einen Streit mit einer Zürcher Schülerin über den Inhalt ihrer Maturarbeit verwickeln liess. Thema: die Kommunikationsstrategie des Bundesrats. Die Netze der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit sind inzwischen so dicht gestrickt, dass sie bizarren Beifang erzeugen.

Laut der Medienstatistik des Bundes ist die Zahl der Journalisten in der Schweiz innert zehn Jahren um einen Viertel gesunken. Über diesen Trend wird viel lamentiert. Weniger bekannt ist eine andere Zahl, die damit verknüpft ist: Angestellte in Öffentlichkeitsarbeit, Marketing und Werbung haben im gleichen Zeitraum um 50 Prozent zugelegt.

In der Bundesverwaltung ist die Zahl der Kommunikationsfachleute innert fünf Jahren um 15 Prozent gestiegen, auf über 400 Personen. Die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit nahmen noch schneller zu, sie betrugen 2023 rund 110 Millionen Franken. Kritik zog jüngst das Verteidigungs­departement auf sich, weil es sein Kommunikationsteam trotz Finanzknappheit auf 106 Stellen ausbaute.

Für Stadt und Kanton Zürich fehlen Daten. Das alleine ist bezeichnend dafür, dass mehr Personal nicht automatisch mehr Transparenz bedeutet. Gezählt wird nur, wenn es kritische Fragen aus dem Parlament gibt. In der Stadt Zürich war dies letztmals vor zehn Jahren der Fall, damals wurden fast 80 Vollzeitstellen in der Kommunikation ausgewiesen.

Im Kanton kam man vor rund fünfzehn Jahren auf 38 Vollzeitstellen, verteilt auf 70 Personen. Das jüngste Verzeichnis der Verwaltung listet rund 90 Kommunikationsprofis auf, dreimal so viele wie zu Beginn des Jahrhunderts. Vom Web-Redaktor bis zur «Kommunikationsverantwortlichen Hunde» – kaum ein Amt kommt ohne aus.

Sie nehmen Journalisten Recherche und Gewichtung ab

Zürcher Regierungsmitglieder verwenden heute viel Energie auf ihre Aussendarstellung. Die Amtsführung von Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli etwa ist geprägt davon, dass sie vor ihrer Wahl PR-Frau und Kommunikationsberaterin war. Bei der Justizdirektorin Jacqueline Fehr ist die Kommunikation längst keine One-Man-Show mehr wie unter ihren Vorgängern, sondern Aufgabe einer siebenköpfigen Truppe. Und beim Baudirektor Martin Neukom sind es sogar neun Personen.

Welch Unterschied zu früher: Im Jahr 1999 stellte die Regierung erstmals überhaupt eine eigene Kommunikationsfachfrau an. Diese sollte die zugeknöpften Magistraten im Umgang mit den Medien coachen und ein Konzept für ihre Informationspolitik entwickeln. Weil es schlicht keines gab.

Wenig später verschrieb sich die Regierung, einem internationalen Trend folgend, dem Öffentlichkeitsprinzip. Das war richtig: Der Staat soll Informationen grundsätzlich offenlegen und Transparenz schaffen.

Der Anbruch des Informationszeitalters, das Öffentlichkeitsprinzip, der Ausbau der staatlichen Kommunikationsstellen und der Rückgang kritischer Medienschaffender – das alles ging also Hand in Hand.

Die Sprecher von Stadt und Kanton Zürich begründen das Wachstum der Kommunikationsabteilungen denn auch nicht nur mit der Vielzahl neuer Kanäle, auf denen in hoher Kadenz verschiedenste Aufgaben zu erfüllen seien: vom Kontakt mit der Bevölkerung und dem Personal bis hin zu Marketingmassnahmen. Nein, sie betonen explizit auch, dass die Abteilungen zunehmend Rechercheleistungen für Journalisten erbringen müssten, weil diese aufgrund der ausgedünnten Redaktionen dazu selbst nicht mehr in der Lage seien.

Das klingt nach Service public. Und es gibt tatsächlich Kommunikationsverantwortliche, die Medienschaffende nach Kräften mit neutralen Informationen versorgen. Aber das Risiko gezielter Manipulation medialer Berichterstattung im Dienste staatlicher PR ist nicht bloss theoretischer Natur. Also das Risiko, dass Steuerzahler von Spin-Doktoren der Verwaltung, die sie selbst finanzieren, über die Verwendung ihrer Steuern in die Irre geführt werden.

In der klassischen publizistischen Theorie waren es die vom Staat unabhängigen Massenmedien, die als «Gatekeeper» entschieden, was für die Öffentlichkeit relevant ist und was nicht. Nach dem Durchbruch des Internets gingen viele davon aus, dass niemand mehr diese Filterfunktion übernehme. Diese Annahme war naiv. Tatsächlich haben sich die «Gatekeeper» auf die staatliche Ebene verlagert, in die Kommunikationsabteilungen.

Einfach einmal sagen, wie es ist? Offenbar undenkbar

Die Forcierung staatlicher Informationspolitik – angetreten mit dem Versprechen von Transparenz und Bürgernähe – hat zu einem ambivalenten Resultat geführt. Auf der einen Seite steht heute eine erstaunliche Menge an öffentlich zugänglichen Informationen. Auf der anderen ein Apparat, der sich bestens darauf eingestellt hat, seine Geheimnisse auch unter diesen Bedingungen zu wahren.

Vor allem bei kritischen Fragen.

Der Austausch von Journalisten mit staatlichen Stellen verläuft oft zäher, als es die Kommunikationsleitlinien des Kantons und von Städten wie Zürich oder Winterthur erwarten lassen. Da steht, es solle «vollständig» informiert werden, «auch über eigene Fehler» und «unangenehme Sachverhalte». Aber es steht als Ziel eben auch, dass Vertrauen in die Regierung und die Verwaltung geschaffen werden solle. Eine unüberbrückbare Spannung.

Deshalb werden kritische Informationen manchmal monatelang zurückgehalten. Journalisten werden belehrt, dass sie die falschen Fragen stellten. Oder sie werden als Erstes gefragt, was eigentlich ihr «Narrativ» sei. Dass jemand ergebnisoffen nachfragen könnte, um sich ein Bild davon zu machen, was Sache ist? Offenbar undenkbar.

Hier macht sich die Schulung dieser Kommunikationsprofis bemerkbar, die in Kategorien wie «Framing» und «Storytelling» denken. Oft sind es ehemalige Journalisten, die die Seite gewechselt haben.

Medienschaffenden wird immer wieder auch verwehrt, was jedem anderen im privaten Umfeld problemlos möglich ist: ein ungefiltertes Gespräch über die Zustände in der Schule, im Spital oder auf dem Steueramt, mit Leuten, die tatsächlich dort arbeiten. Standardverfahren ist die weichgespülte Beantwortung von Fragen per E-Mail.

Auch an einem anderen Pfeiler der Transparenz wird fleissig gesägt: Die Zürcher Kantonsregierung hat sich darangemacht, das Gesetz über die Information und den Datenschutz (IDG) in ihrem Interesse zu ändern. Dieses war 2008 eingeführt worden, um das Öffentlichkeitsprinzip durchzusetzen. Seither müssen auf Anfrage die allermeisten Dokumente herausgegeben werden, damit das staatliche Handeln für die Bürger nachvollziehbar ist.

Die Zürcher Verwaltungen sträuben sich jedoch dagegen. Besonders, wenn es um die Protokolle nicht öffentlicher Sitzungen geht. Sie lassen sich ungern in die Karten blicken, weil sie dadurch angreifbar werden.

Laut einem ehemaligen Kommunikationsmann der Kantonsverwaltung ist man als Reaktion auf das IDG dazu übergegangen, heikle Passagen in Gesprächsprotokollen nachträglich zu entschärfen. Künftig sollen solche Dokumente überhaupt nicht mehr veröffentlicht werden müssen – sofern das Parlament die entsprechende Gesetzesanpassung nicht verhindert.

Während die Kommunikationsabteilungen mit der einen Hand missliebige Informationen unterdrücken, kümmern sie sich mit der anderen um das, was der Verwaltung Freude macht: etwa um aufwendige Werbevideos, in denen das Zürcher Steueramt als «Antrieb der Gesellschaft» gefeiert wird. Oder um Podcasts über die Sinnhaftigkeit staatlichen Handelns. Diese kosten teilweise mehrere tausend Franken pro Folge, manche erreichen nur wenige hundert Zuhörer.

Es ist unbestritten, dass es für den Staat aufgrund des rasanten medialen Wandels anspruchsvoll geworden ist, seine Bürger zu erreichen. Aber die Zürcher Behörden sollten sich auf das zurückbesinnen, was am Anfang der Kommunikationsoffensive stand: der Ruf nach Transparenz. Mehr Information, weniger Manipulation. Dann würde sich wohl auch zeigen, dass die aufgeblähten Abteilungen grösser sind, als sie sein müssen.

Macht man weiter wie bisher, erweist sich die «transparente Kommunikation» des Staates als eitles Blendwerk. Und das wäre in Zeiten, in denen das Vertrauen in die Institutionen leidet, verheerend.

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