Die Skisprung-Familie streitet nicht nur über Anzüge und Nähte – sondern auch über systematischen Betrug. Norwegen kündigt Konsequenzen an.

(sda/apa) Die nordische Ski-WM geht mit einem handfesten Skandal zu Ende. Norwegen steht wegen Manipulationen an den Anzügen der Skispringer am Pranger. Mittlerweile liegt ein Geständnis zum Fehlverhalten vor.

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Begonnen hatte die skandalöse Geschichte mit Videos, die im Geheimen in einer Schneiderei gedreht wurden – und die zutage förderten, dass im Beisein von Magnus Brevig, dem Cheftrainer von Norwegens Skispringern, wissentlich verbotene Änderungen an den Anzügen der Athleten vorgenommen wurden. Sportdirektor Jan Erik Aalbu gestand mit Blick auf die illegal angepassten Kleidungen der nach dem Wettkampf von der Grossschanze am Samstag nachträglich disqualifizierten Skispringer Marius Lindvik und Johann André Forfang wissentliches Fehlverhalten.

«Wir haben betrogen und damit alle Skisprungfans enttäuscht, auch uns selber. Ich möchte mich bei den anderen Teams, den Springern, den Sponsoren und den Fans entschuldigen. Wir werden der Sache auf den Grund gehen», sagte Aalbu bei einer Pressekonferenz am Sonntag im Teamhotel. Er las zunächst ein Statement in norwegischer und später in englischer Sprache vor und stellte sich zudem den zahlreichen Fragen von rund 40 Journalisten. Aalbu wirkte gereizt.

Das Ausmass der Betrügerei ist weiterhin unklar. Aalbu erklärte, er habe von den Praktiken vorerst nichts gewusst. Auch konkrete Konsequenzen konnte der Funktionär nicht benennen. Er bestätigte zwar, dass der Skandal intern Folgen haben werde. Es sei aber noch zu früh, um zu sagen, in welchem Ausmass die Sanktionen ausfallen werden.

Laut Aalbu waren nur die von den Kontrolleuren des Internationalen Skiverbandes FIS überführten Anzüge von Lindvik und Forfang manipuliert – und nur für dieses eine Springen. Wirklich glaubwürdig wirkten diese Aussagen allerdings nicht.

Nunmehr steht die Frage im Raum, welchen Vorteil die Manipulationen bringen. Die Norweger haben eine nicht erlaubte Naht angebracht, die für zusätzliche Stabilität sorgen soll. Dieser Vorteil wiederum hilft den Springern beim Fliegen in der Luft. «Anscheinend haben sie vom Knie weg bis zum Schritt auf der Innenseite ein steifes Band eingenäht. Das ist nicht zulässig», sagte Österreichs Cheftrainer Andreas Widhölzl. Norwegens Aktion sei zwar «clever, verstösst aber gegen das Reglement».

«Ein klarer Sportbetrug»

Vertreter aller Nationen attackierten die schwer im Verdacht stehenden Norweger. «Es ist für mich eine Verarschung. Es ist eine klare Manipulation und ein klarer Sportbetrug, ähnlich wie Doping», wetterte Polens Cheftrainer Thomas Thurnbichler. Mit seinem Trainerkollegen Brevig rede er derzeit nicht mehr, ergänzte der Österreicher.

Die Verantwortlichen von Polen, Slowenien und Österreich forderten nicht nur den Ausschluss aus der Wertung des WM-Springens von der Grossschanze, sondern auch die Annullierung aller Ergebnisse der Norweger bei den Titelkämpfen in Trondheim.

Neben den Zuständigen in Norwegens Verband gab auch die FIS mit Sandro Pertile, dem Direktor Skisprung, und dem für die Materialkontrolle verantwortlichen Christian Kathol ein schlechtes Bild ab. Kathol hatte vor dem Wettkampf noch versichert, alle Anzüge seien geprüft und für regelkonform befunden worden. Dann folgten nacheinander die Disqualifikationen für Kristoffer Eriksen Sundal, Forfang und Lindvik, der eigentlich Silber gewonnen hätte.

Von der Kontrolle überführt zeigten sie in Norwegens Team Reue. «Wir haben einen Regelverstoss begangen», räumte Brevig ein. Der schwer in die Defensive geratene Sportdirektor Aalbu übernahm zwar die Verantwortung für die drei Disqualifikationen, hatte ein systematisches Muster zunächst aber noch zurückgewiesen. «Es hat sich nicht um Manipulation des Anzugs gehandelt. Das ist kein Betrug, das ist kein Doping.»

Am Sonntag musste er sich vor versammelter Presse korrigieren.

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