Samstag, November 23

In den letzten Jahren haben viele Schweizer Pensionskassen die Umwandlungssätze gesenkt – auch die Zürcher BVK. Nun läutet der Vorsorge-Tanker eine Trendwende ein, die Signalwirkung haben dürfte.

Bei den Schweizer Pensionskassen haben sich die Umwandlungssätze in den vergangenen Jahren nur in eine Richtung bewegt: abwärts. Die demografische Entwicklung und niedrige Zinsen zwangen viele Vorsorgeeinrichtungen zur Senkung der Sätze.

Mit dem Umwandlungssatz wird das bei der Pensionierung vorhandene Sparguthaben in der Pensionskasse in eine lebenslange Rente umgewandelt. Beträgt das Guthaben 600 000 Franken und der Umwandlungssatz 6 Prozent, erhält der Versicherte eine Rente von 36 000 Franken pro Jahr. Liegt der Satz bei 5 Prozent, sind es nur noch 30 000 Franken.

Es macht also einen deutlichen Unterschied, ob man mit einem Umwandlungssatz von 6,25 Prozent – laut der Swisscanto-Studie der Mittelwert der Schweizer Pensionskassen im Jahr 2015 – oder mit 5,37 Prozent, dem Wert von 2023, in Rente geht.

Anhebung der Umwandlungssätze gegen den Trend

Bei der Talfahrt der Umwandlungssätze zeichnet sich aber langsam ein Boden ab. Ein kräftiges Signal in dieser Hinsicht sind die der NZZ vorliegenden Pläne der BVK, der mit 139 000 Versicherten grössten Pensionskasse der Schweiz. Von diesen sind 40 Prozent Angestellte des Kantons Zürich, die übrigen stammen von angeschlossenen Arbeitgebern aus den Branchen Gesundheit, Bildung und Verwaltung.

Gegen den Trend plant die BVK, die Umwandlungssätze in ihren verschiedenen Rentenmodellen zu erhöhen – und das bereits ab 2025.

Beim Standardrentenmodell der BVK steigt der Umwandlungssatz für eine Person, die sich nächstes Jahr mit 65 Jahren pensionieren lässt, von bisher 4,64 auf neu 4,8 Prozent. Diese Rente wird also ab dem Zeitpunkt der Pensionierung in gleichbleibender Höhe bis zum Lebensende bezahlt. Hat jemand ein Pensionskassenguthaben von 600 000 Franken bei der BVK, so erhält er in diesem Modell neu eine jährliche Rente von 28 800 Franken. Ohne die Erhöhung wären es nur 27 840 Franken gewesen.

Die BVK verfügt über mehrere Rentenmodelle. Beim Modell «Plus» erhält man einen höheren Umwandlungssatz als im Standardrentenmodell. Dafür reduziert sich eine allfällige Hinterbliebenenrente von zwei Dritteln auf einen Drittel der Altersrente. In diesem Modell steigt der Umwandlungssatz 2025 von derzeit 4,85 Prozent auf 5 Prozent für 65-jährige Pensionierte.

Einige Pensionskassen planen bessere Leistungen

Der Schritt der BVK, die Umwandlungssätze zu erhöhen, ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Dies zeigt ein Blick auf die diesjährige, in der Branche stark beachtete Studie des Vorsorgeanbieters Swisscanto. Bei dieser Ende Mai veröffentlichten Umfrage gab zwar jede siebte der befragten 483 Pensionskassen an, die Leistungen für Versicherte verbessern zu wollen.

Vor einer Erhöhung der Umwandlungssätze schreckten aber fast alle Kassen zurück. Nur drei gaben an, ihren Umwandlungssatz erhöht zu haben. Da die Renten im Anschluss lebenslang gezahlt werden müssen und somit eine Garantie darstellen, halten sich viele Pensionskassen zurück. In der Umfrage hatten viele Kassen sogar angegeben, ihre Umwandlungssätze in den kommenden Jahren weiter zu senken.

Der Schritt der BVK könnte nun ein Zeichen dafür sein, dass die Talsohle bei den Umwandlungssätzen der Pensionskassen nach den starken Senkungen der letzten Jahre erreicht ist – obwohl die Zinsen an den Kapitalmärkten in den vergangenen Monaten wieder zurückgegangen sind. Aufgrund ihrer Grösse und ihrer wichtigen Stellung innerhalb der Schweizer Pensionskassen-Landschaft könnten die Entscheide der BVK eine gewisse Signalwirkung für andere Einrichtungen haben.

Bei der BVK sind die Umwandlungssätze an den sogenannten technischen Zinssatz gekoppelt. Dieser wird vom Stiftungsrat der Pensionskasse festgelegt, und mit ihm werden die Rentenverpflichtungen diskontiert. Er sagt aus, mit welcher Rendite eine Pensionskasse in den kommenden Jahren beim Pensionskassen-Vermögen rechnet. Laut dem Beratungsunternehmen PPCmetrics lag der durchschnittliche technische Zinssatz der Schweizer Pensionskassen im vergangenen Jahr bei 1,63 Prozent. Dabei gab es aber erhebliche Unterschiede, die Spannbreite lag zwischen 0 und 2,75 Prozent.

Keine Negativzinsen mehr

Die BVK werde ihren technischen Zinssatz 2025 von 1,75 auf 2 Prozent anheben, sagt Thomas R. Schönbächler, Vorsitzender der Geschäftsleitung der Pensionskasse. Eine Überprüfung habe ergeben, dass hier mittlerweile wieder Spielraum nach oben bestehe. Dabei orientiert sich die BVK nicht zuletzt an der Rendite von zehnjährigen Schweizer Staatsobligationen, die als sehr sicher gelten. Im Jahr 2022 hatte die BVK den technischen Zinssatz zuletzt von 2 auf 1,75 Prozent gesenkt, damals lag die Rendite zehnjähriger Schweizer Staatsobligationen bei –0,46 Prozent, also in negativem Terrain. Derzeit beträgt die Rendite zehnjähriger Schweizer Staatsobligationen rund 0,4 Prozent.

«Die Führung der BVK ist überzeugt, dass sich mit Vermögensanlagen wieder höhere Renditen erwirtschaften lassen als bei der letzten Evaluation», sagt Schönbächler. Derzeit gehe man bei der Pensionskasse von einer erwarteten Rendite von jährlich 3,5 Prozent für die kommenden Jahre aus. Vor vier Jahren waren es noch 2,8 Prozent.

Die BVK verfügt über ein Anlagevermögen von 42,4 Milliarden Franken, ihr sind 438 Arbeitgeber angeschlossen. Per Ende September dieses Jahres lagen die Vorsorgegelder zu rund 37 Prozent in Aktien, zu 35 Prozent in Obligationen und zu 20 Prozent in Immobilien und Infrastrukturanlagen. Hypotheken machten 5,6 Prozent der Anlagegelder aus. Die Bereiche Immobilien, Infrastruktur und Hypotheken würden weiter ausgebaut, sagt Schönbächler.

«Zu starke Senkungen vorgesehen»

Dass Schweizer Pensionskassen ihre Umwandlungssätze anhöben, sei derzeit noch kaum zu beobachten, sagt Thomas Breitenmoser, Leiter Investment-Controlling & Consulting bei dem Beratungsunternehmen Complementa. «Viele Kassen sind derzeit noch auf dem Pfad der Senkung ihrer Umwandlungssätze.» In einer Erhebung von Complementa liegt der durchschnittliche Umwandlungssatz der befragten Schweizer Pensionskassen derzeit bei 5,23 Prozent. Gemäss der Umfrage dürfte der Satz bis 2029 auf im Durchschnitt 5,1 Prozent sinken.

Einige Pensionskassen hätten aber in den vergangenen Monaten entschieden, den Senkungspfad bei ihren Umwandlungssätzen früher zu verlassen. «Manche Kassen haben festgestellt, dass sie zu starke Senkungen der Umwandlungssätze vorgesehen hatten», sagt Breitenmoser. Auf der Passivseite sei aufgrund der Daten aus der Umfrage mit einer Sollrendite von 2 Prozent zu rechnen, und dies lasse sich im derzeitigen Marktumfeld gut erreichen. In der Branche sei zu beobachten, dass einige Pensionskassen ihren technischen Zins von 1,75 auf 2 Prozent heraufgesetzt hätten.

BVK steigt in die Vorsorgeberatung ein

feb. Bei der Pensionierung entscheiden sich immer mehr Versicherte für den Bezug des Pensionskassenkapitals anstatt für eine lebenslange Rente. Dies zeigen provisorische Daten des Bundesamts für Statistik (BfS). Gemäss diesen bezogen Versicherte im Jahr 2023 von ihren Pensionskassen Alterskapital im Volumen von 14,8 Milliarden Franken. Im Jahr 2015 waren es lediglich 6,3 Milliarden Franken.

Auch bei der BVK sei dieser Trend zu beobachten, sagt Schönbächler. So werde bei seiner Pensionskasse rund ein Drittel der Vorsorgegelder als Kapital bezogen. Knapp mehr als die Hälfte der Versicherten entschieden sich für den Bezug von Kapital oder zumindest für einen Mix aus Rente und Kapital. Der Entscheid für die Rente oder für das Kapital bei der Pensionierung ist sehr wichtig, denn er ist unwiderruflich. Umso bedenklicher findet es Schönbächler, dass es in diesem Bereich nicht selten zu Fehlberatungen komme. Viele Finanzinstitute hätten bei der Beratung von Kunden eben ein Eigeninteresse – nämlich, dass diese das Kapital aus der Pensionskasse bezögen und es ihnen zur Verwaltung überliessen. Dies kann dazu führen, dass Kunden sich das Kapital aus der Pensionskasse auszahlen lassen, obwohl eine lebenslange Rente für sie besser geeignet wäre.

Viele Anfragen an den BVK-Stiftungsrat hätten gezeigt, dass im Bereich «Rente oder Kapital» ein grosser Bedarf an einer unabhängigen Vorsorgeberatung bestehe, sagt Schönbächler. Deshalb startet die BVK nun mit einem eigenen Angebot in diesem Bereich. Zwei BVK-Angestellte sind für die Beratungen zuständig. Eine Einzelberatung kostet 1200 Franken, eine Paarberatung 1500 Franken. Bei einer Einzelberatung muss die Person bei der BVK versichert sein, bei Paarberatungen kann eine Person von ausserhalb der BVK sein.

Im Gegensatz zu anderen Anbietern müsse die BVK keine Anlageprodukte verkaufen und könne neutral beraten, sagt Schönbächler. Die Preise seien so gestaltet, dass sie die effektiven Kosten der Beratung deckten, nicht mehr.

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