Montag, September 30

Seit kurzem schwächeln Halbleiteraktien, während andere Segmente vorrücken. Die Blase im DJ US Semiconductors ist aber nicht geplatzt, sondern konsolidiert.

Am 10. November 2023 begann die bereits wiederholt besprochene spekulative Blase in grosskapitalisierten Halbleiteraktien, die mit künstlicher Intelligenz in Zusammenhang gebracht werden. Das drückte sich im DJ US Semiconductors aus. Ich habe Beginn und seitherige Entwicklung auf der folgenden Grafik grau markiert:

Die erste Konsolidierung nach begonnener Blasenbildung endete am 19. April 2024 auf dem grün markierten 20-Wochen-Durchschnitt.

Danach setzte die zweite Phase der spekulativen Blase ein, in deren Verlauf der Rummel um die hochkapitalisierten KI-Werte Kapital anzog und dabei andere Segmente im Markt abdrängte.

Das machte sich in der Marktbreite bemerkbar. Der US-Aktienmarkt begann den Monat April mit einer Marktbreite von 77,7%. Am 15. April war sie bescheidene 4,9 Punkte auf 72,8% gefallen. Die Kontraktion setzte sich aber fort bis zum 24. Juni, als eine Messung lediglich 61,3% ergab.

Marktbreite steigt – Semiconductors fällt zurück

Am 21. Juni erreichte der DJ US Semiconductors mit 21’042.69 Punkten einen Rekord. Am 24. Juni setzte eine Rally ein, die am 11. Juli ein Tageshöchst von 20’867.32 Punkten erreichte. Danach fielen die Kurse zurück. Bis zum Freitag letzter Woche ist der Index 16,2% auf 17’641.34 gefallen. Gleichzeitig ist die Marktbreite auf 70,2% gestiegen.

Das seitherige Geschehen möchte ich mit einem Bild illustrieren:

Abgebildet ist der DJ US Semiconductors seit dem 19. April. Gepunktet in rosarot ist der Nasdaq 100, hellblau gestrichelt der S&P 100. Dunkelblau durchgezogen ist der S&P 500, dunkelrot durchgezogen der gleich gewichtete S&P 500, grün gestrichelt der S&P Mid Cap 400 und orange durchgezogen der S&P Small Cap 600.

Wir sehen, wie die grosskapitalisierten Aktien aus dem Semiconductor-Bereich den Nasdaq 100 und den S&P 100 stärker nach oben gezogen haben als den S&P 500, während die anderen drei erwähnten Messlatten bis zum 9. Juli relativ verloren. Danach gewannen sie explosionsartig, zuvorderst der S&P Small Cap 600, gefolgt vom S&P Mid Cap 400 und dem S&P Equal Weighted, während S&P 500, S&P 100, Nasdaq 100 und DJ US Semiconductors relativ verloren.

Das zeigt der gleiche Chart, verkürzt auf die Zeit ab dem 9. Juli, deutlich:

Jetzt geht es um die Frage, wie man das interpretieren kann. In meiner Interpretation ist die Blase im DJ US Semiconductors nicht geplatzt. Sie ist von einer Konsolidierung unterbrochen worden.

So wirken negative Rückkoppelungen

Man spricht von negativen Rückkoppelungen und meint damit die Suche nach einem neuen Gleichgewicht zwischen Preis und Wert.

Das ist es, was Konsolidierungen und Korrekturen bewirken, und das ist es, warum ich so viel Wert auf solche Vorgänge setzte. Es wird nicht mit Blick auf die letzten Kurssprünge in Eile gekauft, sondern es wird gedacht und gerechnet. Oder, wie der grosse Ökonom Wilhelm Röpke zu sagen beliebte: wägen und wagen. Genau das wird getan, und das illustrieren solche Vorgänge.

Das kann ein paar Wochen oder Monate dauern und abgesehen von den bisherigen Rückschläge noch weitere Prozente kosten, was, wenn man diesen Trend mitgemacht hat, nicht weh tun sollte:

Ich fürchte aber, dass denen, die aussteigen, um möglichen Rückschlägen auszuweichen, der Wiedereinstieg misslingt, weil sie mental zu stark auf Korrektur setzen.

Das grosse Bild bleibt unverändert

Je länger diese Phase negativer Rückkoppelungen dauert, desto mehr wird man hauptsächlich negative Kommentare lesen, was zu einer mentalen Blockade gegenüber positiven Marktsignalen führen kann, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil man dazu neigt, klug formulierte Sätze über fundamentale Daten höher zu werten als marktgenerierte Preissignale.

Das grosse Bild, das sich nun auf Ebene der Sektoren, die die nach Ländern organisierten Indizes prägen, präsentiert, habe ich in meinem Beitrag vom 20. Juni dargelegt. Daran hat sich nichts geändert.

Die Rotation, die sich bereits vor zwei Wochen unter der Oberfläche einstellte, eröffnet kleine taktische Chancen. Diese bestehen in Übergewichtungen relativ starker Sektoren und Industrien zu Lasten untergewichteter relativ schwacher Sektoren.

In meinen Analysen geht es nie um Prognosen, sondern stets nur darum, die sich bietende Marktverfassung zu beschreiben oder, wie Friederich von Hayek sagte: die spontane Ordnung zu erkennen, die sich der Markt durch Versuch und Irrtum selber gibt.

Alfons Cortés

Alfons Cortés ist seit März 1971 professionell an der Börse unterwegs. Bis Juni 2017 war er Geschäftsführender Partner von UnifinanzTrust reg., Vaduz. Seit Juli 2017 ist er Senior Partner im Unternehmen und für den Bereich Research zuständig. Diesem hat er von Anbeginn seiner Tätigkeit an besonderes Augenmerk zukommen lassen. Daraus erwuchs die prominente Position des Unternehmens in der Anwendung von Behavioral-, Neuro- und Evolutionary Finance. Cortés hat nicht nur als Vermögensverwalter und Analyst, sondern auch als Mitglied von Anlageausschüssen institutioneller Anleger über Jahrzehnte Erfahrungen mit den Finanzmärkten gesammelt. Er schreibt jeden zweiten Donnerstag eine Kolumne für The Market.
Exit mobile version