Donnerstag, Mai 8

Daniel Noboa muss für seine vorzeitige Wiederwahl die ausufernde Kriminalität in Schach halten. Doch er verwickelt sich zunehmend in politische Machtkämpfe und Vetternwirtschaft.

Als Daniel Noboa vor sieben Monaten überraschend als Sieger aus den Stichwahlen für die Präsidentschaft Ecuadors hervorging, freuten sich vor allem seine jungen Wähler über den erst 36-Jährigen. Noboa verkörperte für viele einen Neuanfang im chronisch kriselnden Ecuador.

Noboa ist Sprössling der reichsten Unternehmerfamilie des Landes, die mit Bananenexporten reich geworden ist. Er stammt aus der Hafenstadt Guayaquil, dem wirtschaftlichen Zentrum des Landes. Er hat in den USA an renommierten Universitäten mehrere Abschlüsse gemacht und war erst zwei Jahre zuvor als Abgeordneter in die Politik gegangen.

Beim Wahlsieg half ihm seine Gattin Lavinia Valbonesi, eine 26-jährige Influencerin und Model mit italienischen Wurzeln. Sie sammelte über die sozialen Netzwerke Stimmen für ihren Mann. Gemeinsam gelten die beiden als Traumpaar an der Spitze des Landes, das seit zwei Jahren in einer Abwärtsspirale der Gewalt steckt.

Militär auf den Strassen hat Noboa noch populärer gemacht

Im Januar gelang es Noboa, seine Popularität mit dem Kampf gegen die organisierte Kriminalität noch einmal deutlich zu steigern: Nachdem Drogenbanden eine Gewaltwelle ausgelöst sowie einen TV-Sender besetzt hatten und mehrere von deren Chefs aus Gefängnissen verschwinden konnten, rief Noboa den landesweiten Ausnahmezustand aus und beorderte das Militär auf die Strassen. 80 Prozent der Bevölkerung unterstützte ihn bei dieser Politik der harten Hand.

Vor wenigen Wochen liess er die Wählerinnen und Wähler in einem Plebiszit über eine Reihe von härteren Massnahmen gegen die Kriminalität abstimmen. Wie erwartet unterstützte die Bevölkerung ihn auch weiter bei seinem Kurs gegen die Drogenbanden, die Ecuador zum Export von Kokain aus Kolumbien und Peru nach Europa nutzen.

Höchste Mordrate Lateinamerikas

Doch inzwischen scheint die Gewalt wieder zuzunehmen. Seit einigen Wochen gibt es immer wieder neue Gewalttaten, vor allem im Einzugsbereich von Guayaquil. Ecuador ist 2023 zum Staat mit der höchsten Mordrate Lateinamerikas geworden. Über weite Teile, vor allem an der Küste und im Grenzgebiet zu Kolumbien, hat der Staat die Kontrolle verloren.

Die populäre Generalstaatsanwältin Diana Salazar deckt immer neue Verwicklungen der organisierten Kriminalität mit der Elite des Landes auf. Wie ein Krebsgeschwür haben sich die Drogenbanden in der Justiz, dem Kongress, der Polizei und den Gefängnissen ausgebreitet. Die Afro-Ecuadorianerin Salazar hat inzwischen eine ähnliche hohe Popularität wie Noboa.

Noboa reagiert mit einem zunehmend autoritären Kurs auf Probleme in seiner Umgebung. So liess er die mexikanische Botschaft stürmen, weil der wegen Korruption verurteilte frühere Vizepräsident Jorge Glas dorthin vor der Justiz geflüchtet war.

Skandale in Noboas Umfeld

Noboa war im November nur als Interimspräsident gewählt worden, nachdem sein Vorgänger Guillermo Lasso den Kongress aufgelöst hatte. Bereits am 9. Februar 2025 finden deshalb Neuwahlen statt.

Noboa will offensichtlich potenzielle politische Gegner bei den Wahlen bereits frühzeitig ausschalten. Er mischte sich direkt in die Arbeit der Wahlbehörde ein. Er forderte diese erfolgreich auf, der Oppositionspartei Construye mit fadenscheinigen Argumenten das Wahlregister zu entziehen. Immerhin besitzt die Partei achtzig Abgeordnete. Dafür bedankte er sich, indem er dem Bruder der Präsidentin der Behörde den Posten des Generalkonsuls in Washington zuschanzte, obwohl dieser keinerlei Eignung dafür vorweisen kann.

Zum Problem werden für Noboa auch andere Skandale in seinem näheren Umfeld. So wollte etwa seine Frau in einem geschützten Mangrovengebiet ein Luxusimmobilienprojekt hochziehen. Dabei hat sie sich auf das Netzwerk des Präsidenten gestützt. Die Genehmigung für den Bau bekam sie von der Umweltministerin. Die Geschäftsführerin der Unternehmung ist die Parteivorsitzende der Partei Noboas. Und der Finanzchef des Noboa-Unternehmens hat die Firma gegründet. Die Präsidentengattin stoppte das Projekt jetzt allerdings.

Bis jetzt perlen solche Skandale an Noboa ab. Vermutlich, weil die politische Klasse in Ecuador generell einen katastrophalen Ruf besitzt. Auch die breit kolportierten Affären Noboas mit weiblichen Regierungsmitgliedern werden ihm in der Macho-Gesellschaft Ecuadors kaum schaden, heisst es in Quito.

Investoren machen einen Bogen um das unsichere Ecuador

Der Präsident reagiert jedoch zunehmend dünnhäutig auf Kritik oder Probleme in seiner Umgebung. Er zögert nicht, auch langjährige Freunde im Kabinett oder entscheidende Wegbegleiter bei seinem blitzartigen Aufstieg ins Präsidentenamt in die Wüste zu schicken. Er sei der Prinz einer Oligarchie, der in seinem Leben nie ein Nein gehört habe, erklärt ein politischer Beobachter sein Verhalten.

Neben der anhaltend hohen Kriminalität und der Vetternwirtschaft könnte auch die stagnierende Wirtschaft zum Problem für Noboas Wiederwahl werden. Zwar konnte sich die Regierung gerade mit dem Internationalen Währungsfonds auf eine Kreditzusage für die nächsten vier Jahre einigen. Doch ausländische Investoren machen derzeit wegen der Sicherheitslage, der Korruption und der fehlenden Rechtssicherheit einen Bogen um Ecuador.

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