Mittwoch, Oktober 9


Tipps

Nicht nur über seine Herkunft definiert sich das Original. Auch Grösse, Dicke und Zubereitung sind massgebend bei der Bistecca alla Fiorentina, der Mutter aller Steaks.

Die Charaktere von Persönlichkeiten werden nicht selten damit in Verbindung gebracht, was vorzugsweise vor ihnen auf den Tellern liegt. War es bei Helmut Kohl und seinem geschätzten Saumagen ein Hinweis auf den derben Machtmenschen? Oder bei François Mitterrand die Absenz von Moral und Anstand, dass er nicht nur tonnenweise Foie gras auftischen liess (und selber ass), sondern regelmässig Ortolans à la provençale verspeiste?

Die spatzengrossen Singvögel aus der Familie der Ammern sind in permanenter Dunkelheit eingesperrt, oder es werden ihnen gleich die Augen ausgestochen, um ihren Tag/Nacht-Rhythmus dermassen zu verwirren, dass sie pausenlos fressen und auf ein Mehrfaches ihres Gewichtes anschwellen. Solchermassen gemästet, werden die Vögelchen in Cognac ersäuft, im eigenen Fett gegart und als Ganzes serviert.

Als wäre es an Schrecklichem nicht genug, verlangt es die Tischsitte, sich beim Verspeisen des Tieres eine Serviette über den Kopf zu ziehen. Das soll den Bratenduft nicht entweichen lassen und Tischnachbarn Anblick und Geräusche splitternder Knöchelchen ersparen. Verbürgt ist: Noch Tage vor seinem Ableben liess sich Mitterrand diesen zweifelhaften Genuss schmecken.

Die ersten Hooligans der Geschichte

Nicht nur militante Tierschützer glaubten an die Strafe Gottes und enthielten sich jeglichen Bedauerns. Ich auch. Bei den englischen Rittern anno 1565, geladene Gäste der Hochzeit von Isabella de’ Medici mit Paolo Orsini in Florenz, war es wohl eher im Übermass hinuntergestürzter Wein, der sie laut nach Beefsteaks grölen liess. Die ersten Hooligans der Geschichte.

Sie konnten es kaum erwarten, endlich von dem grillierten Rindfleisch zu essen, das die Stadtväter anlässlich der Festlichkeiten dem gemeinen Volk in Massen vorsetzten. Aus Beefsteak machten die Florentiner das Wort Bistecca, eines der ganz wenigen Begriffe nichtlateinischen Ursprungs in ihrer Sprache. Die Bistecca alla Fiorentina war geboren.

Auf den ersten Blick ähnelt dieser legendäre feuchte Traum jedes Hardcore-Karnivoren einem üblichen T-Bone- oder auch Porterhouse-Steak, die Schnittart – aus dem ganzen Roastbeef geschnitten, der Knochen teilt mit T-Form Entrecôte und Filetstück – ist dieselbe. Doch in seiner Heimatstadt gelten dafür strengere Regeln. Das Teil sollte vom Fleisch von Chianina-Tieren stammen, der ältesten und auch grössten Rinderrasse der Welt.

Herkunft und Grösse des Stakes sind wichtig

Ursprünglich galten die porzellanweissen Riesen als Arbeitstiere der Etrusker im Val di Chianina. Sanft im Wesen, tragen sie ihre weit ausladenden Hörner seit 2000 Jahren durch die grünen toskanischen Weiden, heute werden sie nur noch ihres exzellenten Fleisches wegen gezüchtet. Für die Bistecca vorzugsweise Jungochsen. Deren Fleisch ist hochgeschätzt, auch wegen des fünfzig Prozent höheren Proteinanteils, und entsprechend kostspielig.

Nicht nur über seine Herkunft definiert sich das Original. Size matters. Alles unter 1,5 Kilogramm wird in Florenz etwas despektierlich als Carpaccio klassifiziert. Eine Bistecca sollte zwischen fünf und sieben Zentimeter dick geschnitten und auf einer Seite noch von einer dicken Fettschicht umhüllt sein. Die enorme Dicke ermöglicht auch das anfängliche aufrechte Garen auf dem Knochen.

Der kurze Teil des T transportiert die Hitze dabei sanft und kontinuierlich ins Innere des Steaks, bevor es auf jeder Seite einige Minuten glühender, aromatisch duftender Holzkohle ausgesetzt wird – vorzugsweise geköhlert aus jahrzehntealtem Rebholz. Nun, viele scheitern schon am Grillieren einer Wurst oder eines Hühnerschenkels. Zu viel Bier und Wein am Grill hilf t der Konzentration auch nicht. Und diese braucht es, soll das teure Stück nicht aussehen wie die flachen Lavasteine an den Hängen des Ätna.

Selbstredend muss das Steak einige Stunden vor der Zubereitung Zimmertemperatur annehmen. Unbedingt erforderlich ist ein digitales Fleischthermometer, damit lässt sich die Hitze im Innern des Fleisches exakt bestimmen.

Für jeden Geschmack die richtige Kerntemperatur

Puristen verlangen eine Kerntemperatur von 45° bis 48 °C, «bleu» oder «medium rare», also sehr blutig. Was bei einem echten Chianina-Stück ein Genuss ist. Denn dieses Fleisch ist derart mürbe, kein Wunder, es wird auch mehrere Wochen trockengereift, bevor es in den Handel kommt. Das edle Teil erst aufschneiden, nachdem es noch fünf Minuten am Rand des Grills relaxt hat.

Wer es weniger blutig bevorzugt, lässt es auf dem Grill, bis 56 °C erreicht sind. Und wem das noch zu wenig gebraten ist, der soll sich eine Aubergine auf den Grill legen. Weniger Geübte am Grill müssen nicht verzweifeln. Eine grosse Schale mit Olivenöl füllen, den Backofen auf 100 °C schalten und das Steak im Öl warm werden lassen. Sobald es innen etwa 45 °C erreicht hat, kurz und heftig beidseitig über glühender Kohle oder in einer Grillpfanne Farbe und Kruste annehmen lassen.

Alles, was es dann noch braucht: Salz, egal, ob während des Grillierens oder auf dem Teller, und dazu einige Tropfen des besten Olivenöls, das aufzutreiben ist. Eine grossartige und nachhaltigere Alternative zu Chianina sind die Grauvieh-Steaks vom Biohof Dusch oberhalb von Fürstenau. Wo Caminada und Co. Produkte beziehen, kann man nicht falschliegen. Und ich kann dort angeben, wie dick sie die Bistecche schneiden sollen. Ein unschätzbarer Vorteil. Meine bevorzugte Beilage: eine Magnum Sassicaia 2010. Buon appetito!

Wo man gute Bistecca essen kann

Florenz

Ristorante Del Fagioli, Corso dei Tintori, 47-red, 50122 Firenze FI, Italien

Regina Bistecca, Via Ricasoli, 14r, 50122 Firenze FI, Italien

toskana

Ristorante da Padellina, Corso del Popolo, 54, 50027 Strada In Chianti FI, Italien

Dario Cecchini, Via XX Luglio, 11, Panzano in Chianti FI, Italien

Osteria di Passignano, Via Passignano, 33, 50028 Badia A Passignano FI, Italien

Zürich

NapaGrill, Brandschenkestrasse 130, 8002 Zürich

Smith And De Luma, Grubenstrasse 27, 8045 Zürich

Exit mobile version