Donnerstag, September 19

Unabhängige Forschung oder klare politische Verantwortung? Die Frage entzweit das Kantonsparlament – und bringt die Bildungsdirektorin in Bedrängnis.

Sie ist die unangefochtene Chefin, aber soll sie es bleiben? Diese Frage stellte das Zürcher Kantonsparlament am Montag, und zwar an die Adresse der Zürcher Bildungsdirektorin Silvia Steiner (Mitte).

Die hat nämlich schon das gesamte Zürcher Bildungswesen unter sich. Aber damit nicht genug: Sie ist auch die Chefin der zwei grössten Hochschulgebilde im Kanton: der Universität Zürich und der Zürcher Fachhochschulen. Denn: Steiner ist neben ihrem Regierungsamt auch Präsidentin des Universitäts- und Fachhochschulrats, des Verwaltungsrats der Hochschulen.

Es ist ein mächtiges Gremium, das über die strategische Ausrichtung der Hochschulen entscheidet, deren Leitung bestimmt und über die Schaffung und Besetzung von Professuren entscheidet.

Eine Politikerin als Chefin unabhängiger Forschungseinrichtungen? Eine Regierungsrätin, die sich durch ihre Doppelfunktion quasi selbst beaufsichtigt? Das gehe nicht, finden Politikerinnen und Politiker aus FDP, SP, GLP und Grünen. Diese in Bildungsfragen seltene Allianz schickte am Montag eine Protestnote in Richtung Steiner.

«Wenn überhaupt, haben wir versagt!»

«Schräg» nannte Urs Glättli (GLP) die Konstellation. Sie führe zu klaren Interessen- und Rollenkonflikten, meinte Marc Bourgeois (FDP). Und Livia Knüsel (Grüne) sprach von einem klaren Verstoss gegen die Prinzipien der Good Governance. Das hätten unlängst auch eine Reihe von Gutachten gezeigt – sie sind der Anlass für den Vorstoss.

«Vielleicht machen Sie das gut, vielleicht auch nicht», sagte Glättli an Steiners Adresse. «Aber darum geht es nicht!» Es gehe ums Prinzip.

Genau das kritisierte die politisch bunt zusammengewürfelte Gegenseite, die nichts gegen Steiners Präsidentinnenrolle hat. Gegen die «Modererscheinungen Good Governance» wandte sich Hanspeter Hugentobler (EVP). «Wir halten nicht viel von Veränderungen um der Veränderung willen. Warum sollen wir ohne Grund ein Erfolgsmodell abschaffen?»

Einen Schritt weiter ging Rochus Burtscher (SVP). Er wies darauf hin, dass es das Zürcher Kantonsparlament schon heute in der Hand habe, eine andere Präsidentin als die Bildungsdirektorin zu wählen. «Wenn überhaupt, haben wir als Kantonsräte versagt.»

Die heutige Regelung sei jedoch durchaus sinnvoll, sagte Burtscher. «Bei Problemen muss die Präsidentin politische Verantwortung übernehmen und den Kopf hinhalten. Wir sollten ihr nicht helfen, sich aus der Verantwortung zu ziehen.»

Ihm wäre es nie in den Sinn gekommen, die frühere SP-Bildungsdirektorin aus dieser Rolle zu drängen, nur weil er oft mit ihr uneinig gewesen sei, so der SVP-Politiker.

Ein überraschender Gegenkandidat

Mehr Unabhängigkeit also – oder eine klare Verantwortungskette? Interessant ist in dieser Frage die Wandlung der SP. Sie befürwortete vor acht Jahren noch für den Status quo. Nun ist sie dagegen. Auch 2008 gab es schon einen gescheiterten Versuch, die Bildungsdirektorin in den Hochschulräten zu entthronen.

Dieses Mal könne es jedoch klappen: Mit 108 zu 65 Stimmen schickte das Kantonsparlament eine Protestnote bezüglich der geltenden Präsidiumsregel an den Regierungsrat. Zwei parlamentarische Initiativen, die verbindliche Regeln dazu einführen würden, haben damit gute Chancen auf eine Annahme. Sie kamen am Montag allerdings noch nicht zur Abstimmung.

Silvia Steiners Tage als Chefin der Universität Zürich und der Fachhochschulen könnten damit gezählt sein. GLP-Mann Glättli brachte gar schon einen Gegenkandidaten als Präsidenten des Fachhochschulrats ins Spiel: den am Montag neu ins Gremium gewählten Rechtsprofessor Thomas Gächter.

Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen. Steiner selbst beschränkte sich im Kantonsrat auf eine ironische Stellungnahme. Sie bemerkte, dass das Parlament sich damit eigentlich vor allem selbst beschneide – indem es sich die Möglichkeit nehme, ein Regierungsmitglied in die entsprechenden Gremien zu wählen.

«Aber», schloss Steiner, «Sie werden in ihrer Weisheit sicher das Richtige entscheiden.»

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