Reich in Rente zu gehen, ist keine Hexerei. Wer die Weichen richtig stellt, braucht vor allem eines: Geduld.
Aktien sind des Teufels, und die Börse ist ein Kasino. Diese Einstellung ist verbreitet. Doch plötzlich, wenn sich die Leute mit ihrer eigenen Vorsorge beschäftigen, merken sie, dass sie aus ihren Ersparnissen zu wenig Ertrag herausholen. Ist es vielleicht doch nicht so klug, sämtliches Geld auf dem Bankkonto zu bunkern?
Der Zürcher Vermögensverwalter Marcel Chevrolet, der vierzig Jahre Erfahrung mitbringt, hört solche Fragen regelmässig. «Meine allerwichtigste Aufgabe ist es, die Emotionen meiner Kunden zu bremsen. Die einen sind übertrieben ängstlich, die andern gehen zu hohe Risiken ein: In beiden Fällen muss ich sie vor unbedachten Fehlern schützen.»
Reich in Rente zu gehen, sei keine Hexerei, betont Chevrolet. «Was es vor allem braucht, sind eine langfristige Planung, Disziplin – und Geduld.» Je früher man die richtigen Weichen stellt, desto besser.
1. Der magische Hebel der Geldvermehrung
Eine Million Franken ansparen: Für die meisten wirkt ein solches Ziel unerreichbar. Doch der Eindruck trügt. Nehmen wir an, jemand legt ab dem 20. Altersjahr Monat für Monat 500 Franken in Schweizer Aktien an. Bis 65 kann er es auf die angepeilte Million schaffen.
Effektiv investiert hat er dabei weniger als 300 000 Franken. Den ganzen Rest verdient für ihn die Börse. Doch dieser magische Zinseszinseffekt kommt erst auf lange Frist zum Tragen. So dauert es bis zum 54. Lebensjahr, bis der Anleger die Grenze von einer halben Million knackt. Dann jedoch geht es auf einmal schnell: Für die zweiten 500 000 benötigt er nur noch elf Jahre.
Der Weg zum Millionär ist sogar noch günstiger möglich: Angenommen, der Anleger hat grosszügige Eltern, die für ihn bereits nach der Geburt einen Aktiensparplan errichten. In diesem Fall genügen sogar monatliche Einzahlungen von 250 Franken, um bis zur Pensionierung auf die Million zu kommen. Dank dem Zinseszinseffekt muss der Sparer lediglich Einzahlungen von 200 000 Franken tätigen, während der Börsengewinn 800 000 Franken beisteuert.
Die Berechnung basiert auf einer jährlichen Rendite von 5 Prozent – bisher ein realistischer Wert. Über die letzten hundert Jahre haben Schweizer Aktien mit 7,7 Prozent rentiert. Selbst nach Abzug der Inflation resultierte eine ansehnliche Rendite von 5,6 Prozent.
So verlockend einfach dies klingen mag: Marcel Chevrolet hebt trotzdem den Warnfinger. «Ich rate davon ab, das Geld auf eigene Faust anzulegen. Nur wenige verfügen über die nötige Disziplin. Man läuft daher Gefahr, die Performance zu verringern.» So beobachte er häufig, dass Anleger in einer Boomphase mehr Risiken eingingen – und dann prompt ins Messer liefen. Oder umgekehrt nach einem Crash das Handtuch würfen. Doch das Bauchgefühl sei ein denkbar schlechter Indikator.
Wer sich das Kapital der Pensionskasse auszahlen lässt, muss plötzlich die Verantwortung für eine grosse Summe Geld übernehmen. «Meine Devise lautet: investieren, nicht spekulieren», sagt Chevrolet. «Selbst nach 65 hat man einen genügend langen Anlagehorizont, um Aktien zu kaufen.»
Karl Flubacher vom VZ Vermögenszentrum empfiehlt, das Kapital in einen Verbrauchs- und einen Wachstumsteil aufzuspalten. «In den ersten Topf kommen jene Ersparnisse, die für die nächsten zehn Jahre vorgesehen sind. Dieses wird sehr sicher angelegt. Für den Wachstumsteil dagegen sind Aktien durchaus sinnvoll.»
2. Sparen Sie bei den Steuern
Die Steuern zu optimieren, ist ein wichtiger Teil jeder Vorsorgeplanung. Wer in die Säule 3a einzahlt, kann die Einkommenssteuer oft um 2000 Franken pro Jahr oder mehr senken. Viele Sparer machen jedoch den Fehler, das Kapital auf einem schlecht verzinsten Konto zu belassen. Bleibt das Geld über mehrere Jahre investiert, sollte man ebenso Aktienfonds berücksichtigten.
Ab dem 50. Altersjahr lohnt es sich zudem, Einkäufe in die Pensionskasse zu prüfen. Wer über mehrere Jahre verteilt 100 000 Franken einzahlt, kann seine Steuerlast gewöhnlich um 20 000 bis 30 000 Franken senken. Lässt man sich das Kapital bei der Pensionierung auszahlen, greift der Fiskus zwar ebenfalls zu. Doch handelt es sich dabei um einen reduzierten Steuersatz. Zu beachten ist weiter, dass diese Steuerlast je nach Kanton stark variiert.
Um die Steuerprogression zu brechen, sollte man das Guthaben aus der zweiten und dritten Säule gestaffelt beziehen. Zu diesem Zweck kann man mehrere Konten in der Säule 3a führen. Auch hier erreicht das Sparpotenzial oft 20 000 Franken.
3. Die Gretchenfrage: Kapital oder Rente?
Nur noch vier von zehn Personen beziehen ihr PK-Guthaben ausschliesslich als Rente. Der Entscheid hänge primär vom finanziellen Spielraum ab, sagt Marcel Chevrolet: «Wer im Alter knapp budgetieren muss, für den ergibt die Rentenlösung Sinn. Alle anderen dagegen sollten sich zumindest einen Teil des Kapitals auszahlen lassen.»
Vorteile gibt es mehrere: Über das ausbezahlte Vermögen kann der Pensionär frei verfügen. Zum Beispiel kann er die Hypothek reduzieren oder den Kindern einen Erbvorbezug gewähren. Bleibt das Guthaben dagegen im Besitz der PK, so ist es nach dem eigenen Tod verloren – abgesehen von einer Rente für die hinterbliebene Person. Auch steuerlich kommt der Kapitalbezug meistens günstiger.
Ein weiterer Faktor ist die Inflation: Die PK-Rente wird in der Regel nicht an die Teuerung angepasst. Wer das Geld selbst anlegt, kann die schrumpfende Kaufkraft daher besser kompensieren. Laut Flubacher sollte man bei dem Entscheid auch auf den Umwandlungssatz der PK achten. Dieser legt fest, wie hoch die Rente pro angespartem Franken ausfällt: «Viele Kassen haben den Satz in den letzten Jahren spürbar gesenkt, wodurch sich die Rente weniger lohnt.»
Auch wenn sich ein Grossteil der Bevölkerung kaum mit Aktien auskennt: Spätestens bei der Pensionierung könne man dem Thema nicht länger ausweichen, sagt der Vermögensverwalter Chevrolet. «Deshalb sollte man bereits in jungen Jahren Erfahrungen an der Börse sammeln. Das hilft enorm, um die nötige Sicherheit zu erlangen, wenn es dereinst um substanzielle Beträge geht.» Im Idealfall hat man während dieser Lehrjahre schöne Gewinne eingefahren, die das Polster im Ruhestand aufbessern.
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