Mittwoch, März 19

Ridouan Taghi, der Kopf der «Mocro»-Drogenmafia», ist verantwortlich für sechs Morde. Insgesamt 17 Angeklagte wurden deswegen zu hohen Strafen verurteilt. Ein Ende der Drogenkriminalität ist nicht in Sicht.

Lebenslang – das ist in den Niederlanden wörtlich zu verstehen. Der marokkanisch-niederländische Drogenboss Ridouan Taghi und zwei seiner Komplizen erhielten am Dienstag im sogenannten Marengo-Prozess die Höchststrafe, und das heisst: Sie können nicht damit rechnen, je wieder auf freien Fuss zu kommen.

Das Gericht befand die Bandenmitglieder schuldig, mehrere Morde angeordnet beziehungsweise durchgeführt zu haben. Auch gegen die übrigen 14 Angeklagten wurden Gefängnisstrafen zwischen 21 Monaten und fast 30 Jahren ausgesprochen.

Angst verbreitet

Damit endet nach fast sechs Jahren und 142 Sitzungstagen der grösste Mordprozess in der Nachkriegsgeschichte der Niederlande. Er wurde Marengo-Prozess getauft, was allerdings ein Phantasiename ist, den ein Computer der Behörden zufällig auswählte. Die international agierende Bande von Kokainschmugglern, deren Kopf Taghi war, nannte sich selber «angel of death». Auch als «Mocro-Mafia» wurde die Bande oft bezeichnet, weil die meisten ihrer Mitglieder marokkanischer Abstammung sind.

Verhandelt wurden sechs zwischen 2015 und 2017 begangene Morde, vier Mordversuche und Vorbereitungen für weitere Liquidationen. Drei weitere Morde, unter anderem an dem prominenten Kriminalreporter Peter R. de Vries im Juli 2021, waren zwar nicht Gegenstand des Verfahrens. Das Gericht ging vor der Urteilsverkündung aber dennoch kurz auf sie ein, weil sie ohne die Aussagen des Kronzeugen Nabil Bakkali nie geschehen wären.

«Im Umfeld der Kronzeugen wurden drei Menschen ermordet», sagte der vorsitzende Richter, «ihre Familien müssen ihre Lieben vermissen. Derk Wiersums Familie wird nie wieder im Publikum Platz nehmen und Peter R. de Vries wird nicht auf der Pressetribüne sein. Es verleiht diesem Prozess eine pechschwarze Note.» Wiersum und De Vries hatten als Strafverteidiger beziehungsweise Medienberater für Bakkali garbeitet, bevor sie von Hintermännern der Drogenmafia getötet wurden.

Das Gericht bezeichnete den Hauptangeklagten Taghi am Dienstag als «unangefochtenen Anführer» einer «Mordorganisation», für die ein Menschenleben nichts wert gewesen sei. Taghi habe aus niedrigen Beweggründen getötet, um Angst zu verbreitet. Ein solcher «Terror» habe «zerstörerische Auswirkungen auf die Gesellschaft». Die Höchststrafe rechtfertigte das Gericht auch damit, dass man im Fall seiner Freilassung davon ausgehen müsse, dass Taghi erneut morden werde. Man glaube deswegen, so der vorsitzende Richter, «dass die Gesellschaft maximal vor ihm geschützt werden sollte».

Ins Rollen gekommen war der Marengo-Prozess, nachdem sich Bakkali, einst die rechte Hand Taghis, 2017 der Polizei gestellt hatte. Seine Zeugenaussagen sollten dazu führen, dass sein Boss auf der Liste der meistgesuchten Verbrecher des Landes landete. Zudem halfen unzählige abgefangene und entschlüsselte Handy-Nachrichten, der Organisation auf die Schliche zu kommen. Ende 2019 wurde Taghi von einem Spezialkommando in Dubai überwältigt und an die Niederlande ausgeliefert. Sein Kartell leitete der 46-jährige aber wohl noch aus dem Gefängnis heraus. 2021 begann schliesslich die Hauptverhandlung im Marengo-Prozess in einem Gerichtsgebäude bei Amsterdam.

Für das Verfahren galten zuletzt strengste Sicherheitsvorkehrungen. Drohnen, Helikopter und schwer bewaffnete Polizisten, die zum Schutz ihrer Identität Gesichtsmasken trugen, überwachten das Gelände. Auch Richter und Staatsanwälte baten darum, nicht identifiziert zu werden.

Eingeschüchterte Anwälte

Neben Taghi erhielten auch sein Geschäftspartner Said Razzouki und sein Jugendfreund Mario R. Lebenslänglich. Damit blieben die Richter unter dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die sechsmal die Höchststrafe gefordert hatte. Bakkali hatte man im Rahmen seines Kronzeugen-Deals Strafmilderung versprochen, er erhielt zehn Jahre Haft.

Taghi selbst war während der Urteilsverkündung nicht anwesend. Er hatte zum Schluss auch keinen Anwalt mehr, nachdem seine Verteidigerin Inez Weski selbst ins Visier der Justiz geraten war und andere Anwälte eingeschüchtert waren. Das Gericht bezeichnete den Prozess gleichwohl als fair. Die anderen Angeklagten hatten während des Prozesses eisern geschwiegen.

Mit dem Abschluss des Marengo-Prozesses geht ein Kapitel im Kampf gegen den Drogenhandel zu Ende. In den Niederlanden, ebenso wie im benachbarten Belgien, blüht der Handel mit Kokain allerdings munter weiter, wie Rekordfunde des geschmuggelten Pulvers in den Häfen von Rotterdam und Antwerpen zeigen. Für die organisierte Kriminalität bleibt das Geschäft attraktiv. Den Platz von Taghi dürften längst andere eingenommen haben.

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