Bengt Thornefors arbeitete mit Hedi Slimane bei Saint Laurent und gründete zusammen mit seiner Frau den Bettwäschehersteller Magniberg. Seit 2022 ist er Kreativdirektor der Textilmarke Sahco. Unter ihm soll der Brand wieder an Relevanz gewinnen.
Bengt Thornefors will über Gefühle reden. Statt von Zahlen lässt er sich bei seiner Arbeit von Impulsen leiten. Der schwedische Kreativdirektor spricht von seiner Lieblingsfarbe (Pink!) und erzählt, wie die Idee zu einer neuen Kollektion fast immer mit einem Bauchgefühl beginnt. «Vorhangstoffe, Polstertextilien – das sind unsere Produkte», sagt er, «aber wir verkaufen mehr.» Ein Gefühl?
Seit 2022 ist der 44-Jährige Kreativdirektor von Sahco. Das Textilunternehmen wurde 1831 in Süddeutschland gegründet und gehört seit bald sieben Jahren zum dänischen Textilfabrikanten Kvadrat. Sahco wurde für den Import von feinen Teppichen, Seiden- und Bezugsstoffen aus Frankreich und dem Fernen Osten bekannt. Ende des 20. Jahrhunderts war die Marke besonders gross, mit Showrooms in München, Paris, London und Mailand. Dann wurde es leiser um Sahco, die Relevanz schwand.
Unter Bengt Thornefors soll sich das nun wieder ändern. Seine Ansprüche sind hoch. «Grossartig», so sagt der Kreativdirektor, müssten Produkte heute sein. Er spricht von Textilien, die «kontrovers sind», und davon, keine Scheu zu haben, nur das zu tun, was er und sein Team für richtig empfinden. Diese Attitüde habe er aus der Fashion-Branche beibehalten, wo er zuvor tätig gewesen sei.
Neun Jahre arbeitete Bengt Thornefors beim schwedischen Modelabel Acne Studios. Sich wenig um Konventionen zu scheren, diese Haltung ist aber auch typisch für einen Autodidakten. Thornefors arbeitete in einer angesagten Bar in Stockholm, in der auch die vier Gründer von Acne Studios gern verkehrten, als er sie dazu brachte, ihm eine Anstellung bei ihnen zu verschaffen. So erzählt er es. Seinen Job machte er offensichtlich gut: Bald schon verantwortete er als Senior Designer die Denim- und Sportlinie des Labels. 2012 wechselte Bengt Thornefors schliesslich zur Luxusmarke Saint Laurent, zuerst als «Head of Denim Design & Development», später als Berater an der Seite des damaligen Kreativdirektors Hedi Slimane.
Gründer der Bettwäschemarke Magniberg
Mit seiner Frau Nina Norgren, einer Floristin und Grafikdesignerin, gründete er 2016 die Bettwäschemarke Magniberg. Die Designsprache des schwedischen Labels ist modern-minimalistisch – und laut: Die Textilien sind geprägt von satten Farben, übergrossen Schnitten und auffallendem Logo-Patch, wie man es von Acne Studios kennt. Neben Bettwäsche führen sie mittlerweile auch Kleider, Wohnaccessoires und Möbel im Sortiment. 2019 kaufte Kvadrat Anteile an Magniberg. Ab da startete die Zusammenarbeit zwischen der dänischen Textilmarke und Bengt Thornefors. 2022 wurde ihm die künstlerische Leitung für Sahco übertragen – während er weiterhin auch für Magniberg tätig bleibt. So pendelt Bengt Thornefors seither zwischen Schweden, wo er mit seiner Frau und den beiden Kindern wohnt, und Dänemark, wo Sahco zu Hause ist.
Das Designstudio befindet sich mitten in Kopenhagen. Das kleine Büro mit knarrendem Fischgrätparkett gleicht einer heimeligen Altbauwohnung. Und genauso privat ist es auch: «Wir brauchen diese sichere kleine Blase, in die niemand während des Prozesses eindringt», sagt der Kreativdirektor. Alle Stoffe werden hier vom internen Designteam gestaltet. Pro Jahr lancieren sie zehn Stoffe, die jeweils in unterschiedlichen Farben erhältlich sind. Die Textilien sind Teil der Gesamtkollektion: «Wir erzählen mit jeder neuen Kollektion ein Kapitel, das zur Geschichte von Sahco gehört und sie weitererzählt.»
Viel Glanz, viel Textur und Zurückhaltung
Bengt Thornefors sagt, man müsse Sahco als Maison verstehen. Er spielt auf die Handwerkskunst an, das Erbe der bald 200 Jahre alten Firma. Statt Trends hinterherzujagen, für die sie mit zweijähriger Produktionsvorlaufzeit sowieso immer zu spät seien und die mit ihrer kurzen Haltbarkeit auch nicht recht in die Einrichtungsbranche passten, wolle er sich bei Sahco darauf konzentrieren, Produkte von höchster Qualität herzustellen. Grossartige Produkte. «Ist nicht gerade das Zeitgeist?», fragt er. Tatsächlich ist derzeit viel die Rede von einer Rückbesinnung auf altes Handwerk. Luxusmarken versuchen mit Ausstellungen künstlerische Fertigkeiten sichtbarer zu machen. Und in den Kollektionen, sei es in der Mode oder im Interior Design, dringt immer mehr ein nostalgischer Geist durch.
Für 2025 setzt Bengt Thornefors bei Sahco auf viel Glanz, viel Textur und Zurückhaltung bei den Farben. Die meisten Stoffe kommen in Naturtönen daher, in steinigem Grau, erdigem Beige oder Khaki in unterschiedlichsten Nuancen. Dazwischen finden sich Farb-Highlights, die ins Auge stechen: Wellenförmige Gitterspitze in Galarot. Ein neongrüner Flechtstoff. Oder Schlangen-Print in «hot pink».
«Wild at Heart» – im Herzen wild – heisst die neue Kollektion. Sie wurde im Januar an der Pariser Möbelmesse Maison & Objet lanciert. Bei unserem Besuch zuvor im Büro in Kopenhagen lagen die Stoffe auf einem Tisch. Wie bei einem Mood-Board waren rundherum verschiedene Fotos verteilt: ein Filmbild aus David Lynchs «Wild at Heart», das Nicolas Cage in Schlangenleder-Jacke zeigt (für den Jacquard-Stoff «Ozi»), Prinzessin Diana in einer hellblauen Chanel-Tweedjacke (für den Polsterbezug «Nalia»), eine antike Säule und ein Runway-Look von Jacquemus’ Herbst/Winter-Kollektion 2022 (für den Vorhangstoff «Salila»). Dazwischen Abbildungen von Werken des Künstlers Franz West (1947–2012): von einer Ausstellung im Brandhorst-Museum in München oder seinem geflochtenen Onkelstuhl. Der bildende Künstler experimentierte mit ungewöhnlichen Materialien wie Gips und Pappmaché. Seine Kunst, die auch eine rohe und harte Note hat, neben den glänzenden feinen Stoffen aus Seide.
Das Sahco-Universum soll ein Universum der Kontraste sein, so die Vision von Thornefors. Die Gefühle gegenüber den Stoffen und ihrer Anmutung dürfen gemischt sein. «Wir haben mit der Einstellung begonnen, Regeln zu brechen, furchtlos zu sein», sagt der Schwede. Deshalb sei Franz West so gut: «Er hatte keine Angst vor dem Scheitern.»
So zeigt die Kollektion für 2025 schön, wo Bengt Thornefors mit der Marke hinwill: klassisch in der Anmutung – Hightech in der Umsetzung. Der Kreativdirektor nennt als Beispiel einen Stoff aus der Gesamtkollektion: Schlangenmuster. Ob ein solcher Polsterbezug billig wirke oder nicht, habe einzig mit der Umsetzung zu tun. Mit dieser Einstellung knüpft er an Ulf Moritz an, den Designer, der Sahco in den späten 1980er Jahren prägte: Er vertrat die Haltung, dass keine Idee zu wild sei, um ausgeführt zu werden – solange sie perfekt ausgeführt sei. «Das haben wir uns zu Herzen genommen», sagt Bengt Thornefors.