Donnerstag, Oktober 3

In der Vorlage fallen zwei Forderungen der Initiative, die der Kantonsrat teilt, unter den Tisch.

Die Initiative «Gesunde Jugend Jetzt» der Jungen Mitte ist für das Parlament eine Premiere. Erstmals nahm der Zürcher Kantonsrat im letzten November eine Volksinitiative in der Form einer allgemeinen Anregung an, ohne Gegenstimme. Schon die Regierung hatte sie unterstützt. Da kein Gegenantrag vorlag, kam es im Rat nicht einmal zu einer Abstimmung.

Doch so klar, wie der eindeutige Entscheid glauben macht, ist die Sache nicht. Denn der Regierungsrat erhielt damit die Aufgabe, eine Umsetzungsvorlage auszuarbeiten. Und weil es um eine allgemeine Anregung geht, keine formulierte Gesetzesbestimmung, besteht ein erheblicher Spielraum.

Das Problem, das die Initiative aufgriff, ist unbestritten. Die Regierung schreibt in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Antrag, dass trotz eingeleiteten Massnahmen nicht alle Personen, die einen Therapieplatz benötigen, innert angemessener Frist behandelt werden könnten. Im ambulanten Bereich beträgt die Wartezeit oft Monate.

Der Grund liegt nicht nur im Mangel an Fachkräften, der gerade im Gesundheitswesen zunimmt, und im Bevölkerungswachstum. Psychische Belastungen betreffen vermehrt junge Menschen. Die Regierung zitiert die schweizerische Gesundheitsbefragung 2022, wonach in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen 9 Prozent der teilnehmenden Personen aufgrund eines psychischen Problems in Behandlung waren. Dieser Anteil ist fast doppelt so gross wie in der letzten Befragung fünf Jahre zuvor.

Keine Vorgaben für Wartefristen

Wie schon die Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) im Ratssaal führt der Regierungsrat auf, was in den letzten Jahren bereits zur Verbesserung der Situation vorgekehrt wurde. Der Katalog zur Umsetzung der Initiative enthält zwei Massnahmen zur Prävention und Früherkennung. Für den Zeitraum 2026 bis 2029 wird das Budget des Aktionsprogramms für Kinder und Jugendliche im Bereich psychische Gesundheit um 740 000 Franken erhöht, und die bestehenden Angebote werden besser sichtbar und nutzbar gemacht.

In der kinder- und jugendpsychiatrischen Versorgung fördert der Kanton künftig die Ausbildung von Psychiaterinnen und Psychiatern, baut niederschwellige Angebote und Abklärungen aus und schafft eine digitale Plattform («Mental Hub»). Ausserdem wird die Schnittstelle zwischen den Psychologinnen und Psychologen und der Psychiatrie verbessert, damit vermehrt und rascher Therapien angeordnet werden können.

Wichtiger ist, was nicht im Antrag steht. So legte die Gesundheitskommission des Kantonsrats der Regierung nahe, auch die aufwendige Weiterbildung der Psychologinnen und Psychologen zu Therapeuten zu unterstützen. Auf diese Forderung ging die Regierung nicht ein, wie auch dem Kommissionspräsidenten Andreas Daurù (SP) aufgefallen ist.

Das gilt ebenso für den eigentlichen Hauptpunkt der Initianten: eine ausreichende Versorgung psychisch erkrankter Kinder und Jugendlicher innerhalb von vier Wochen. Diese Vorgabe erachtete auch die Kantonsratskommission als unrealistisch. Eine Mehrheit einigte sich jedoch darauf, als Zielgrösse sei eine Wartefrist von höchstens sechs Wochen anzustreben.

Darauf ging die Regierung ebenfalls nicht ein. In der Kommission habe eine Mehrheit schon die Erwartung gehabt, dass die Regierung zu den Wartefristen eine klare Zielvorgabe formuliere, merkt Daurù kritisch an.

Das Initiativkomitee ist denn auch enttäuscht über die «wenig ambitionierte Vorlage». Trotz klarem politischem Auftrag bleibe so die Versorgung psychisch erkrankter Kinder und Jugendlicher unbefriedigend, schreibt es in einer Mitteilung.

Gegenüber der NZZ stellt der Initiant Benedikt Schmid klar, zwar sei alles, was die Regierung vorschlage, richtig und sinnvoll. Aber es genüge nicht: «Es ist auch uns völlig klar, dass es unmöglich ist, innerhalb eines Jahres die Wartefrist für eine psychotherapeutische Behandlung auf vier oder sechs Wochen zu verkürzen. Dafür braucht es eine langfristige Strategie und genug Personal, doch beides fehlt.»

Es sei nicht in Ordnung, wenn jemand mehr als sechs Monate auf eine Behandlung warten müsse, sagt Schmid. Wichtig sei eine verbindliche Zielvorgabe zu den Wartefristen, und wie sie sich entwickelten, müsse messbar sein. Die Regierung schrieb, ein Monitoring der ambulanten Behandlungen wäre mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden.

Die Initianten prüfen nun Massnahmen, um die Verbindlichkeit der Umsetzung zu erhöhen. Ob der Kantonsrat das so einfach tun kann, ist unklar. Bei der Vorlage handelt es sich um einen Kredit über 5,67 Millionen Franken für die diversen Massnahmen in den Jahren 2026 bis 2029. Das Parlament darf zwar an den Zahlen schrauben, aber nicht ohne weiteres eine neue Massnahme hinzufügen, etwa die Unterstützung der Weiterbildung zu Kinder- und Jugendtherapeutinnen und -therapeuten.

SP und die Mitte verlangen in Mitteilungen weitergehende Massnahmen im Sinne der Initianten. Ist das Parlament nicht willens oder dazu nicht in der Lage, fassen die Urheber von «Gesunde Jugend Jetzt» eine neue, dann aber ausformulierte Volksinitiative ins Auge.

Zürich hat eine Kantonspsychiaterin

Mit der Umsetzung der Initiative für eine psychisch gesunde Jugend schafft der Regierungsrat zugleich neu die Funktion einer Kantonspsychiaterin. Damit trage man der Tatsache Rechnung, dass der Fachbereich Psychiatrie in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen habe, schreibt er. Hauptaufgabe ist die Sicherstellung und Koordination der psychiatrischen Versorgung im Kanton Zürich.

Die erste Kantonspsychiaterin heisst Nadja Weir. Sie übernimmt diese Aufgabe zusätzlich zu ihrer bisherigen Funktion als stellvertretende Abteilungsleiterin Versorgungsplanung im kantonalen Amt für Gesundheit. Vor ihrer Arbeit in der Zürcher Gesundheitsdirektion war die 40-jährige Psychiaterin Oberärztin im Sanatorium Kilchberg.

Dass ihre neue Funktion keine Alibiübung ist, verdeutlicht Weir, wenn sie auf die Kritik der Initianten antwortet, die Regierung setze für die psychiatrische Versorgung von Jugendlichen keine verbindlichen Vorgaben: «Selbstverständlich ist es das erklärte Ziel, die Wartezeiten für eine psychiatrische Behandlung herabzusetzen», betont die Kantonspsychiaterin. Im stationären Bereich habe man bereits viel erreicht. Für ambulante Therapien gebe es unterschiedliche und oft zu lange Wartezeiten. Auch diese wolle man verkürzen.

Nadja Weir betont aber ebenso, der Fachkräftemangel sei eine Tatsache, gerade im Bereich Psychiatrie: «Es ist auch die Aufgabe der Politik, keine falschen Hoffnungen zu wecken, sondern Massnahmen zu erarbeiten, die realistisch umsetzbar sind.»

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