Mittwoch, März 12

Der 30-jährige Mittelfeldspieler zählt zu den Stützen der Münchner. Das Verhältnis zum Klub ist allerdings nicht unbelastet. Das hat auch mit der Corona-Pandemie zu tun.

Bleibt er, oder bleibt er nicht? Nichts, so hat es den Anschein, scheint den FC Bayern in den letzten Tagen und Wochen so sehr zu beschäftigen wie die Vertragsverlängerung des Mittelfeldspielers Joshua Kimmich bis ins Jahr 2029. Seit bald zehn Jahren spielt der Dreissigjährige in München, er zählt zu den Stützen des Teams. Hier wurde er zum deutschen Nationalspieler.

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Eigentlich sollte die Unterschrift eine Formalie sein. Allerdings nicht in München. Dort wird um das Ja der Bleibewilligen viel Tamtam gemacht. Jüngst war es so bei Jamal Musiala, für den die Bayern an die finanzielle Schmerzgrenze gegangen sein dürften. Nachdem die Unterschrift gesetzt war, veröffentlichte der Klub auf Instagram ein Video, in dem der 21-Jährige sich in festlicher Garderobe an einen Flügel setzt und spielt.

TV-Aufgebot wie bei Koalitionsverhandlungen

Als Jan-Christian Dreesen, der Vorstandschef, nach dem 3:0 der Bayern gegen Leverkusen im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei den Journalisten haltmachte, ging es viel weniger um die glanzvolle Vorstellung, die die Bayern um Kimmich hingelegt hatten. Erst recht nicht um die Aussichten für das Rückspiel am Dienstag. Sondern vielmehr um die Frage, wie es um Kimmichs Vertragsverlängerung steht. Dreesen flüchtete sich in Floskeln, und genauso tat es Max Eberl, der Sportdirektor der Bayern. Kimmich selber erklärte, dass er grundsätzlich guter Dinge sei, aber auch, dass «der Ball nicht bei mir liegt».

Geboten wurde ein skurriles Theater. TV-Stationen berichteten von der Säbener Strasse, als gehe es um Koalitionsverhandlungen im fernen Berlin. Die Bayern erklärten, man sei sich grundsätzlich einig, die Verkündung würde «zeitnah» erfolgen, was wiederum Nachfragen provozierte, ob dies noch vor dem Rückspiel in Leverkusen geschehen werde. Am Wochenende sagte Eberl nach dem 2:3 der Bayern gegen den VfL Bochum in der ARD: «Der Ball ist jetzt in der Luft. Und jetzt müssen wir ihn beide aufnehmen.»

Nun kann man mit Fug und Recht fragen, warum ein solches Theater gerade um die Vertragsverlängerung von Kimmich gemacht wird. Er ist keineswegs ein so schillernder Spieler wie Harry Kane oder Jamal Musiala, auch verfügt er international nicht über das Renommee, das der Torhüter Manuel Neuer hat. Vielmehr ist Kimmich ein Mann für die Connaisseurs: Sein gediegenes Passspiel ist herausragend, seine Fähigkeit, den Rhythmus zu diktieren, erinnert in guten Momenten an seinen ehemaligen Nationalmannschaftskollegen Toni Kroos. Zudem zählt Kimmich zweifellos zu denjenigen, die keine Probleme haben, sich auf grosse Aufgaben einzustimmen.

2015 kam Kimmich von RB Leipzig zu den Bayern. Er war der erklärte Wunschspieler des damaligen Sportdirektors Matthias Sammer. Bald lernte auch der Coach Pep Guardiola Kimmichs Qualitäten schätzen, vor allem dessen Vielseitigkeit. Ob auf der Position des Rechtsverteidigers, im defensiven Mittelfeld oder sogar, wenn Not am Mann war, als Innenverteidiger: Kimmich erledigte die ihm zugewiesenen Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit. In dieser Zeit erwuchs auch der Anspruch, das zu sein, was in Deutschland mit dem sperrigen Begriff des Führungsspielers bezeichnet wird.

Probleme während der Covid-Pandemie

Es gibt allerdings auch eine andere Episode, die für das Verhältnis von Klub und Spielern bedeutsam ist: die Art und Weise, wie die Bayern mit ihrem Profi während der Covid-19-Pandemie verfuhren. Im November 2021 wurde öffentlich, dass Kimmich zu denjenigen zählte, die nicht geimpft sind. Was einsetzte, war ein öffentliches Kesseltreiben. Pardon wurde nicht gegeben. Kimmich stellte sich dem «Aktuellen Sportstudio» für ein Interview zur Verfügung, das kein Gespräch über seine Situation war, sondern ein Verhör.

Darin erklärte Kimmich, dass er Bedenken habe in Bezug auf mögliche Spätfolgen der Impfung, doch seine Argumente drangen nicht durch. In einer Dokumentation des ZDF erklärte Kimmich im vergangenen Jahr, wie es ihm in dieser Situation ergangen war: «Am Ende sind wir dahin gekommen, dass es heisst: Es ist die Pandemie der Ungeimpften. Und derjenige, der für die Ungeimpften steht, ist Joshua Kimmich. Also ist auch er für die Pandemie verantwortlich.»

Auch im Umgang mit Freunden zeigten sich Folgen: «Also ein Kumpel sagt mir, dass weniger Menschen gestorben wären, wenn ich mich hätte impfen lassen. Das ist brutal.» Über sein Verhältnis zu den Bayern sagt er: «Ich weiss nie, was an die Öffentlichkeit kommt, wenn ich mit dem einen oder anderen spreche. Es ist auch nicht so, dass das Vertrauen über ein, zwei Gespräche wieder aufgebaut werden kann.»

Die Bayern, damals geführt vom Vorstandschef Oliver Kahn und dem Sportdirektor Hasan Salihamidzic, waren der Situation nicht im Ansatz gewachsen. Einzig der Trainer Julian Nagelsmann stellte sich öffentlich vor seinen Spieler.

Wer Kimmichs Worte in dieser Dokumentation hörte, der hatte den Eindruck, dass es zu einem Riss gekommen war, der nur schwer zu kitten ist. Allenfalls ein funktionales Verhältnis schien auch weiterhin möglich.

Inzwischen aber klingt Kimmich versöhnlicher. Zuletzt verwies er darauf, dass die beiden während der Pandemie verantwortlichen Figuren nicht mehr für den FC Bayern tätig sind. Solche Konzilianz verschafft Spielraum, nicht nur auf dem Feld, sondern auch in den Vertragsgesprächen.

Kimmich wird nicht darben müssen

Max Eberl, der Nachfolger von Hasan Salihamidzic, ist unbelastet, er stiess erst später zum Klub. Allenfalls der finanzielle Rahmen könnte eine Grenze setzen, denn Eberl, so wird es aus München immer wieder kolportiert, werde intern dafür kritisiert, dass er in Vertragsverhandlungen äusserst spendabel sei.

Dass er diese ihm nachgesagte Eigenschaft in den Vertragsverhandlungen mit Kimmich beiseite liess, ist unwahrscheinlich. Der Sender Sky, in solchen Fragen für gewöhnlich gut informiert, will erfahren haben, dass Kimmich inklusive aller Prämien rund 20 Millionen Euro jährlich verdienen soll. Wohl mehr, als er an jedem anderen Ort ausserhalb Saudiarabiens in der Fussballwelt hätte verdienen können. Und gewiss auch eine Art Schmerzensgeld für jene Phase, in der Kimmich die Bayern nicht von ihrer freundlichen Seite kennengelernt hat.

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