Montag, Dezember 23

Was gutes Essen mit Gelassenheit zu tun hat, was die Geheimwaffen einer jeden Küche sind und wie man Gäste (fast) immer glücklich machen kann.

Ich koche, weil ich gerne koche. Und vor allem, weil ich noch lieber gut esse. Ich wusste schon als Teenager, dass ich mein Essen immer selber zubereiten würde. Unabhängig von launischen Menschen und überambitionierten Köchen oder, noch schlimmer, von welchen, die nur kochen, weil die triste Notwendigkeit des Geldverdienens sie dazu zwingt. Kochen ist etwas sehr Intimes – der Mensch in seiner Passion wird erkennbar.

Ohne Zweifel gehen wir besser und phantasievoller an Tätigkeiten heran, wenn der Motor dafür die Leidenschaft ist, als wenn wir dazu gezwungen werden. Das reicht aber meistens noch nicht für ein beeindruckendes Ergebnis. Um beim Kochen zu bleiben: Es braucht weder spektakuläre Zutaten noch ebensolche Techniken, sondern eine überlegte Planung und den Mut, Neues auszuprobieren, ohne seine kulinarischen Wurzeln zu verleugnen.

Oberstes Gebot: die richtige Vorbereitung

Ich koche nicht nur gerne für mich selber oder für die Liebste, sondern noch lieber für Gäste, nicht nur Freunde oder Familie, sondern auch für fremde Menschen. Mit ihnen verbindet mich zu Anfang nicht mehr, als dass wir alle einen wunderbaren Abend verbringen wollen. Das Wort impliziert die zentrale Bedeutung: Als Gastgeber biete ich Gastfreundschaft, und das bedeutet, ich schaffe freien Raum, um Freunde und Familie, aber auch Unbekannte (die dadurch vielleicht zu Freunden werden) zu bewirten und zu unterhalten. Ihnen die Möglichkeit zu geben, eine unbeschwerte Zeit in diesem Raum zu verbringen.

Die oberste Maxime darum heisst: entspannt bleiben. Die teuerste Pfanne und das rarste Fleisch können nicht diesen Eindruck hinterlassen wie Ruhe und Gelassenheit, welche Köchinnen und Köche zu Hause ausstrahlen, wenn sie trotz einem Sieben-Gänger auf dem Herd in aller Ruhe Vasen für die erhaltenen Blumen aussuchen oder sich kundig um die Getränke für die Ankommenden kümmern. Und entspannt ist nur, wer richtig gut vorbereitet ist.

Die Vorbereitungen für eine Einladung starte ich einige Tage davor, mit der Festlegung des Hauptgangs und der Beschaffung von besonderen Zutaten. Spielen Trüffel eine Rolle? Dann zwei bis drei Tage vorher in Italien bestellen, sie werden per Kurier geschickt und sind dann maximal zwei Tage alt.

Zum Hauptgang ein Kalbsrack am Knochen oder einen Brasato? Solche Stücke immer vorbestellen. Das komplette Menu überlege ich mir am Tag vor dem Dinner, und falls es eine Zutat nötig macht, schon am Vorabend etwas mit ihr anzustellen (zum Beispiel einen Oktopus weichkochen oder eine Crème für das Dessert zubereiten), dann besorge ich vielleicht auch schon einen Teil des gesamten Einkaufs. Vorzugsweise kaufe ich aber am Morgen des Essens ein, meistens auf dem Wochenmarkt, um von maximaler Frische der Zutaten zu profitieren.

Aufgegeben habe ich die Fragen nach allfälligen Allergien bei meinen Gästen. Isst ein Gast vegetarisch oder vegan, kommt von selbst ein Hinweis. Seit ich einmal von einem Gast ein Excel-File erhalten habe, in dem er minuziös etwa vierzig Zutaten auflistete, die er sich aus den verschiedensten Gründen nicht zumuten wollte, frage ich nicht mehr nach Unverträglichkeiten.

Nie Unbekanntes kochen

Frühzeitig gilt es auch zu überlegen, wie viel Geschirr und Teller wir benötigen. Am einfachsten geht man jedes Gericht in Gedanken durch. Wie richte ich es an? Benötige ich zu jedem Gang frisches Besteck, genügen zwei Gläser pro Gast? Habe ich genügend Tischwäsche? Welche Blumen besorge ich als Tischdekoration?

Natürlich ist es auch keine gute Idee, an einem solchen Event etwas zuzubereiten, was man nie vorher gekocht hat. Nicht nur aus geschmacklicher Unwissenheit. Sondern auch des unbekannten Zeitaufwandes der Zubereitung wegen. Wer bisher nur Hamburger gebraten hat, sollte sich nicht an Paul Bocuses «Königlichen Hasen nach Art des Senators Couteaux» versuchen und dazu Gäste einladen. Es wird garantiert schiefgehen.

Kocht man mehrere Gänge, ist Diversität gefragt, vor allem bei den Vorspeisen. Gemüse, Seafood, Kohlehydrate, Trockenfleisch, Geflügel, alles kann Platz haben. Heiss und Zimmerwarm darf sich abwechseln, ganz wichtig sind auch unterschiedliche Texturen und Farben. Besteht ein Gericht ausschliesslich aus sehr weichen Komponenten, braucht es einen crunchigen Part. Zerkleinerte Nüsse und Samen, getoastete Körner und dergleichen. Auch Geschmacksintensitäten dürfen sich in einem grösseren Menu abwechseln, auf sanfte Aromen darf etwas richtig Scharfes folgen, oder umgekehrt.

Unbedingt Zeit investieren in Confits, Öle, Essenzen und Marinaden

Womit Köchinnen und Köche jedoch am meisten punkten können, sind Grundzubereitungen, wie Marinaden, Pasten, Saucen, Essenzen und Confits, Öle und Fermentiertes. In meinem Buch «Kägi kocht» habe ich diese Rezepturen ganz am Anfang als wichtigstes Kapitel aufgeführt und damit ihre Bedeutung unterstrichen.

Sinnigerweise hat Nenad Mlinarevic in seinem soeben veröffentlichten «Nenad at home» sich genau dieselbe Überlegung gemacht und nennt sie auch gleich wie ich, Basics. Und wenn einer der besten Köche der Schweiz das macht, fühle ich mich natürlich mehr als bestätigt. Ich nenne sie Geheimwaffen der Küche, bei Nenad heissen sie Kraftpakete des Geschmacks. Ob es nun ein Zwiebelöl, ein Confit aus Meyer-Zitronen oder der gehypte Chili-Crunch ist, mit solchen Aroma-Boostern hebt man sein Geköche auf ein nächstes Level. Und das Gute daran: Fast alle diese Zubereitungen sind (gekühlt) Wochen bis Monate haltbar.

Kochen heisst weit mehr, als Gargrade und Backzeiten zu beherrschen. Den Eigengeschmack eines Produkts verstärken? Harmonie (oder Gegensätze) zwischen Zutaten erzeugen? Oft braucht es banal wenig dazu. Einen Spritzer frisch gepressten Zitronensaft oder abgeriebene Haut einer Zitrusfrucht, der unerwartete Biss in eine Salzkaper oder die olfaktorische Strenge einer fermentierten Sardelle. Schon verändert sich der gesamte Aromabogen eines Gerichtes.

Wer nicht ausprobiert, versagt sich vieles. Kochen heisst auch, offen für Neues und Unerwartetes zu sein. Von den Besten abschauen und lernen ist mehr als erlaubt. Es hingegen als auf dem eigenen Mist gewachsen darzustellen, ist kümmerlich.

Richi Kägi ist Autor und Foodscout, schreibt Kochbücher und Kolumnen. Sein Kühlschrank ist voll mit Aroma-Bomben. Seine Rezepte veröffentlicht er auf homemade.ch und richardkaegi.ch. Insta @richifoodscout

Exit mobile version