Die Politik treibt die Börsen weiterhin vor sich her. Anleger sollten jedoch nicht auf einzelne Meldungen reagieren, sondern sich in den relativ starken Segmenten positionieren. Das sind derzeit kleinere europäische Indizes sowie mehrere defensive Sektoren.

Die Entwicklung der Aktienmärkte liefert seit dem 5. November, als Donald Trump erneut zum Präsidenten der USA gewählt wurde, eine Fülle von Anschauungsunterricht für Anfänger.

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Wobei die gehandelten Umsätze den Verdacht aufkommen lassen, dass nicht nur Anfänger noch einiges über den Umgang mit Marktverwerfungen lernen sollten – insbesondere, wenn es um Börsen geht, die stark von Wortmeldungen geprägt werden, deren ökonomische Bedeutung kaum quantifizierbar ist.

Das letzte Mal, als politische Entwicklungen eine ähnlich «dunkle Wolke» über den Börsen bildeten, war der Putsch gegen Michael Gorbatschow vom 20. August 1991, die Machtergreifung durch Boris Jelzin und die Auflösung der Sowjetunion.

Die damalige «politische» Börse dauerte aber nicht so lange wie die jetzige, die verspricht, noch länger zu währen.

Dass die Bedeutung der damaligen Ereignisse eine andere war als die der «erzwungenen Entkopplung», wie Ian Bremmer die Entzweiung der westlichen Welt umschrieben hat, ist insofern irrelevant, als das Ergebnis damals wie heute eine grosse Orientierungslosigkeit war. Mit anderen Worten: Es fehlt praktisch allen die Erfahrung für den Umgang mit der aktuellen Lage.

Eile hat einen Preis

In solchen Situationen ist die Versuchung gross, in Eile auf spektakuläre Nachrichten aus politischen Machtzentren zu reagieren. Nach Professor Andrew Lo sollte man so schnell sein wie die Gedanken. Aber wenn man an «Breaking News» klebt, denkt man nicht viel. Das führt dann dazu, dass Meldungen nach der leichtesten Verfügbarkeit gewichtet werden. Um sie richtig einzuordnen, lässt man sich keine Zeit.

So schloss beispielsweise der S&P 500 am 6. November 2024 2,6% über dem Schlusskurs vom Vortag, weil man den Sieg des republikanischen Kandidaten über die demokratische Kandidatin als Aufbruch in eine für die Börsen positive Zeit wertete, die durch Deregulierung und niedrigere Steuern geprägt sein sollte.

Der S&P 500 stieg bis zum 19. Februar 6,3%. Am Freitag letzter Woche schloss er rund 10% unter dem Höchst vom Februar. Noch grösser waren die Ausschläge in einigen Industrien, von denen anfänglich angenommen wurde, dass sie von der Wahl Trumps profitieren würden. Die seitherige Kursentwicklung spricht eine andere Sprache.

Man sollte nie auf einzelne Meldungen reagieren – dies schon gar nicht, wenn eine Meldung eine Panik auslöst wie die von Präsident Trump angekündigten «reziproken» Zolltarife am 2. April.

Hinter einer Panik steht immer eine Überreaktion

Wer in einer Panik verkauft, geht davon aus, dass alles schief gehen wird, was schief gehen kann. Das trifft selten zu; dies nicht zuletzt, weil in einem freiheitlichen System Gegenkräfte geweckt werden, die in der Panik ihre Chance wittern. So wurden an der New Yorker Börse vom 4. bis zum 9. April Umsätze verzeichnet, die täglich etwas mehr als doppelt so hoch waren wie ein durchschnittlicher Tagesumsatz:

Umsätze kommen nur zustande, wenn es auch Käufer und nicht nur Verkäufer gibt. Es gab also, wie immer an der Börse, auch in der Panik Gegenparteien.

Jede Panik hat auch eine Ursache, wie zum Beispiel die Covid-Pandemie 2020:

Nach einer Panik sollte man nie so tun, als wäre nichts geschehen. Heute wissen wir um die geldpolitischen und fiskalischen Massnahmen, die im Frühjahr 2020 ergriffen wurden. Wir konnten beobachten, ob und wie sie im Markt aufgenommen wurden und wie der Markt sie einschätzte, bevor man wissen konnte, ob sie greifen würden oder nicht.

Derzeit wissen wir nur, dass Präsident Trump die den Basiszoll von 10% übersteigenden Zölle für neunzig Tage ausgesetzt hat, und wir wissen, dass Verhandlungen zahlreicher Regierungen mit den USA mit dem Ziel stattfinden, zu einer erträglichen Übereinkunft zu gelangen. Wahrscheinlich weiss aber nicht einmal Präsident Trump, auf welcher Basis er einen «Deal» abzuschliessen bereit sein wird.

Dass heisst: Die «politischen Börsen» werden uns weiterhin begleiten.

Die Parameter richtig setzten

In solchen Phasen kommt es vor allem darauf an, die richtigen Parameter in Kraft zu haben, auf deren Basis die notwendigen taktischen Massnahmen vorgenommen werden. Letztere dienen dem Ziel, die relativ schwachen Bereiche zu meiden oder – wenn sie in den Portfolios vertreten sind – zu verkaufen und in den relativ starken Segmenten zu bleiben.

Relative Stärke wird man nicht in den breit konzipierten Indizes finden, weil die Marktbreite zu niedrig ist, sondern in kleineren Messlatten wie dem spanischen Ibex 35, dem italienischen FTSE Mib oder dem Dax sowie in zahlreichen Industrieindizes wie zum Beispiel im DJ Stoxx Europe 600 Banks, im Versicherungsindex der gleichen Indexfamilie, in europäischen Telecomwerten, in globalen Versorgeraktien, in Consumer Staples und anderen eher defensiven Bereichen, aber nicht im MSCI Health Care.

Wie lange dauert das Risiko?

In einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung», erschienen am 27. August 2009 (Sie haben richtig gelesen: 2009), sagte der Nobelpreisträger Professor Reinhard Selten, dass «… es nicht nur wichtig ist, ob etwas riskant ist, sondern auch, wie lange es riskant ist…»

Die knapp 55-jährige Geschichte des MSCI Welt zeigt, dass das Engagement in globalen Aktien selten lange riskant ist:

Hingegen ist es riskant, über viele Jahre nicht investiert zu sein.

In diesen knapp 55 Jahren kam es nur zwei Mal vor, dass fast alle Aktien fallende Trends aufwiesen: von März 1973 bis September 1974 und in den letzten Monaten der Baisse, die von Oktober 2007 bis März 2009 gedauert hat. In der Zeit von März 2000 bis März 2003, als die Technologieblase platzte, stiegen rund 25% der Aktien. Davon abgesehen waren Rückschläge von mehr als einem Quartal selten.

Diese Tatsache möchte ich immer wieder in Erinnerung rufen, weil zu viele der Versuchung nicht widerstehen können, Gewinne zu realisieren statt Gewinne laufen zu lassen. Und sie wehren sich dagegen, Verluste zu realisieren, solange sie klein sind. Doch aus kleinen Verlusten können, wenn man sie nicht schon am Anfang richtig einschätzt, mit der Zeit grosse Verluste entstehen.

Alfons Cortés

Alfons Cortés ist seit März 1971 professionell an der Börse unterwegs. Bis Juni 2017 war er Geschäftsführender Partner von UnifinanzTrust reg., Vaduz. Seit Juli 2017 ist er Senior Partner im Unternehmen und für den Bereich Research zuständig. Diesem hat er von Anbeginn seiner Tätigkeit an besonderes Augenmerk zukommen lassen. Daraus erwuchs die prominente Position des Unternehmens in der Anwendung von Behavioral-, Neuro- und Evolutionary Finance. Cortés hat nicht nur als Vermögensverwalter und Analyst, sondern auch als Mitglied von Anlageausschüssen institutioneller Anleger über Jahrzehnte Erfahrungen mit den Finanzmärkten gesammelt. Er schreibt jeden zweiten Donnerstag eine Kolumne für The Market.
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