Sonntag, Oktober 6

Die Erzählung rund um Carmy und sein mehr oder weniger dysfunktionales Restaurantteam geht weiter. In der dritten Staffel von «The Bear: King of The Kitchen» arbeitet der Spitzenkoch entschlossen daran, einen Michelin-Stern zu erlangen. Das passende Interior dazu gibt es auch, und es erinnert an eines der bekanntesten Restaurants in der echten Welt.

Mit seiner Serie «The Bear» gelang Christopher Storer im Sommer 2022 ein unerwarteter Streaming-Hit. Die darin schonungslos roh dargestellte Restaurantbranche, die tiefgründigen Charaktere und Jeremy Allen White, der die Hauptfigur mit grossem Können spielt, zogen die Zuschauerinnen und Zuschauer in den Bann. Nun ist die dritte Staffel rund um die Belegschaft eines Restaurants in Chicago angelaufen.

Der Inhalt lässt sich in der Kurzfassung so erzählen: Carmen «Carmy» Berzatto zieht zurück in seine Heimat, um den Sandwich-Imbiss «The Original Beef» seines toten Bruders zu retten. Gerade so geschafft, verkündet der getriebene Koch Ende der ersten Staffel, dass er die fetttriefenden Rindfleischsandwiches gegen Cannoli mit Fischeiern und Linoleum-Stehtische gegen elegante Holztische austauschen wolle. Der Sandwichladen soll neu «The Bear» heissen und Chicagos neuester Gourmet-Hotspot werden. In der dritten Staffel beginnt die Jagd nach Sternen. Dabei soll auch das Interior helfen, das – wie es scheint – von einigen der besten Restaurants inspiriert wurde.

Aus dem Sandwichschuppen wird ein Ort der Ruhe

Gleich eine der ersten Kameraeinstellungen nach dem Vorspann gibt Einblick in das neu eröffnete Restaurant: Der schlichte Raum mit den freiliegenden Dachsparren und Wänden aus weissem, rauem Backstein und Holz liegt im Dunkeln. Die einzige Lichtquelle kommt durch das lange, schmale Sichtfenster in die Küche. Es erhellt schlichte, schnörkellose Tische mit dazu passenden Stühlen im Japandi-Stil, der die Wohlfühlatmosphäre der Skandinavier mit der strengen Ästhetik der Japaner vereint. Sie sind aus Ahorn – einem natürlichen, unaufgeregten Material, woraus auch die Hocker und die mittig platzierte Bar gefertigt sind.

Auf auffällige Dekorationen wie Kunst für die Wände verzichtet Carmy. In diesem Ambiente soll das Essen des Kochs mit den blauen Augen und den dauerschweren Lidern im Mittelpunkt stehen. Nur die gigantischen Blumensträusse, die auf der Bar, auf Regalen und einem Tisch in der Mitte des Raumes thronen, fallen aus dem minimalistisch gehaltenen Rahmen. Nun wissen wir wenigstens, wo der Schauspieler Jeremy Allen White all seine frischen Marktblumen untergebracht hat.

Das Restaurant strahlt eine intime Atmosphäre aus, der Fokus liegt auf hochwertigem und geradlinigem Design, das ein Gefühl von Ruhe und Sicherheit vermittelt. «Weniger ist mehr», steht auf seinem Zettel mit der langen Liste des «Nichtverhandelbaren». So würden «die Restaurants des grössten Kalibers» operieren, weiss Carmy. Bezogen ist dieses Credo offensichtlich auch auf das Interior.

Ähnlichkeit zum «Noma»

Neu ist dieser Stil nicht. Um ein ruhiges, entspanntes Ambiente zu schaffen, haben in den letzten Jahren viele moderne Restaurants auf ein Design mit klaren Linien und reduzierten Formen gesetzt, dazu auf Möbel aus natürlichen und nachhaltigen Materialien wie Holz. Heute, da die Einrichtung ein entscheidender Faktor für ihren Erfolg sein kann, ist dies auch ein Weg ohne grosses Risiko.

Kaum zu übersehen ist die Ähnlichkeit von «The Bear» mit einigen der Räume vom «Noma», dem mit drei Michelin-Sternen ausgezeichneten Restaurant in Kopenhagen. Auch hier dominieren helles Holz, eine klare Design-Sprache und weisser Backstein. Vor allem wohnlich sollte das Restaurant wirken, so lautete der Wunsch des Küchenchefs René Redzepi, als es 2017 erbaut wurde. Die Restauranteinrichtung hatte grossen Einfluss auf das skandinavische Design und wie es fortan in Restaurants eingesetzt wurde.

Es kann also kaum anders sein, als dass sich Carmy aus seiner Zeit im «Noma» für die Einrichtung seines eigenen Gourmetrestaurants inspirieren liess. Redzepi hat, Achtung Spoiler – neben anderen Starköchen wie Daniel Boulud oder Thomas Keller –, passend dazu einen kurzen Cameo-Auftritt, als sich Carmy an all seine vergangenen Jobs in Restaurants erinnert.

Carmy setzt auf Porzellan aus den gehobenen Küchen

Allgemein haben die Produzentinnen und Prozenten der Fernsehshow viel daran gesetzt, das High-End-Restaurant möglichst authentisch wirken zu lassen. Und sie wussten offensichtlich, was sie taten: Beim Geschirr hat sich das Team für Jono Pandolfis «Coupe»-Kollektion entschieden. Diese ist in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Spitzenkoch und «Eleven Madison Park»-Besitzer Daniel Humm entstanden. Auch hier hat der Hauptdarsteller einmal gearbeitet, wie aufmerksame Zuschauer der ersten Staffel wissen. Zu sehen ist Humm jedoch nicht in der Serie.

Die Kundenliste des Keramikers, der sein Essgeschirr von Hand in einem Studio in New Jersey fertigt, liest sich wie der «Guide Michelin»: Die Teller werden in einigen der besten Restaurants der Welt verwendet. Das mag wohl viele Carmy-Fans erfreut haben: Der «Coupe»-Salatteller ist bereits für 44 Dollar erhältlich, der grosse für 59. Was für die Profis und Serienstars funktioniert, ist auch für Hobbyköchinnen und -köche für einmal nicht weit.

Die Teller, die nicht im Streit der Küchencrew oder in der Hektik zerschlagen werden, serviert «The Bear» direkt auf die nackten, von Holzmaserungen marmorierten Tische. Auch wenn sie lange Zeit als zu formell und steif verpönt gewesen seien, sei der Verzicht auf Tischtücher aber eine Entscheidung Carmys, die nicht zeitgemäss sei, meint der Inneneinrichter Leigh Salem gegenüber «Architectural Digest». Denn Tischtücher seien nun in Mode gekommen, da sich die Leute dieser Traditionen der Gastfreundschaft wieder erfreuten.

Die Küche hat noch keine Wohlfühlatmosphäre

Mit der Zeit geht Carmy aber mit der Entscheidung, den Gästen einen Einblick in seine Welt zu gewähren: Über ein langes Sichtfenster können die Gäste direkt in die grell beleuchtete Küche blicken und Carmy und Co. bei der Zubereitung des Essens beobachten. Seit einigen Jahren gehört die Transparenz zwischen dem Koch- und dem Gästebereich zu den Vorzügen gehobener Gastronomie. Das soll nicht nur Vertrauen schaffen, sondern auch ein interaktives Erlebnis bieten.

Diese Transparenz erfordert allerdings ein makelloses Design der Küche, damit diese in das Gesamtkonzept des Restaurants passt. Dies hat «The Bear». Die Küche ist im Vergleich zur abgeschotteten, heruntergekommenen und klaustrophobisch engen Küche von «The Original Beef», wo ständig Chaos herrschte, fast so gross wie das Restaurant, so professionell eingerichtet und steril, dass man Zeit braucht, sich an dieses neue Setting zu gewöhnen.

Und die Arbeit an den Öfen und Tellern? Die wirkt orchestriert. Nur fliegen neben «Yes, chef!» und «Love you, chef!» eben noch immer viele «Fuck you!»-Rufe durch den Raum. Vor allem zwischen dem Restaurantmanager Richie und Carmy herrscht oft dicke Luft. Die Scheibe trennt zwei Welten: den Essraum, der wie eine komplementäre Welt ohne Drama wirkt, und Teufels Küche, die noch immer von einer ziemlich dysfunktionalen Crew aus Hitzköpfen geführt wird. Die Wohlfühlatmosphäre vom Japandi-Stil scheint sich auf die Gäste, aber noch nicht auf das Team ausgewirkt zu haben.

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