Der britische Pop-Star ist auf einer Abschiedstournee, die vielleicht gar keine ist. Am Donnerstagabend machte Stewart im Zürcher Hallenstadion halt.

«Ein letztes Mal» verheisst das Motto von Rod Stewarts Abschiedstour in Europa. Als er sich zu Beginn des Konzerts im Zürcher Hallenstadion bereits nach zwei Liedern mit einem Handtuch den Schweiss abwischen muss, das Tuch aber nicht findet, sagt eine Frau im Publikum zu ihrer Begleitung: «Ob das wohl gut kommt?»

Es kommt gut. Man gönnt Stewart, immerhin 79 Jahre alt, die paar Verschnaufpausen. Er lächelt charmant, das ganze Konzert hindurch, sagt: «I’m so excited.» Die Stimme ist rauchig-rau wie eh und je. Er tänzelt und trippelt in seinen Glitzerschuhen, wackelt mit der Hüfte, schwingt seine Arme in die Luft. Als wären nicht nur seine Songs, sondern er selbst zeitlos. Das Alter lässt er nicht gelten. Mit weit aufgeknöpftem Hemd kratzt er «Forever Young».

Fussbälle für die Fans

Den Ablauf des Konzerts stellt Stewart aber gleich zu Beginn klar: zwei Stunden, 25 Hits. Die Titel werden jeweils eingeblendet. Darunter sind «Maggie May», der Song mit Mandolinen-Begleitung, der ihm 1971 zum Solo-Durchbruch nach der Band Faces verhalf. Der Disco-Hit «Da Ya Think I’m Sexy?». Das verführerische «Tonight’s The Night», das die BBC einst verbot, weil es zu sehr «sex rock» sei. Neues bringt Stewart nicht mit, keine Songs seines Big-Band-Albums «Swing Fever», das er im Februar mit dem Komponisten Jools Holland veröffentlichte.

Er spielt, was das Publikum hören will, und weiss den Applaus der Fans abzuholen. Stewart witzelt: «In den Siebzigern war ich ein unbekannter Sänger bei den Faces. Heute habe ich Bankkonten bei der UBS.» Beim Lied «People Get Ready» lässt er ein Bild der Schweizer Fussball-Nati einblenden – allerdings in einer alten Zusammensetzung. «Ihr habt es unter die besten sechzehn an der Euro geschafft, well done», sagt Stewart, der vor der Musikkarriere selbst Kicker werden wollte und für die schottischen «Bravehearts» glüht. Für die Zuschauer mit den längsten Armen wirft er Fussbälle ins Publikum.

Sich selbst stellt er immer wieder ins Abseits. Oder zumindest in den Hintergrund. Er lässt den Saxofonisten Soli spielen und die Backgroundsängerinnen in Glitzerkleidchen zwei Lieder allein singen, während er sich umzieht oder sich ausruht.

Die Lieder, die er singt, widmet der «King of Covers» seinen Wegbereitern. In einer Art Diashow erinnert er bei «I’d Rather Go Blind» an Christine McVie von Fleetwood Mac und an Tina Turner bei «It Takes Two». 1990 hatte er den Song von Marvin Gaye und Kim Weston mit Tina Turner im Duett gesungen. «Sie kann heute Abend leider nicht hier sein», sagt Stewart wehmütig.

Unterstützung für die Ukraine

Später klingt der Anti-Kriegs-Song «Rhythm of My Heart» von 1991 an. Stewart taucht in goldgelbem Anzug und blauem Hemd auf wie eine ukrainische Flagge und sagt: «Gott schütze das ukrainische Volk, möge es gewinnen.» Er zeigt auf dem Videoscreen Bilder von ukrainischen Soldaten und zerstörten ukrainischen Städten. Gegen Ende des Liedes erscheint das Foto von Präsident Wolodimir Selenski.

Bei Konzerten in Leipzig und später in Budapest war sein «Fuck Putin» nicht gut angekommen. Buhrufe und Pfiffe hatten den Zuspruch übertönt. Die Verbindung zwischen Publikum und Stewart sei zeitweise abgerissen, schrieb der Konzertkritiker der «FAZ». In Zürich aber wird die öffentliche Positionierung Stewarts klar bekräftigt.

Sein Engagement für die Ukraine ist schon länger bekannt. Gemäss BBC hat Stewart unter anderem die Fahrt von vier mit Hilfsgütern beladenen Lastwagen zur polnisch-ukrainischen Grenze bezahlt und im Südosten Englands ein Haus für eine siebenköpfige ukrainische Familie gemietet. Stewart, der 2016 von Prinz William zum Ritter geschlagen wurde, scheint dieser Ehre gerecht werden zu wollen.

Das letzte Mal

Ob Sir Rod Stewart tatsächlich das letzte Mal live aufgetreten ist? Er scheint kürzertreten zu wollen. Im vergangenen Jahr zog er aus seiner Villa in Los Angeles aus und verschiffte Hab und Gut mitsamt der 37 Meter langen und 7 Meter breiten Modelleisenbahn nach England. Auch in Las Vegas, wo er dreizehn Jahre lang im «Caesars Palace» residierte, sind auf August die letzten Shows angekündigt.

Die Vermarktung der Tour steht im Widerspruch zu seinen Aussagen. Im Februar wurde bekannt, dass er die Rechte an seinen Songs für 100 Millionen Dollar verkauft hatte. Ans Aufhören denke er erst, wenn die Leute keine Tickets mehr kauften, sagte er damals in einem Interview mit der «Süddeutschen Zeitung». Auch mit seinem neuen Album wolle er noch Konzerte geben.

Für «Sailing», das letzte Lied der Show in Zürich, trägt Rod Stewart eine Kapitänsmütze auf dem blonden, fedrigen Vokuhila-Haarschnitt, den er seit fünf Jahrzehnten beibehält. Auf der Videoleinwand über ihm tosen Wellen. Dann wieder lichten sich Wolken vor einem Sternenhimmel mit Sternschnuppen. Mit Kitsch wird an diesem Abend nicht gespart. Das Publikum ist von seinen Sitzplätzen aufgeschossen und singt lautstark mit.

Am Ende liegen Stewart und seine elf Musikerinnen und Musiker auf dem weissen Bühnenboden, ganz platt. Der Vorhang fällt. Für eine Zugabe hebt er sich nicht mehr. Aber vielleicht war es ja doch nicht das letzte Mal, dass wir Rod Stewart auf der Bühne gesehen haben.

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