Das Pentagon gab grünes Licht: Vom Truppenübungsplatz Hohenfels kommt ein Manöver-«Tatort», den man auch als Werbeschaltung für das atlantische Bündnis lesen kann.

Die Leiche einer erstochenen weiblichen Person in einem Militärfahrzeug der Nato. Ein Nato-Zivilist in seinem Blut, aufgefunden an einem Ort im Gelände mit dem Codewort «Charlie». Das ist selbst für Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) zum Frühstück einen Happen zu viel. Die Sache nicht bekömmlicher macht für die beiden die Tatsache: Für den Doppelmord könnten, rein theoretisch, 6500 Menschen verantwortlich sein.

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So viele Soldaten halten sich am Fundort der Toten auf, auf dem Nato-Truppenübungsplatz Hohenfels. Die erstaunliche Anzahl an Verdächtigten ist nicht der einzige Rekord in einem «Tatort», den man wegen Unterlassung sozusagen vor ein Militärgericht zitieren will.

Das Go aus dem Pentagon

Denn alles ist erst einmal da, um den Sonntagsabendkrimi zu einem Überflieger zu machen. Diese Kulisse wurde einem Filmteam noch nie erlaubt: Mit der finalen E-Mail «Pentagon has no objections!» erhielten der Regisseur Lancelot von Naso und seine Crew das Go, den Nato-Übungsplatz in der Oberpfalz während eines laufenden Manövers als Drehort zu benutzen.

Hier gibt’s die Starbesetzung sogar kostenlos: Schwärme von Chinook-Helikoptern in der Luft, im Gelände Humvees (High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicles). Freilaufende Panzer von einer Potenz, dass der Pfälzerwald erzittert. Fitte Elitesoldaten marschieren im straff geführten Platoon. Die Einsicht in einen Hochsicherheitsbereich der US Army ist in jeder Hinsicht attraktiv.

Ganz nebenbei erhält man zudem Kenntnisse des Nato-Sprech: CPT ist der Captain, MRE («meal ready to eat») das Soldaten-Fertig-Menu. Im Einerlei der Übung ist die Essroutine mindestens so wichtig wie die Anwesenheit der COB («civilians on the battlefield»). Diese üben sich vorderhand im Warten. Der Friede täuscht allerdings, der fiktive Feind mit Namen Skolgan bereitet den Angriff bereits vor.

Die COB sind das Herz jedes Nato-Manövers. Sie spielen als Komparsen nach exakten Regieanweisungen des COB-Instructors Aufstand, Evakuierung, Demonstration. Rollenspiele für die Soldaten, Einübung in den Ernstfall. Inszeniert wird das in der «Box», auf einem exakt bestimmten Terrain mit Potemkinschen Dörfern, die Kittelau heissen oder Übungsheim. Die Mordfälle, die Leitmayer und Batic aufklären müssen, betreffen zwei Abgänge unter COB. Weil nun der Kroate Batic glaubt, der Nato noch etwas schuldig zu sein – «die Amis haben uns im Jugo-Krieg den Arsch gerettet» –, meldet er sich als COB, «embedded investigation».

Vom Grossen zum Kleinen

Der Tatort «Charlie» hat unbestritten viele wirkungsstarke Rampensäue: eine Kulisse wie ein Handkuss, Mobiliar und Requisiten, die man nur mit einem Astralbudget kaufen kann. Alles ist da, um daraus einen grossen Plot zu schmieden. Die Drehbuchautorin Dagmar Gabler bringt sogar den Vorteil mit, dass sie «aus Neugierde und Abenteuerlust» bei einem Manöver bereits einmal als COB angeheuert hat.

Gleichwohl scheint ihr auf dem Weg vom Erlebten bis zum Schreibtisch das Wichtigste hintenübergefallen zu sein: die Story, die den Aufwand plausibel macht. Den Münchner Manöver-«Tatort» nur als Horizonterweiterung oder Werbeschaltung für die Nato zu verstehen, ist schlicht unbefriedigend.

Unterwegs zwischen grossen geopolitischen Belangen bleibt der Film beim Kleinstmöglichen hängen: der Beziehungstat, dem Frauenhass. Wohl wahr, im Krieg zwischen Ländern geht es immer auch um den Krieg der Geschlechter, um die Herrschaft von Männerkörpern über Frauenkörper. Doch so billig und so allgemein, wenn auch wahr und begründet, darf eine Geschichte, die mit einem Kapital wuchern könnte, wie «Charlie» es tut, nicht zum Schluss kommen.

«Tatort» aus München, «Charlie», am Sonntag, 2. 3., 20.15 Uhr, SRF 1 / ARD.

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