Sonntag, September 29

Martin Lehmann, CEO und Fondsmanager von 3V Asset Management, sagt im Interview, welche Treiber er für den Schweizer Aktienmarkt sieht, wo sich mit Blick auf 2025 Opportunitäten ergeben könnten und auf welche Schweizer Unternehmen er derzeit setzt.

«Wir verfolgen einen langfristigen Ansatz, den wir vom kurzfristigen Auf und Ab kaum beeinflussen lassen», sagt Martin Lehmann. Der CEO und Fondsmanager von 3V Asset Management zeigt sich über die Verwerfungen an den Börsen von Anfang August wenig besorgt, kurzfristig hätten sich sogar Einstiegschancen ergeben. Eine erfolgreiche Zinswende, ohne dass die US-Wirtschaft in eine Rezession abrutscht – ein sogenanntes Soft Landing – würde aus seiner Sicht aber ein positives Marktumfeld versprechen.

Mit dem 3V Invest Swiss Small & Mid Cap Fonds setzt Lehmann hauptsächlich auf qualitativ hochwertige Wachstumsunternehmen wie Lindt & Sprüngli und Belimo, zum Portfolio gehören aber auch opportunistische Positionen. Aus einer solchen ist etwa der Backwarenhersteller Aryzta zum grössten Gewicht im Fonds gewachsen.

Welche Trends Lehmann für die zweite Jahreshälfte und 2025 an der Börse sieht und wie er die Perspektive von Tecan und Straumann sowie die Situation bei Calida und Temenos einschätzt, sagt er im Interview.

Herr Lehmann, der Börseneinbruch von Anfang August scheint verdaut zu sein, an den Börsen ist Ruhe eingekehrt. Wie sehen Sie die Marktlage kurz- und mittelfristig?

Das Börsengewitter von Anfang August wurde ausgelöst durch die Zinserhöhung der Bank of Japan sowie durch schwächere Konjunkturdaten in den USA. Es war kurz und heftig. Da hat es sich einmal mehr ausgezahlt, Liquidität zu halten, um bei solchen Verwerfungen reagieren zu können. Kurzfristig boten die Turbulenzen Einstiegsmöglichkeiten. Einige Qualitätstitel, die deutlich an Wert verloren hatten, notieren jetzt – zwei bis drei Wochen später – bereits auf dem Ausgangsniveau und zum Teil sogar höher.

Und darüber hinaus?

Das zweite und grössere Thema sind die Zinsen und die Inflationsdaten in den USA, nach denen sich der Markt richtet. Die Zinswende dürfte im September eingeläutet werden, was sich positiv auf den Gesamtmarkt auswirken würde.

Und das dritte?

Das Letzte, und das treibt mich am meisten um, ist der Blick auf die Berichtssaison zum ersten Halbjahr 2024. Wie ich auch im Vorfeld erwartet hatte, haben wir ein uneinheitliches Bild gesehen. Es gibt doch einige Unternehmen, die gerade beim Ausblick für das zweite Halbjahr enttäuscht haben. Wie es aussieht, verschiebt sich die Anfang Jahr erhoffte Erholung erneut nach hinten. Die Visibilität ist bei vielen Unternehmen weiterhin schlecht. Das macht es schwierig, eine Prognose abzugeben.

Gerade in der Industrie bleiben die Aussichten wenig ermutigend.

Industrieunternehmen bekunden weiterhin Schwierigkeiten. Ein Beispiel ist der Kabelmaschinenspezialist Komax, der im Juni bereits eine Gewinnwarnung publizieren musste. Das Thema Destocking, also die Reduzierung und Bereinigung der hohen Lagerbestände bei den Kunden, bleibt ein Bremsfaktor. Für manche Unternehmen wird die Vergleichsbasis ab 2025 einfacher. So werden die Aktien einiger qualitativ hochwertiger Zykliker kaufenswert. Ich denke da an Bossard, SFS oder Georg Fischer. Die hatten ein schwieriges erstes Halbjahr und wahrscheinlich wird das gesamte 2024 eher schwierig, aber mit Blick auf 2025 ergeben sich hier vielleicht schon Opportunitäten.

Sie haben die erwartete Zinswende in den USA angesprochen, noch ist das Soft Landing nicht geschafft. Der schwache US-Konsum belastet auch Schweizer Unternehmen, und die Konjunkturdaten bleiben uneinheitlich. Welche Rolle spielt es für Sie, ob und wann die Wirtschaft in den USA doch noch in eine Rezession rutscht?

Wir verfolgen einen langfristigen Ansatz, den wir vom kurzfristigen Auf und Ab kaum beeinflussen lassen. Unsere Strategie im Fonds ist klar: Wir suchen qualitativ hochstehende Wachstumsunternehmen, sogenannte Compounder, deren Geschäft von einem strukturellen Trend profitiert. Da sind solche Verwerfungen und temporäre Entwicklungen nicht entscheidend, sondern stellen vielfach Opportunitäten dar. Aber klar, ein gutes Umfeld ist auch für uns wichtig. Sollte das Soft Landing in den USA tatsächlich klappen, das ein positives Marktumfeld schaffen, wovon auch wir respektive unsere Porftfoliounternehmen profitieren würden.

Darüber hinaus halten Sie auch ein paar opportunistische Positionen.

Wir haben 80% Compounder-Positionen im Portfolio, womit bis zu 20% für Positionen bleiben, die nicht in dieses Qualitätsraster passen, oder aber dafür, dass wir agieren können, wenn es zu Marktverwerfungen kommt.

Aryzta ist aus einer solchen opportunistischen Position zu einem grossen strategischen Gewicht in Ihrem Portfolio gewachsen. Was überzeugt sie an den Aktien des Backwarenherstellers?

Aryzta ist seit längerer Zeit und mit Nachdruck unsere grösste Position. Seit dem Wechsel im Management und dem Start von Urs Jordi als CEO im Jahr 2020 ist das ein Turnaround, der Seinesgleichen sucht. Für mich waren die Halbjahreszahlen in diesem Umfeld, in dem viele Konsumgüterunternehmen kaum Wachstum verzeichnen, nicht wirklich eine Enttäuschung, auch wenn der Aktienkurs kurzfristig nachgab. Insgesamt ist das grosse Ganze wichtiger.

Was sehen Sie da?

Fünf von sechs Mittelfristzielen wurden frühzeitig erreicht, die Kapitalrendite liegt erstmals wieder über 13% und deutlich über den Kapitalkosten – damit generiert Aryzta Mehrwert für die Aktionäre. Das Management hat einen sehr guten Job gemacht. Insbesondere im jetzigen Umfeld mag ich solche «Self help»-Storys, also Unternehmen, die sich unabhängig von den äusseren Bedingungen noch verbessern können.

Wie ist Ihr Eindruck vom neuen CEO Michael Schai, der im Januar übernehmen wird?

Die Ernennung macht Sinn. Er bringt dank seiner Tätigkeit bei Hiestand Erfahrung aus dem Unternehmen mit und konnte bei Lindt & Sprüngli viel lernen.

Die tief hängenden Früchte sind geerntet, im Frühjahr will Aryzta neue Mittelfristziele publizieren. Was erwarten Sie für die Zeit ab 2025?

Das Verkaufsvolumen wird weiter steigen. Gerade im Aufbacksegment sehe ich grosses Potenzial, und die Konsolidierung im herkömmlichen Bäckereimarkt geht weiter, was für das Konzept des Bake-off und für Aryzta spricht. Bei der Profitabilität wachsen die Bäume nicht in den Himmel, aber Aryzta dürfte bald wieder imstande sein, eine Dividende zu zahlen. Damit wird das Unternehmen bei vielen Investoren wieder zum Thema werden. Ich glaube, die Aktien haben noch gut 30 bis 40% Potenzial nach oben.

Bleiben wir im Nahrungsmittelsegment: Sie halten sowohl Lindt & Sprüngli als auch Barry Callebaut. Was macht die Aktien trotz hohem Kakaopreis attraktiv?

Wir halten beide Titel, wobei Lindt & Sprüngli die bedeutend grössere Position ist. Das Unternehmen liefert konstant und kann die immer hohen Erwartungen erfüllen. Es kann den steigenden Kakaopreis besser absorbieren als etwa Barry Callebaut, dieser macht auch nur etwa 10% an den Gesamtkosten aus, das ist deutlich weniger als bei Barry. Lindt & Sprüngli verfügt über eine starke Marktposition und damit über grosse Preissetzungsmacht.

Neben dem Kakaopreis gibt es noch ein Thema, das auf der Nachfrage lasten könnte: Schokolade gilt als ungesund, in einigen Ländern drohen zum Beispiel höhere Steuern und regulatorische Massnahmen.

Lindt & Sprüngli versteht sich als Herstellerin eines Genussmittels – und offensichtlich ist die Preissensitivität in diesem Bereich deutlich weniger ausgeprägt. Die Premiumstrategie geht auf, das zeigt zum Beispiel das gute Wachstum, das Lindt in den eigenen Shops erzielt – was erst noch die Profitabilität stützt.

Und Barry Callebaut?

Die Situation ist etwas anders, der starke Anstieg des Kakaopreises hat das Nettoumlaufvermögen aufgebläht. Die gute Nachricht: Barry ist Weltmarktführerin und hat gegenüber kleineren Konkurrenten, die mit den gleichen Problemen kämpfen, einen Vorteil. Sie könnte sogar von einer Konsolidierung oder bei Schwierigkeiten von Mitbewerbern profitieren.

Worauf sollten Anleger achten?

Der Fokus liegt jetzt auf der nächsten westafrikanischen Saison, deren Ernte im Oktober beginnt. Dann wird man sehen, wie üppig die Produktion ausfällt. Wenn sie aber höher als erwartet ausfällt, könnte das durchaus zu einer Entspannung am Kakaomarkt führen. Was insbesondere für Barry Callebaut sehr positiv wäre.

Wie schätzen Sie das Finanzierungsrisiko angesichts des höheren Kakaopreises ein?

Diese Gefahr scheint auf dem jetzigen Level gebannt zu sein. Natürlich kann das Thema wieder aufkommen, sollte der Kakaopreis erneut stark steigen. Grundsätzlich ist das Unternehmen aber gut positioniert und unter neuem Management gut geführt, die Bilanzqualität ist ebenfalls solide, vom sehr hohen Umlaufvermögen abgesehen. Wir finden den Investment Case fundamental spannend, die Aktien sind nicht teuer. Über die lange Frist glauben wir, dass sich der Kakaomarkt normalisieren wird.

Blicken wir auf die Berichtssaison. Zu den grössten Enttäuschungen gehörte der Laborausrüster Tecan.

Tecan hat mit den Halbjahreszahlen stark enttäuscht. Die Prognose war vermeintlich konservativ, aber auch diese konnte das Unternehmen nicht erfüllen. Darum folgte die heftige Kursreaktion.

Welchen Einfluss hat die misslungene Kommunikation des Managements?

Die Kommunikation war sicher nicht optimal. Das Management hat an Vertrauen eingebüsst und muss sich das nun wieder verdienen. Aber gerade bei vermeintlich hoch bewerteten Aktien kommt es schnell zu harschen Marktreaktionen, wenn die Erwartungen auch nur leicht verfehlt werden.

Ändert sich dadurch etwas an Ihrer Einschätzung?

Nein. Der Laborausrüster ist in einem strukturell wachsenden Markt sehr gut positioniert; er profitiert von der zunehmenden Automatisierung. Entscheidend ist für mich, dass das Unternehmen weder Aufträge noch Marktanteile verloren hat. Die Schwäche hat zwei Ursachen: Zum einen China, wo sich das staatliche Stimulusprogramm verzögert, und zum anderen halten sich insbesondere die grossen Pharmakonzerne mit Investitionen zurück. Aber das Management ist sehr zuversichtlich, dass diese Aufträge kommen werden. Wir haben die Verwerfungen nach der Zahlenpublikation genutzt, um unsere Position zu erhöhen.

Straumann hat dagegen positiv überrascht. Wie erklären Sie sich dieses Misstrauen vor der Zahlenpublikation des Zahnimplantateherstellers?

Seit den Zahlen zum ersten Quartal hatte Straumann einen schweren Stand bei Investoren. Die gute Nachfrage in China – klar von einer niedrigen Vergleichsbasis – wurde überdeckt durch die Konsumschwäche in Nordamerika. Wir haben in dieser Zeit diese Kernposition noch ausgebaut. Der Zahlenausweis zum Halbjahr hat nun durchwegs überzeugt. Das Highlight war sicher die Geschäftsentwicklung in Asien.

Das ist vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung in China doch eher erstaunlich.

Das hat mich auch positiv überrascht. Aber es spricht für das Unternehmen und seine Marktposition. Mit den mittelfristigen Plänen, den Umsatz bis 2030 auf 5 Mrd. Fr. zu verdoppeln, hat man einen starken Wachstumscase, den wir sehr spannend finden.

Wie bewerten Sie den Verkauf der Tochtergesellschaft Dr Smile?

Ich bin ein Befürworter der Fokussierung und begrüsse den Entscheid, diesen defizitären Geschäftsteil zu verkaufen – wenngleich es freilich ein sehr teures Abenteuer gewesen ist. Das hilft der Profitabilität natürlich unmittelbar, was sich auch in der Prognoseerhöhung für das laufende Jahr niederschlägt.

Welches Risiko geht von der chinesischen Konkurrenz aus?

Das war immer wieder mal ein Thema. Aber es hat sich bisher nie materialisiert, und laut dem Management wird es das auf absehbare Zeit auch nicht.

Zu Ihren Favoriten gehört auch Galderma. Wie fest belastet der Aktienüberhang der Mehrheitsaktionäre?

Der Einstandskurs beim Börsengang war auf einem attraktiven Level, und als Neuzugang an der Schweizer Börse hat Galderma für uns sehr viele wichtige Punkte erfüllt, weswegen wir beim IPO dabei waren. Das grosse Thema danach war die Lock-up-Periode von 180 Tagen und die Aussicht, dass weitere Aktienpakete auf den Markt kommen könnten. Gleichzeitig ist die sehr gute Pipeline wohl von vielen etwas unterschätzt worden. Das zusammen mit der Beteiligung von L’Oréal hat nun wohl einige auf dem falschen Fuss erwischt, die noch auf Platzierungen nach dem 18. September gehofft hatten.

Werden die Platzierungen noch kommen?

Die Platzierungen dürften noch kommen, aber wohl nicht im September. EQT wird über die Zeit aussteigen wollen: Momentan hält die Private-Equity-Gesellschaft ja noch etwas mehr als 67% der Aktien. Aber ich erwarte nicht, dass das unmittelbar der Fall sein wird, auch weil das Konsortium kaum ein 10%-Paket mit einem Aufschlag an L’Oréal verkauft und dann wenige Wochen später weitere Aktien mit einem Abschlag auf den Markt bringt. Die gute Stimmung gegenüber dem Unternehmen gibt den Mehrheitsaktionären die Möglichkeit, in einem steigenden Markt verkaufen zu können.

Sie sind also zuversichtlich.

Galderma hat noch einiges Aufwärtspotenzial. Jetzt würden wir gerne unsere Position noch ausbauen, entweder über eine spätere Platzierung oder dann halt am Markt.

Apropos gut gelaufen: Auch Belimo hat sehr gute Zahlen vorgelegt. Ist dieser Höhenflug nachhaltig?

Belimo zeigt einmal mehr, was ein Qualitätsunternehmen ausmacht – leider sind die Aktien nie ganz günstig bewertet. Der Lüftungsspezialist ist als Technologieführer hervorragend in einem Wachstumsmarkt positioniert, Treiber sind zum Beispiel auch regulatorischer Natur. Spannend ist momentan der Bereich der Rechenzentren. Das zeigt für mich die Qualität des Investment Case: Dass sie in der Lage sind, immer wieder neue spannende Geschäftsfelder zu erschliessen. Viele industrienahe Unternehmen bekunden derzeit Mühe, Belimo kann sich da abheben. Genau deswegen sind wir als Investoren auch bereit, eine höhere Bewertung in Kauf zu nehmen.

Auch das Bauunternehmen Implenia profitiert vom Boom der Rechenzentren. Was sehen Sie hier?

Der Aktienkurs scheint immer noch losgelöst von der operativen Entwicklung. Das Unternehmen hatte Pech mit dem Aktionariat, zwei Grossaktionäre mussten ihre Beteiligung von 16,5 respektive 10% innerhalb eines Jahres aus individuellen Gründen verkaufen. Das hat den Aktienkurs belastet. Mit der Buru Holding der Familie Buhofer als Ankeraktionär hat das Unternehmen nun aber eine sehr gute Lösung gefunden. Das sollte für Stabilität sorgen.

Was sorgt denn weiterhin für Skepsis?

Alles, was vermeintlich mit Wohnungsbau in Europa zu tun hat, wird von Investoren gemieden. Auch wenn das Implenia, die oft im Infrastrukturbereich tätig ist und von der öffentlichen Hand finanzierte Grossprojekte realisiert, gar nicht gross betrifft. Das Auftragsbuch ist sehr gut gefüllt, und darunter sind grössere, komplexere Aufträge, die in der Regel auch profitabler sind.

Was hat sich operativ in den vergangenen Jahren verändert?

In der Vergangenheit wurden die Risiken falsch eingeschätzt, die Projekte waren oft nicht profitabel und wurden zum Teil nur aus Prestigegründen angenommen. CEO André Wyss und sein Managementteam haben dieses Problem in den Griff gekriegt und setzen bei der Auswahl den «Value Assurance Prozess» konsequent an. Es hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass man die richtigen Projekte aussuchen und sie auch realisieren kann. Zudem zahlt sich die strategisch sinnvolle Akquisition von Wincasa je länger, je mehr aus und hilft – wie in den Halbjahreszahlen gesehen – der Profitabilität von Implenia.

Im Aktienkurs spiegelt sich die gute Entwicklung kaum.

Das stimmt. Die erwähnten Veränderungen im Aktionariat hat den Aktienkurs belastet. Die Implenia-Aktien sind aber unseres Erachtens auf dem gegenwärtigen Niveau zu günstig, als dass man sie ignorieren kann. Die Eigenkapitalquote konnte innerhalb von zwei Jahren von 11,6% auf nun über 20% gesteigert werden. Das erlaubt es der Firma, zum zweiten Mal wieder eine Dividende zu entrichten, das ist ebenfalls ein gutes Zeichen. Wir sind sehr entspannt mit Blick auf das Investment. Das Unternehmen muss weiterhin abliefern und darf nicht negativ überraschen, dann kommt das Vertrauen schrittweise zurück.

Beim Wäschehersteller Calida scheint sich endlich etwas zu bewegen. Was sehen Sie hier?

Wir sind seit Ende 2023 positioniert und schauen uns das von einer frischen Perspektive an. Unter der alten Unternehmensführung hat Calida eine katastrophale Akquisitionsstrategie verfolgt. Das andere Thema, das im Raum steht, ist der Aktienüberhang: Die Gründerfamilie hat wiederholt betont, dass sie ihre Beteiligung eigentlich verkaufen will.

Wie soll es jetzt weitergehen?

Das neue Management adressiert beide Themen. Der Verkauf von Lafuma Mobilier ist der richtige Entscheid, das Unternehmen hat damit noch zwei starke Marken: Calida und Aubade. Der Aktienrückkauf aus dem Erlös ist ein gutes Signal, und durch die Vernichtung der Titel erhöht sich der Streubesitz der Aktien auf etwa 80%, was wir begrüssen. Nun ist der Weg frei für weitere strategische Weichenstellungen. Hinter die Eigenständigkeit machen wir ein Fragezeichen, auch wenn sich die Familie zum Engagement bei Calida bekannt hat.

Ein weiterer Übernahmekandidat in Ihrem Fonds ist Temenos. Der Hersteller von Bankensoftware hat turbulente Monate hinter sich.

Temenos hat uns Anfang Jahr geschmerzt. Es ist eine leidige Geschichte. Die Anschuldigungen des Short-Sellers Hindenburg haben sich nicht bewahrheitet. Operativ ist der Schaden aber gross. Viele Kunden haben die Zusammenarbeit sistiert, wodurch einiges an Geschäftsvolumen zumindest temporär verlorengegangen ist. Temenos ist zuversichtlich, dass es bis Ende Jahr gelingt, alles aufzuholen.

Dieses Ziel wurde aber nach hinten verschoben, der Pessimismus hält an.

Das stimmt. Auch der neue CEO Jean-Pierre Brulard ist nicht zuletzt wohl wegen seines Alters vom Markt nicht gerade begeistert aufgenommen worden. Aber er macht mir einen guten Eindruck. Auf diesem Niveau stehe ich hinter dieser Position und glaube fest, dass die nächsten Monate besser werden sollten. Der Angriff hat aber klar Vertrauen gekostet.

Wie steht es denn um die Zukunft von Temenos?

Ich gehe weiterhin davon aus, dass es früher oder später zu einem Verkauf kommen wird. Das Aktionariat hätte wohl – wenn der Preis stimmt – nichts dagegen.

Zur Person

Martin Lehmann

Martin Lehmann (43) managt seit 2016 den 3V Invest Swiss Small & Mid Cap Fund. Er war mehrere Jahre für UBS tätig, bevor er 2008 in die 3V Asset Management eintrat. 2015 übernahm er den Vermögensverwalter via Management Buyout. 3V verwaltet in ihrem Fonds per Ende Juli 173 Mio. Fr. und verfolgt einen High-Conviction-Ansatz: Der Fonds investiert vorwiegend in hoch qualitative mittelständische Schweizer Unternehmen und beschränkt sich typischerweise auf dreissig Positionen.

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