Montag, Oktober 7
Kochkunde

Myriam Zumbühl


Dessertklassiker

Tiramisu heisst übersetzt: «Zieh mich hoch!» Und nichts könnte dieses Dessert treffender beschreiben. Ultracremig, mit starkem Kaffee versetzt, ist das Dessert der perfekte Muntermacher.

Die Entstehungsgeschichte des Tiramisu ist geheimnisumwittert und umstritten. Stimmig scheint die Annahme, dass alles mit einem Missgeschick begann: Dem Patissier Roberto Linguanotto aus Norditalien fiel 1970 beim Zubereiten eines Vanilleglace aus Versehen ein Löffel mit Mascarpone in die bereitgestellte Eier-Zucker-Mischung. Als er vom Löffel mitsamt Mascarpone und Eiermischung kostete, war er vom Geschmack so begeistert, dass er daraus ein neues Dessert kreierte.

Köche aus Modena machen ihm den Titel jedoch streitig und behaupten, eine Charlotte à la russe (ein Dessert aus Löffelbiskuits mit Bayrischer Crème) abgewandelt zu haben, indem sie der Crème Marsala oder Rum beigaben. So oder so: Tiramisu hat seinen Weg rund um den Erdball gefunden. Kaum ein italienisches Restaurant auf der Welt kommt ohne Tiramisu auf der Dessertkarte aus.

Als die Kochzeitschrift «Betty Bossi» in den achtziger Jahren erstmals ein Tiramisu-Rezept für die heimische Küche veröffentlichte, brach gar ein Mascarpone-Notstand aus. Alle wollten die Süssspeise mit dem italienischen ultrarahmigen Frischkäse zubereiten und stürmten die Gestelle der Grossverteiler. Mittlerweile ist nicht nur Mascarpone aus Schweizer Produktion erhältlich, sondern das Rezept wurde auch in vielerlei Variationen abgewandelt.

Das Originalrezept kommt ohne Eiweiss aus

Der Erfinder Linguanotto bereitete sein Rezept (für 4 Personen) mit nur einer Handvoll Zutaten zu: 6 Eigelben, 150 Gramm Zucker, 500 Gramm Mascarpone, einem halben Liter Kaffee, 30 Löffelbiskuits und etwas Kakaopulver für die Garnitur. Die Eigelbe schlug er mit Zucker schaumig auf und hob den Mascarpone unter. Nicht ganz geklärt ist, ob er die Löffelbiskuits im Kaffee tränkte oder sie mit dem Kaffee beträufelte. Gewiss ist: Sie wurden mit einer Schicht Mascarpone-Crème bedeckt, dann wurde alles wiederholt und zum Schluss nochmals mit einer Schicht Mascarpone-Crème überzogen. Eine Nacht lang im Kühlschrank durchziehen lassen und vor dem Servieren mit Kakaopulver bestäuben.

Als «ricetta legittima» ist das Rezept auf seiner Homepage nachzulesen, und damit gesetzlich als seines anerkannt. Spannend auch, dass er sein Tiramisu nicht in eine rechteckige Form schichtete, sondern als eine Art runde Torte arrangierte.

Tiramisu in abgewandelter Version

Ein Blick in Kochbücher und auf Dessertbuffets zeigt, dass Tiramisu mittlerweile auch mit Beeren, Zitrusfrüchten oder Äpfeln zubereitet wird. Oder dass statt Löffelbiskuits Amaretti verwendet werden und das Dessert im Glas portioniert oder als ganze Torte (als wäre es eine Charlotte à la russe) aufgetürmt wird.

Etwas kaloriensparender ist Tiramisu, das mit Ricotta und aufgeschlagenem Rahm oder Vollrahmquark zubereitet wird. Das ist gut fürs hemmungslose Schlemmen, kommt aber in Sachen Konsistenz und Aroma nicht an den ultrarahmigen Mascarpone heran.

Das beste Tiramisu ist jenes, das man zu Hause für seine Liebsten zubereitet: mit besten Zutaten, grosszügig portioniert, kann es problemlos am Vorabend zubereitet werden und über Nacht ziehen. Wer will, mischt etwas Marsala, Amaretto oder Cointreau unter die Crème. Einen leicht moussierenden Effekt erhält, wer das Eiweiss mit einer Prise Zucker steif schlägt und es ebenfalls unter die Crème hebt.

Der Tiramisu-Vater «Loli», wie er von Freunden liebevoll genannt wurde, verstarb Ende Juli mit 81 Jahren. Passionierte Schleckmäuler erbieten ihm die Ehre, indem sie sein Originalrezept weiterhin ihren Gästen servieren.

Hier geht’s zum Originalrezept:

Exit mobile version