Dienstag, November 26

An vielen Orten wird Schnee den Sommer hindurch gelagert – so kann schon früh in die Wintersaison gestartet werden. Der österreichische Snowfarmer Christian Steinbach bearbeitet aber nicht nur Skipisten. Er will auch die Gletscher retten.

NZZ am Sonntag: Herr Steinbach, wie alt ist der Schnee, auf dem Sie in Kitzbühel Ski fahren?

Christian Steinbach: Der kann schon fünf bis sechs Jahre alt sein.

So alt! Und wie bringt ein Snowfarmer wie Sie den Schnee durch den Sommer?

In Kitzbühel Resterhöhe haben wir auf fast 1900 Metern jeweils ein Depot, einen riesigen Schneehaufen. Am Ende der Wintersaison schieben wir den Schnee dort zusammen – natürlichen und solchen aus der Kanone – und präparieren damit Mitte Oktober die Pisten.

Auf 1900 Metern kann es im Sommer ja auch warm werden. Wie übersteht der Schnee das?

Wir überdecken ihn mit Hackschnitzeln oder einem Vlies. Und nutzen dabei ein wichtiges Naturgesetz: die Verdunstungskühlung. Indem der Schnee unter dem Vlies ein wenig schmilzt, benetzt er es. Über diese Verdunstung entsteht wiederum Kälte, die den Schnee herunterkühlt.

Andere produzieren lieber neuen Schnee, was nicht gerade umweltfreundlich ist.

Ja, es braucht viel Wasser und Energie. Und es muss kalt sein. Auf gelagertem Schnee kann früher in die Skisaison gestartet werden.

In Livigno gibt es schon im August Langlaufrennen auf solchem Schnee. Ist das nötig?

Zum Teil können so Flugreisen eingespart werden. Profis trainieren im Sommer ja sonst in Übersee. Dafür werden Tonnen von Material transportiert.

Um den Schnee auch im Winter zu bewirtschaften, haben Sie ein eigenes Gerät erfunden: den Injektionssprühbalken. Was ist das genau?

Früher hat man Pisten für Weltcup-Rennen einfach mit Wasser besprüht. So erhielt man eine Eisschicht, darunter war der Schnee weich. Brach das Eis, wurde es gefährlich. Ich habe das Ganze umgedreht: Ich impfe den Schnee mit Wasser und gefriere die Piste mit dem Injektionssprühbalken von unten her. Dabei nutze ich ein weiteres Naturgesetz: den Kapillareffekt. Die Natur macht den Schnee – ich beobachte, kapiere und kopiere nur.

Ich kapiere noch nicht . . .

Über Düsen schiesse ich Wasser unter die Schneedecke. Dank dem Kapillareffekt kriecht das Wasser nach oben und benetzt so alle Schneeschichten. Auf der Piste kommt wieder die Verdunstungskühlung zum Zug. Das Prinzip haben wir am Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos untersucht. Wir haben gesehen, dass Schneedecken, die mit meiner Methode injiziert werden, stabiler und resistenter gegen Wärme sind.

Das braucht auch viel Wasser und Energie.

Ja, es ist ressourcenintensiv. Ich arbeite hauptsächlich dort, wo bereits Schneekanonen aufgebaut sind, da habe ich sowohl Wasser – aus Speicherseen oder aus der Leitung – wie auch die nötige Energie.

Bei Ihnen dreht sich alles um Schnee: Was bedeutet er Ihnen?

Sehr viel, nicht nur als Skifahrer. Wasser in all seinen Formen finde ich hochinteressant. Ursprünglich wollte ich mit meinen Projekten die Gletscher erhalten – oder wenigstens dazu beitragen, dass sie nicht komplett abschmelzen.

Kann man Gletscher ähnlich bearbeiten wie Skipisten?

Im Prinzip ja: Man kann die Schneedecke, die sich im Winter bildet, mit dem Gletschereis darunter verschmelzen, um die Oberfläche länger weiss zu halten. Die Gletscher sind im Sommer fast schwarz, weil sich Staubpartikel ansammeln, und dieses Schwarz erwärmt sich. Bleibt der weisse Schnee erhalten, schmilzt der Gletscher weniger schnell.

Und wie erfolgreich sind Sie damit?

Es ist ein Tropfen auf den heissen Stein. Das Problem auf dem Gletscher ist, dass ich kein Wasser habe, weil das ja unten rausläuft. Ich müsste Wasser auf den Gletscher pumpen, und das ist ökologisch auch wieder ein Blödsinn.

Andere versuchen, Gletscher über den Sommer mit einem Vlies abzudecken.

Davon halte ich viel: Mit dem weissen Vlies erreichen wir dasselbe wie mit dem Schnee. Und es ist einfacher, ein Vlies über den Gletscher zu legen, als ihn mit Wasser zu impfen, das nicht da ist. Allerdings besteht das Vlies aus Kunststoff: Und das wollen wir eigentlich nicht auf einem Gletscher rumliegen haben.

Müssen wir nicht realistisch sein und uns von den weissen Alpen verabschieden?

Die Gletscher werden abschmelzen. Leider. Ich bin machtlos und habe es akzeptiert.

Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»

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