Donnerstag, Februar 6

Wie sich mithilfe eines speziellen Index die Entwicklung der deutschen Industrieproduktion bestimmen lässt und warum die Vermutung naheliegt, dass die Wirtschaft in Deutschland die Talsohle durchschritten haben könnte.

Haben Sie schon einmal vom Lkw-Maut-Fahrleistungsindex gehört? Nein? Da sind Sie nicht allein. Der Indikator des Statistischen Bundesamtes macht sich die Daten zunutze, die auf deutschen Autobahnen gesammelt werden. Er gehört aber längst nicht in jeder volkswirtschaftlichen Abteilung zum Standard-Repertoire.

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Dabei ist die Idee dahinter einleuchtend. Fast jeder Lkw sendet auf deutschen Autobahnen per GPS und Mobilfunk Daten, die das Bundesamt für Güterverkehr aggregiert. Dadurch lassen sich Rückschlüsse auf die Industrieproduktion ziehen, deren Entwicklung wiederum ein Indikator für die Konjunktur ist. Die Lkw bringen schliesslich Rohstoffe und Vorprodukte zu den Fabriken und von dort die fertigen Waren zu den Abnehmern.

Vereinfacht gesagt: Je mehr auf den Strassen los ist, desto stärker brummt die Wirtschaft. Und im Gegensatz zu vielen anderen makroökonomischen sind die Daten nahezu sofort verfügbar.

Warum die Lkw-Maut-Daten als «experimentell» gelten

Die Lkw-Maut gibt es seit 2005 in Deutschland. Seit der Coronapandemie werden die Daten täglich ausgewertet, der Abstand zwischen Messung und Veröffentlichung liegt bei fünf bis neun Tagen, heisst es beim Statistischen Bundesamt. Zur Wochenmitte fahren in der Regel besonders viele Lkw, während es an Sonn- und Feiertage nur wenige sind. Solche Effekte werden von der Bundesbank herausgerechnet. Da saison- und kalenderbereinigte tägliche Daten in der amtlichen Statistik allerdings ein Novum sind und es dazu keine europäischen Leitlinien gebe, werden die Daten von der Behörde als «experimentell» bezeichnet.

Wenn morgen Freitag um 8 Uhr die neuesten Daten – für Dezember 2024 – zur Industrieproduktion in Deutschland bekanntgegeben werden, könnte der Lkw-Maut-Fahrleistungsindex bereits die Richtung vorgegeben haben. Denn der Index hat im Dezember gegenüber dem Vormonat 0,5% zugelegt. Das Plus gegenüber dem Vorjahresmonat beläuft sich auf 3,1%.

Sollte die deutsche Produktion tatsächlich gestiegen sein, käme das einer faustdicken Überraschung gleich, wie der Abgleich mit einer Umfrage von Bloomberg zeigt. Ökonomen rechnen im Mittel mit einem Minus von 0,7% im Vergleich zum Vormonat. Die Publikation vom Freitag könnte damit auch eine Bewährungsprobe für die Treffsicherheit des Frühindikators werden.

Doch die Zeichen stehen nicht schlecht, dass sich eine kleine Erholung anbahnt, heisst es bei Metzler Capital Markets. Die Analysten des Bankhauses schätzen den Lkw-Maut-Fahrleistungsindex als «vergleichsweise zuverlässigen Indikator für die Produktionstrends» ein. Und erachten die Chancen als intakt, dass die Industrieproduktion zum Jahreswechsel den positiven Trend des Vormonats fortgesetzt hat.

Man gehe allerdings davon aus, dass die deutsche Wirtschaft wenigstens in der ersten Jahreshälfte 2025 kaum vom Fleck komme und der Ausgang der Wahlen am 23. Februar mit darüber entscheiden werde, ob es noch im laufenden Jahr zu einer, wenn auch nur leichten, Beschleunigung des Wirtschaftswachstums komme. «Die jüngsten Daten zur Produktion und mehr noch zur Lkw-Fahrleistung legen aber schon einmal den Eindruck nahe, dass sich aktuell kein weiterer Abwärtsdruck aufbaut», schreibt Uwe Hohmann, Finanzanalyst bei Metzler.

Simon Azarbayjani, Konjunkturanalyst bei der Helaba, sieht die Stärke des Lkw-Maut-Fahrleistungsindex ganz klar in seiner Verfügbarkeit, die es ermöglicht eine frühzeitige Indikation zu den Produktionszahlen zu erhalten. «Eine Schwäche ist, dass die ‹Fahrleistung mautpflichtiger Lastkraftwagen mit mindestens vier Achsen auf Bundesautobahnen› in einem bestimmten Monat nur eine unscharfe Auskunft darauf gibt, wie wertvoll die Produktion in der deutschen Industrie im gleichen Monat ist», sagt Azarbayjani. So könne man nie exakt wissen, welche und wie viel Fracht sich in einem Lkw befindet. Alles in allem sei der Indikator dennoch hilfreich – eben ein wichtiger Faktor von vielen. Die Helaba rechnet für die Industrieproduktion im Dezember mit einem gegenüber dem November unveränderten Wert.

Die Fondsgesellschaft Union Investment begrüsst es sehr, dass das Statistische Bundesamt sich mit Hochfrequenzdaten beschäftigt, die keiner zeitlichen Verzögerung unterliegen und hält den Lkw-Maut-Index für einen guten Indikator. Er sei aber, wie die deutsche Industrieproduktion, nicht der relevanteste Massstab für die Kapitalmärkte. Die Musik spielt nun einmal in den USA. Entscheidend sei am Ende, wo die Leitzinsen in Zukunft stehen.

«Zuletzt war die Produktion eine Konjunkturbremse, jetzt stabilisieren sich die Auftragseingänge und die Fertigung erholt sich langsam», sagt Stefan Kipar, Senior Economist bei Union Investment. Es bleibe aber dabei, «die Investitionstätigkeit der privaten Unternehmen ist nicht gut und der Bedarf an Erweiterungsinvestitionen derzeit nicht besonders gross – ganz zu schweigen von den Herausforderungen etwa in der Automobilbranche oder energieintensiven Sektoren wie der Chemieindustrie.»

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