Donnerstag, Oktober 10

Snus und Nikotinpouches gelten als weniger schädlich als Zigaretten, doch sie sind für Jugendliche oft der Einstieg in den Nikotinkonsum. Auch für die Mundgesundheit tut man sich mit den Tabakbeuteln keinen Gefallen.

Snus ist in der Schweiz auf dem Vormarsch. Immer mehr Leute, unter ihnen auch viele Jugendliche, schieben sich die nikotinhaltigen Beutel unter die Oberlippen. Das merken auch die hiesigen Zahnärzte, die in ihren Praxen vermehrt die Folgen des Konsums zu sehen bekommen.

Snus besteht aus getrocknetem und gemahlenem Tabak, wird mit verschiedenen Salzen gewürzt und mit unterschiedlichen Aromen angereichert. Daneben existieren auch sogenannte Nikotinpouches. Diese sind anders als herkömmlicher Snus tabakfrei, enthalten aber dennoch Nikotin. Snus erfreut sich traditionell vor allem in Schweden grosser Beliebtheit. Der Beuteltabak gilt dort als Kulturgut und wird seit mehr als hundert Jahren konsumiert. Die EU, in der Snus verboten ist, machte beim Beitritt Schwedens dafür extra eine Ausnahme.

In der Schweiz wurden laut Zahlen des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) im vergangenen Jahr Kautabak, Snus und Nikotinpouches im Wert von 206 Millionen Franken verkauft. Das ist fast dreimal so viel wie noch 2019, wobei das BAZG Snus und Nikotinpouches nicht gesondert von Kautabak erfasst.

Der Verkauf von Kautabak, Snus und Nikotinpouches hat sich seit 2019 verdreifacht

Gesamtwert Detailverkaufspreise in Millionen Franken

Ein Grund für diese Entwicklung ist ein Bundesgerichtsentscheid von 2019. Das Gericht urteilte, dass für ein nationales Verbot von Snus die gesetzliche Grundlage fehlt.

Snus greift das Zahnfleisch an

Die Zunahme von Snus beobachten auch Zahnmediziner wie Christoph Ramseier. Er ist Professor an der Klinik für Parodontologie der Universität Bern. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Tabakprävention und -entwöhnung in der zahnmedizinischen Praxis.

Snus-Konsum führt im Mundbereich laut Ramseier häufig zu sogenannten Zahnfleischrezessionen. «An dem Ort, wo der Beutel unter die Oberlippe gelegt wird, kommt es zu einer Reizung des Zahnfleisches», sagt er im Gespräch mit der NZZ. Das Zahnfleisch geht zurück, und die Zahnwurzel wird freigelegt. Und die Zahnfleischrezessionen blieben auch, wenn man mit Snus wieder aufhöre.

Wie lange es dauert, bis es zum Zahnfleischrückgang kommt, ist individuell und hängt davon ab, wie dick das Zahnfleisch ist. «Je dünner es ist, desto weniger kann man ‹snusen›, bevor die Zahnwurzel freiliegt», sagt Ramseier. Dieses Freiliegen habe zur Folge, dass man an jenen Stellen empfindlicher auf Kälte reagiere. Und langfristig erhöhe sich die Gefahr, dass es an der entblössten Zahnwurzel zu Löchern komme.

Besonders betroffen sind laut Ramseier junge Leute mit einer Zahnspange. Bei ihnen ist das Zahnfleisch durch die Korrektur oft ausgedünnt. «Wenn man dazu noch ‹snust›, kann das zu Problemen führen», sagt der Zahnarzt.

Weiter werde beim Snus-Konsum auch die übrige Mundschleimhaut angegriffen. «Im Tabak im Snus-Beutel hat es Giftstoffe und krebserregende Stoffe. Sie sind zwar im Vergleich zu Kautabak reduziert, die Summe dieser Stoffe führt jedoch zu Leukoplakie», sagt Ramseier. Die angegriffene Schleimhaut bilde neue Zellschichten und werde immer dicker. Das Resultat sind weisse, faltige Stellen auf der Schleimhaut.

Die Leukoplakie gilt als eine Vorstufe von Krebs. Auf die Frage, wie häufig Krebs bei Snus-Konsumenten ist, konnten Studien laut Ramseier bisher jedoch keine signifikanten Ergebnisse liefern. Generell erhöhe sich das Krebsrisiko, wenn man gleichzeitig rauche und zudem noch Alkohol konsumiere. «Die gute Nachricht ist: Wenn man aufhört zu ‹snusen›, bildet sich die Leukoplakie zurück», sagt Ramseier.

Jugendliche konsumieren mehr Snus

Zugenommen hat der Snus-Konsum auch bei Jugendlichen. Laut einer vor einem Jahr publizierten Studie hat sich die Zahl der 15-jährigen Jungen, die einmal im Monat Snus konsumieren, zwischen 2018 und 2022 auf 13 Prozent verdoppelt. Bei den gleichaltrigen Mädchen nahm der Anteil von 1 auf 6 Prozent zu.

Markus Meury ist Mediensprecher von Sucht Schweiz. Die Stiftung hat die Studie mit finanzieller Unterstützung des Bundesamts für Gesundheit (BAG) durchgeführt. Meury sagt, dass in der Studie nicht nach dem 2022 noch neuen Phänomen Nikotinpouches gefragt worden sei.

«Die aktuellen kantonalen Gesetzgebungen sind extrem unterschiedlich und unübersichtlich», hält Meury fest. «Gewisse Kantone regulieren alle Tabak- und Nikotinprodukte gleich, andere nur Tabakprodukte und E-Zigaretten und andere wiederum gar nichts.» Es sei daher wahrscheinlich, dass in einigen wenigen Kantonen Jugendliche Nikotinpouches im Gegensatz zu Snus legal kaufen könnten.

«Grundsätzlich sind Snus und Nikotinpouches weniger gefährlich als Zigaretten», sagt Meury. Bei regelmässigem Konsum werde man jedoch ähnlich stark von Nikotin abhängig wie bei Zigaretten. Das Hauptproblem sei, dass mit Produkten wie Snus oder E-Zigaretten junge Menschen in den Nikotinkonsum und damit in die Sucht hineingezogen würden.

«Der Snus-Konsum ist stark angestiegen, ohne dass dabei weniger Jugendliche Zigaretten rauchen würden», sagt Meury. Es bestehe auch das Risiko, dass die Jugendlichen später auf schädlichere Produkte umsteigen würden. Umgekehrt würden Snus und Nikotinpouches in der Schweiz kaum für den Ausstieg aus dem Zigarettenkonsum genutzt. Oft werde beides konsumiert.

Warten auf neues Tabakproduktegesetz

Die Stiftung Sucht Schweiz hofft nun auf das neue Tabakproduktegesetz und die Umsetzung der Initiative für ein Verbot von Tabakwerbung. Das Gesetz würde das Abgabealter von 18 Jahren für alle Nikotinprodukte schweizweit vereinheitlichen und Werbung, die Kinder und Jugendliche erreicht, verbieten. Die Vorlage scheiterte jedoch im Februar im Parlament und muss neu verhandelt werden. Ob das Gesetz wie geplant Mitte 2024 in Kraft treten kann, ist unklar.

Doch auch wenn das Gesetz bald kommt, muss es laut Meury von Sucht Schweiz auch durchgesetzt werden. «Solange die Nikotinwerbung so stark auf junge Menschen zielt und diese auch erreicht, werden Jugendliche diese Produkte kaufen wollen und dazu auch einen Weg finden», sagt er. Gerade deshalb sei eine strikte Umsetzung der Initiative so zentral. Das Ziel sei, den Konsum so stark wie möglich hinauszuschieben. Denn je früher jemand mit dem Nikotinkonsum anfange, desto stärker sei später die Abhängigkeit.

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