Freitag, März 21

Mit dem Ringier-Verlag hatte sie wenig zu tun. Stattdessen baute Ellen Ringier ihr eigenes Medienunternehmen auf. Ein Nachruf.

Sie war ein frohes Gemüt, sie konnte andere begeistern und mitnehmen. Früh hatte sie beschlossen, ihr Leben, ihre Intelligenz und ihre soziale Kompetenz für diejenigen einzusetzen, die nicht wie sie in wohlhabender Umgebung aufwachsen durften. Ellen Ringier war eine Pfadfinderin, lebenslang.

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Ihre Eltern waren Harriet und Viktor Lüthy. Der Vater war Kürschner und Pelzhändler mit internationaler Spannweite. Zudem war er ein begeisterter Kunstfreund und diskreter Sammler von Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts. Er engagierte sich als Präsident der Bernhard-Eglin-Stiftung, die ein Beispiel für bürgerlichen Gemeinsinn und Grosszügigkeit ist. Die Stiftung konnte mit den Jahren über hundert Werke der Schweizer Kunst ab dem 18. Jahrhundert und damit die Grundlage für die hauseigene Sammlung des Kunstmuseums Luzern anschaffen.

Die Mutter musste vor den Nazis fliehen

Ellen Ringiers Mutter, eine jüdische Österreicherin, flüchtete in der NS-Zeit nach England. Bei Lüthys herrschte das Prinzip des Grossvaters: «Das Einzige, was im Leben zählt, ist, anderen eine Chance zu geben.»

An der Luzerner Fasnacht lernte die Studentin Michael Ringier kennen. Nach drei Jahren wurde geheiratet. Michael Ringier arbeitete zunächst als Journalist und setzte sich auch in deutschen Verlagshäusern durch, wo sein Name nicht geläufig war, zum Beispiel beim Aufbau eines zeitweise sehr erfolgreichen KMU-Wirtschaftsmagazins. Ellen Ringier, die inzwischen bei Rehbinder in Zürich als Juristin doktoriert hatte, arbeitete in dieser Zeit in der Rechtsabteilung von Grossbetrieben. Das Paar aus der Schweizer Oberschicht lernte die Alltagswirklichkeit der Angestellten kennen.

Der familieneigene, gut fundierte und vor allem in Drucktechnik führende Ringier-Verlag war vom Grossvater Paul August Ringier mit patronaler Strenge aufgebaut worden. Als sich sein Sohn Hans Ringier zu einer tiefgreifenden Reform unter der Leitung von Heinrich Oswald entschloss (1972–1983), war für die beiden Söhne der Weg in die Familienfirma frei. Christoph wurde Verwaltungsratspräsident (bis 1991), Michael wurde Unternehmensleiter und ist bis heute aktiver Aktionär. Als er den Verlag internationalisierte und nach dem Mauerfall von 1989 vor allem in Zentral- und Osteuropa expandierte, war Ellen Ringier immer an seiner Seite, baute aber zugleich ihren eigenen, nicht profitorientierten Bereich auf.

Ausgleich zwischen Reichtum und sozialem Gewissen

Sie engagierte sich mit der ihr eigenen mitreissenden Energie in der Kultur- und Frauenförderung, unter anderem als langjährige Stiftungsratspräsidentin des Museums Haus Konstruktiv sowie im Verwaltungsrat des Schauspielhauses und – gegen Antisemitismus – beim Festival «Rock gegen Hass».

Ellen Ringier hatte mit dem Verlag ihres Mannes nichts zu tun, ausser dass sie dort durch Beobachtung und kluge Umsetzung viel lernte, um ihre Lebensziele zu erreichen. Das wichtigste unter diesen Lebenszielen war für sie, zum Ausgleich zwischen Reichtum und sozialem Gewissen beizutragen. Als Tätigkeitsfeld wählte sie die Förderung von Familien, die Elternbildung.

Es war das Erbe der Eltern, das Ellen Ringier ermutigte, das Projekt ihres Lebens zu verwirklichen: die Gründung der Stiftung Elternsein und des Elternmagazins «Fritz+Fränzi» (2001).

Ellen Ringiers Idee war: Was in anderen Ländern Sache von Familienministerien ist, wird in der Schweiz, wenn überhaupt, auf staatsunabhängiger Ebene geleistet: Beratung und Hilfe bei Erziehungsfragen, vom Umgang mit dem Armutsrisiko bis zu Suchtproblemen, Schulkonflikten oder dem kindergerechten Gebrauch des Smartphones. Und Ellen Ringier referierte und schrieb nicht nur: Sie hatte zwei Adoptivtöchter und war ihnen eine fürsorgliche, lustige Mutter.

Fachleute prophezeiten ihr Millionenverluste

Ellen Ringier war die Seele des Unternehmens. Sie kannte genügend Fachleute aus dem grossen Verlagshaus, dessen Namen sie trug, um zu wissen, dass sie sich auf ein finanzielles Abenteuer einliess. Schon der Name «Fritz+Fränzi» signalisierte Optimismus, Aufgeschlossenheit, auch eine Portion Frechheit, denn die Zeitschrift behandelte auch heikle Themen wie Sex, Gewalt, seelische Störungen und Suizidgefahr. Die Fachleute sagten ihr Millionenverluste voraus, die dann zeitweise auch eintraten. Ellen Ringier erinnerte sich am 20. Geburtstag ihres Lebenswerks:

«Ein Defizitjahr jagte das andere. Die Nächte wurden allzu oft zum Tag. Die Auflage stagnierte, die Einnahmen aus Anzeigen reichten nicht. Defizite machten mir trotz Spendern und Sponsoren das Leben schwer. Das Startup drohte zu scheitern. Aber Aufgeben kam nicht infrage.»

Was sie verschwieg: Sie hat den grössten Teil ihrer Lebenszeit investiert und hat wohl Hunderte von Anrufen getätigt, um Anzeigen einzuwerben. Während viele Leute glaubten, der mächtige Ringier-Verlag stehe hinter dem Unternehmen, hat sie im Lauf der Jahre einen bedeutenden Teil ihres Erbvermögens ihrem Lebenswerk gewidmet, ohne dass, von Einzelprojekten abgesehen, staatliche Förderung hinzukam.

Inzwischen ist aus dem Pionierunternehmen ein professioneller Kleinverlag mit der bedeutsamsten und mehrfach preisgekrönten Elternzeitschrift geworden. Wahrscheinlich hätte Ellen Ringier darüber gelacht, aber den Ehrentitel «Philanthropin» hat sie redlich verdient. Sie starb am Dienstag nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 73 Jahren.

Karl Lüönd war von 1974 bis 1980 Mitglied der leitenden Chefredaktion des «Blicks».

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