Samstag, März 15

Mohammed Saber / EPA

Die ersten Hilfslieferungen sind am neuen Hafen im Gazastreifen eingetroffen. Doch viele Hilfsgüter wurden geplündert, bevor sie die Lagerhäuser erreichen konnten.

Endlich war es so weit: Vor einer Woche erreichten die ersten Hilfslieferungen den neuen Hafen am Gazastreifen. Die Lieferungen brachten dringend benötigte Hilfsgüter in das Konfliktgebiet. Seit Israel seinen Einmarsch in Rafah angekündigt hat, ist der Transport von Hilfsgütern über den Landweg weitgehend zum Erliegen gekommen.

Der Aufwand war enorm. Über zwei Monate hinweg errichteten tausend amerikanische Soldaten das neue Hafensystem. Das gesamte Projekt kostete rund 320 Millionen Dollar. Doch in der vergangenen Woche zeigte sich ein ernüchterndes erstes Resultat: Viele der gelieferten Hilfsgüter wurden nicht an die breite palästinensische Bevölkerung überreicht.

Wie funktioniert das exklusive Hafenprojekt? Und warum konnten die Hilfsorganisationen viele der ersten Hilfsgüter nicht richtig verteilen?

So funktioniert die Hilfslieferung über den Seeweg

Der neue Hafen im Gazastreifen ist Teil eines JLOTS-Projekts (Joint Logistics Over-the-Shore). Diese militärische Technik ermöglicht das Ausladen von Gütern in Gebieten ohne geeignete Hafeneinrichtungen. Ein JLOTS-System kam beispielsweise nach dem Tsunami 2004 in Indonesien zum Einsatz, um Hilfsgüter in abgelegene Küstengebiete zu bringen.

Auch im Gazastreifen gibt es bei der Lieferung von Gütern über den Seeweg ein Problem: Die Gewässer in Küstennähe sind zu flach für die grossen Schiffe, die für umfangreiche Hilfslieferungen benötigt werden. Das neue JLOTS-System soll die Lieferung von Hilfsgütern trotz den flachen Gewässern vor dem Gazastreifen in mehreren Schritten ermöglichen.

Die Vereinten Nationen (Uno) erklärten sich bereit, bei der Koordinierung der Hilfsgüterverteilung zu helfen. Ihre Aufgabe ist es, die Hilfsgüter vom Logistikareal der neuen Hafenanlage zu zahlreichen Lagerhäusern der Uno im gesamten Gazastreifen zu transportieren. Von dort aus sollen die Hilfsgüter zu Gemeinschaftsküchen, Unterkünften und kleineren Lagerhäusern gebracht und an die Bevölkerung verteilt werden. So sah es der Plan vor.

Wie liefen die ersten Hilfslieferungen ab?

Der Start verlief vielversprechend: Nach zweimonatiger Bauzeit rollten am vergangenen Freitag die ersten Lastwagen über den neu eröffneten Hafen in den Gazastreifen. Die Uno bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass zehn Lastwagen mit Hilfsgütern erfolgreich in ein Lagerhaus der Uno transportiert werden konnten.

Die ersten Probleme traten am folgenden Tag auf. Obwohl am Samstag sechzehn weitere Lastwagen voller Hilfsgüter den Gazastreifen über den neuen Hafen erreichten, gelangten nur fünf von ihnen zu den Lagerhäusern der Uno. Menschenmassen stoppten die anderen elf Lastwagen auf dem Weg zu den Lagerhäusern und plünderten die Hilfslieferungen in dramatischen Szenen.

«Diese Lastwagen fuhren durch Gebiete, die bisher keine Hilfe erhalten hatten. Ich glaube, die Menschen befürchteten, dass sie niemals Hilfe sehen würden. Sie nahmen mit, was sie konnten», erklärte Stéphane Dujarric, Sprecher des Generalsekretärs der Vereinten Nationen.

Daraufhin haben am Sonntag und Montag keine Hilfsgüter den Hafen mehr verlassen. «Wir müssen sicherstellen, dass die notwendigen Sicherheits- und Logistikvorkehrungen getroffen sind, bevor wir weitermachen», erklärte ein Uno-Beamter. Für die Lastwagen stehen nur wenige Routen zur Verfügung, da das israelische Militär den Zugang zu den Strassen eingeschränkt hat und israelische Luftangriffe grosse Teile der Infrastruktur zerstört haben.

Zwar haben laut dem amerikanischen Zentralkommando in den ersten Tagen über 569 Tonnen Hilfsgüter den Gazastreifen über den neuen Seeweg erreicht. Die Mehrheit der Güter steckte allerdings entweder am neuen Hafen fest oder wurde geplündert, bevor sie die Lagerhäuser, und somit auch die breite Bevölkerung, erreichen konnten.

Wie geht es mit den Hilfslieferungen weiter?

Bis das volle Potenzial der Hafenanlage ausgeschöpft werden kann, ist es noch ein langer Weg. Zwar kommen weitere Hilfslieferungen über den Seeweg in den Gazastreifen: Diesen Mittwoch passierten erneut 27 Lastwagen mit dringend benötigten Hilfsgütern den neuen Hafen. Ob der Transport an Land und die Verteilung der Hilfsgüter an die Bevölkerung langfristig erfolgreich durchgeführt werden können, bleibt abzuwarten.

Die USA, Israel und die Uno hätten gemeinsam nach Lösungen gesucht, um «alternative Routen» für die sichere Lieferung der Hilfsgüter einzurichten, sagte der Pentagon-Sprecher Generalmajor Pat Ryder am Dienstag. Seither konnte der Transport der Hilfsgüter in die Uno-Lagerhäuser wieder aufgenommen werden. Am Dienstag und Mittwoch sollen insgesamt 44 Lastwagen mit Hilfsgütern die Lagerhäuser «ohne Zwischenfälle» erreicht haben.

Hilfsorganisationen betonen, dass die neue Seeroute keinen Ersatz für die auf dem Landweg transportierten Hilfsgüter darstellt. Die Kapazität des neuen Hafens sei im Vergleich zum Umfang der benötigten Hilfe in Gaza unzureichend – selbst bei voller Funktionsfähigkeit.

Die Lieferung von Hilfsgütern in den Gazastreifen bleibt weiterhin schwierig. Neben den logistischen Hürden stellen nun auch die Wellen an der Küste des Gazastreifens eine Herausforderung dar.

Unbeständige Wetterbedingungen schränken die Nutzung des Hafens erheblich ein. Der neue Hafen liegt wenige Meter über dem Wasser und kann nur bei einer maximalen Wellenhöhe von 0,9 Metern sicher betrieben werden. Daten des israelischen Marine Data Center zeigen, dass die Wellen entlang des Gazastreifens oft an oder nahe dieser Grenze liegen. Bereits ab dem 25. Mai werden wieder höhere Wellen vor der Küste des Gazastreifens erwartet – eine weitere Gefahr für das Scheitern der Hilfslieferungen über den Seeweg.

Mitarbeit: Adina Renner (Konzeption).

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