Montag, September 30

Die Stadtverwaltung hat die Regeln für Mieter in freitragenden Wohnungen verschärft. Nun hat das Bundesgericht dazu ein aufsehenerregendes Urteil gefällt.

Eine Frau hat grosses Glück: Seit 1995 wohnt sie in einem Haus mit sechs Zimmern. Weil das Haus der Stadt Zürich gehört, zahlt die Frau im Monat bloss 2860 Franken Miete. Als die Frau vor ein paar Jahren ihren Mann verliert, darf sie allein in «ihrem» Haus wohnen bleiben.

Die Stadt Zürich besitzt rund 10 000 solche Wohnungen und vermietet diese zu teilweise sehr vorteilhaften Konditionen. Deshalb gibt es ein umfassendes Regelwerk, das festlegt, wer sich überhaupt um eine städtische Wohnung bewerben oder in einer solchen zu Hause sein darf.

2018 verschärft das Stadtparlament diese Vorschriften deutlich. Die Stadt will ihre rund 10 000 Liegenschaften gerechter vermieten. Zuvor war nämlich ans Tageslicht gekommen, dass in günstigen städtischen Wohnungen etliche Millionäre eingemietet waren. Am prominentesten ist der Fall der SVP-Gemeinderätin Hedy Schlatter, die in der Stadt bloss 1300 Franken Miete zahlte, in Uster aber ein Millionenvermögen versteuerte.

Als späte Reaktion auf diese Enthüllungen führte die Stadtverwaltung eine Mindestbelegung auch für sogenannte freitragende Wohnungen ein: Die Anzahl Bewohner plus eins ergibt die maximal erlaubte Anzahl Zimmer. Eine alleinstehende Frau wie jene im 6-Zimmer-Haus dürfte demnach bloss eine 2-Zimmer-Wohnung belegen. Zudem darf das Haushaltseinkommen höchstens das Sechsfache der Miete betragen.

Stadt nahm Einsicht in die Steuerdaten ihrer Mieter

Wegen der neuen, strengeren Regeln mussten insgesamt 4900 Mietverträge nachträglich angepasst werden. Es handelt sich um Verträge, die vor 2019 abgeschlossen worden waren. Um feststellen zu können, wer die Auflagen erfüllt, schrieb die Stadtverwaltung einen umstrittenen Passus in die neuen Verträge. Wer den Vertrag unterschrieb, akzeptierte, dass die Stadt Einsicht in Steuerdaten nehmen durfte.

Wer die geänderten Kriterien nach der Prüfung durch die Stadt nicht erfüllte, bekam sodann zwei Ersatzwohnungen angeboten. In den allermeisten Fällen klappte der Wechsel in das strengere Regime: Die Mieterinnen und Mieter akzeptierten einen der beiden Vorschläge. Bloss 50 Mietparteien wollten die Vertragsänderung nicht annehmen.

Zwei von ihnen wollten weder die Ersatzwohnungen noch sonst eine aussergerichtliche Lösung akzeptieren. Sie gingen gegen die Änderungen ihrer jeweiligen Mietverhältnisse vor Gericht. Nun hat ihr seit über vier Jahren andauernder juristischer Streit mit der Stadtverwaltung einen neuen Höhepunkt erreicht: Das Bundesgericht stellt sich auf die Seite der Stadt Zürich.

Eine der beiden ist die Frau mit dem 6-Zimmer-Haus. Sie hätte in eine 2-Zimmer-Wohnung ziehen können, so wie es die Stadt ihr vorschlug. Oder sie hätte sich vier neue Mitbewohner suchen können. Beides lehnte sie offenbar ab.

Der zweite Fall betrifft einen Mann, der seit 1999 in einer Dachwohnung mit dreieinhalb Zimmern wohnt. Für dieses Domizil zahlte der Mann ursprünglich 2493 Franken pro Monat. Nun hat er auf diese Wohnung aber keinen Anspruch mehr, weil sein Einkommen die dafür zulässige Obergrenze offenbar überschreitet.

Beide Mietparteien gelangten mit ihren Beschwerden gegen das Vorgehen der Stadtverwaltung an das Mietgericht und bekamen von demselben prompt recht. Diese Niederlage wollte die Stadt indes nicht auf sich sitzen lassen, zog den Fall weiter – und verlor vor Obergericht erneut.

Ein Erfolg für die Stadtverwaltung

Das Bundesgericht kippt diese Urteile nun aber. In zwei Entscheiden vom 19. August erklärt es das Vorgehen der Stadtverwaltung für rechtskonform: «Das angefochtene Urteil wird aufgehoben, und die Klage wird abgewiesen». So steht es in den Urteilsdispositiven, die der NZZ vorliegen.

Die Begründung der Entscheide steht noch aus. Warum das Bundesgericht anderer Ansicht als die vorherigen Instanzen ist, bleibt deshalb unklar. Kornel Ringli, der Sprecher von Liegenschaften Stadt Zürich, möchte deshalb auch keinen Kommentar abgeben, bis die Urteilsbegründung vorliegt. Er schreibt auf Anfrage: «Wir können noch keine Aussagen zum Entscheid und zum weiteren Vorgehen machen. Insbesondere auch dazu nicht, was der Bundesgerichtsentscheid für die betroffenen Mietverhältnisse bedeutet.»

Nach dem Urteil scheint klar, dass die Stadt die beiden Parteien wie auch alle anderen, die nicht reglementskonform wohnen, zum Umzug in eine passende Wohnung auffordern und andernfalls das Mietverhältnis kündigen kann.

Urteile 4A_82/2024 und 4A_105/2024 vom 19. August 2024.

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