Kein Land hat mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre gepustet als die USA – auch wenn sich die Bilanz stark gebessert hat. Doch die Politik hat nur beschränkt Einfluss.
Wer den menschengemachten Klimawandel stoppen will, kommt an den USA nicht vorbei. Sie haben seit Beginn des Industriezeitalters von allen Ländern am meisten Kohlendioxid in die Atmosphäre geblasen. Ein Amerikaner verursacht im Schnitt noch immer fast doppelt so viele Emissionen wie ein Deutscher oder ein Chinese. Und weil es 335 Millionen Amerikaner gibt, fällt das global ins Gewicht.
Die gute Nachricht: Die USA haben ihren Ausstoss an Treibhausgasen in den vergangenen 15 Jahren deutlich verringern können. Ihren Höhepunkt erreichten die Emissionen 2007, vor der internationalen Finanzkrise.
Die schlechte Nachricht: Die Amerikaner pusten noch immer viel zu viel CO2 in die Atmosphäre und müssten mehr tun, um das Land auf einen Pfad zu bringen, der mit den Pariser Klimazielen vereinbar ist.
Nicht mehr ganz so schlecht wie früher
Ob die USA ihren Beitrag zu einer Netto-Null-Welt leisten werden, hängt langfristig stark von ökonomischen und technologischen Entwicklungen ab. Aber auch die Politik spielt eine wichtige Rolle.
Die amerikanische Klimapolitik ist stark vom Zweiparteiensystem des Landes geprägt. Viele Republikaner stehen staatlichen Klimaschutzmassnahmen skeptisch gegenüber, während die meisten Demokraten eine Reduktion der CO2-Emissionen zumindest als wichtiges Ziel erachten.
Der Präsident oder die Präsidentin gibt die Klima-Agenda vor, doch ohne Zustimmung aus Senat und Repräsentantenhaus haben grosse Würfe aus dem Weissen Haus keine Chance. Beatrice Tanjangco, die führende Klimaökonomin beim Beratungsunternehmen Oxford Economics, sagt, dass bei einem gespaltenen Kongress den Gliedstaaten und Städten eine wichtige Rolle zukomme: «Sie können aggressivere Klimagesetze einführen und damit anderen Gliedstaaten als Vorbild dienen.» Man sehe das etwa an Staaten wie Kalifornien, die striktere Regeln eingeführt hätten.
Bidens Beitrag: Subventionen und Steuererleichterungen
Die zentrale Klimamassnahme der Regierung Biden war die 2022 beschlossene Inflation Reduction Act (IRA). Das Gesetz sieht unter anderem 369 Milliarden Dollar für Subventionen und Steuererleichterungen vor, um die Nachfrage nach erneuerbarer Energie und den zugehörigen Technologien sowie deren Produktion in den USA zu fördern. Unterstützt werden etwa Batteriespeicher und die Solarindustrie, aber auch Wärmepumpen, Elektroautos sowie Wind- und Atomkraft.
Was die IRA bisher gebracht hat, lässt sich schwer quantifizieren. Beatrice Tanjangco verweist auf die Schwierigkeit, sich vorzustellen, wie es ohne das Gesetz gelaufen wäre. Fortschritte würden sich zudem erst mit Verzögerung einstellen: «Das Gesetz soll einen industriellen Wandel hervorbringen, das braucht seine Zeit.» Doch habe sich gezeigt, dass die produzierende Industrie in den USA von der IRA profitiert habe.
Weil dank IRA auch in republikanisch geprägten Regionen zahlreiche neue Jobs geschaffen wurden, ist die Chance gross, dass Donald Trump viele der Subventionen weiterfliessen lässt. «Wir rechnen nicht mehr mit einer vollständigen Rückabwicklung der Steuernachlässe, welche dem Energiesektor über die IRA gewährt wurden», sagt Tanjangco.
Trump dürfte an den Hilfen festhalten
«18 republikanische Kongressabgeordnete haben bereits bekräftigt, dass sie die Beibehaltung der Steuergutschriften befürworten, selbst wenn sich die Republikaner im November auf ganzer Linie durchsetzen sollten», so die Expertin. Diese Unterstützung innerhalb der Fraktion reiche bereits aus, um eine vollständige Abwicklung zu verhindern.
Der wichtigste klimapolitische Hebel für die USA ist die Stromproduktion, weil grüne Elektrizität auch für die Dekarbonisierung anderer Anwendungen gebraucht wird. Hierbei hat das Land gemäss Daten der Energy Information Administration in den vergangenen 20 Jahren grosse Fortschritte erzielt.
Laut Forschenden der Princeton-Universität und des Beratungsunternehmens Evolved Energy Research, die gemeinsam in einer Studie den Fortschritt der USA bei der Reduktion von Klimagasen verfolgen, dürften die Emissionen des Stromsektors auch weiter stark abnehmen.
Kohlestrom ist ein Auslaufmodell
Ohne neue Massnahmen sollen sie von 1700 Megatonnen Kohlendioxid pro Jahr auf 500 bis 600 Megatonnen fallen. Die Autoren plädieren aber dafür, die Elektrifizierung etwa des Transportwesens und der Gebäudetechnik zu forcieren. Selbst wenn die Emissionen aus der Stromproduktion in diesem Szenario «nur» halbiert würden, wäre der Nettoeffekt aus Klimasicht positiv, weil insgesamt weniger Benzin und Erdgas verbrannt würden.
Die bisherigen Fortschritte der USA sind darauf zurückzuführen, dass sie immer mehr sauberen Strom produzieren. Im Jahr 2001 stammten 51 Prozent der Elektrizität im Land aus Kohlekraftwerken, die enorm klimaschädlich sind. 2023 waren es nur noch 16 Prozent; der Trend ist stark sinkend. Jedes Jahr werden alte Kohlekraftwerke abgestellt, neue werden keine gebaut.
Kernenergie und Wasserkraft hielten ihren Anteil, werden aber kaum mehr ausgebaut. Sie tragen zusammen knapp einen Viertel der in den USA produzierten Elektrizität bei. Ein Sechstel des Stroms stammt inzwischen von Solar- und Windkraftwerken. Letztere ist in zahlreichen Gliedstaaten des Mittleren Westens, wo es oft windet und es Platz für moderne grosse Windanlagen gibt, inzwischen die wichtigste Stromquelle. Weil die Produktion so günstig ist, hat sich die Windkraft auch in republikanisch dominierten Staaten wie Iowa, Kansas oder South Dakota durchgesetzt.
Viele Gegenden sind wie geschaffen für Solarenergie
Der Boom der Solarenergie hat dagegen als Erstes in Kalifornien eingesetzt, wo sie politisch gefördert wurde. Der Golden State erzeugt inzwischen 28 Prozent seines Stroms mit Solarkraft. Mittlerweile spielt diese auch im Wüstenstaat Nevada oder sogar im Nordosten in Massachusetts eine wichtige Rolle.
Grosse Teile der USA sind für Solarkraft prädestiniert. Manche Gebiete in Arizona, Nevada oder Texas weisen eine Sonnenscheindauer von bis zu 4000 Stunden im Jahr auf, zwei- bis dreimal so viel wie in der Schweiz. Selbst in Boston scheint die Sonne öfter als in Rom oder Barcelona.
Ein Grossteil der Kohlekraftwerke wurde jedoch durch Gaskraftwerke ersetzt. Sie produzierten 2023 immerhin 42 Prozent der Elektrizität in den USA. Dank Fracking-Technologie waren zahlreiche neue Gasvorkommen erschlossen worden, was zu einer starken Produktionsausweitung und sinkenden Preisen führte.
Erdgas soll zur Überbrückung helfen
Die Klimawirkung der Gaskraftwerke hängt stark davon ab, welchen anderen Energieträger sie ersetzen. Mit Erdgas produzierter Strom verursacht pro Kilowattstunde etwas weniger als halb so viel CO2, als wenn Kohle als Brennstoff genutzt würde. Somit half das billige Erdgas den USA bisher dabei, die Treibhausgasemissionen zu senken.
Jetzt wird aber die Frage akut, ob die günstigen Gaskraftwerke nun auch die praktisch CO2-freie Kernkraft ersetzen, was die Klimabilanz der USA verschlechtern würde. Einige Atommeiler wurden bereits abgestellt, neue entstehen nur sehr wenige.
Die Stromproduktion ist ein gutes Beispiel dafür, dass Washington in der Klimapolitik nicht alles steuern kann. Im Wahlkampf 2016 hatte Donald Trump den Kohlearbeitern versprochen, dass er ihre Jobs sichern und die Kohleförderung erhöhen werde. Er hat 2018 sogar einen Kohle-Lobbyisten zum Chef der Umweltschutzbehörde EPA ernannt.
Und doch wurden während Trumps Präsidentschaft Dutzende Kohlekraftwerke geschlossen, weil sie gegen die günstigeren Gas-, Wind- und Solarkraftwerke nicht mehr bestehen konnten. Im jetzigen Wahlkampf erwähnt Trump die Minenarbeiter kaum mehr. Es ist klar: Selbst in einer zweiten Präsidentschaft Trumps, von der keine schärferen Luftreinhalteregeln zu erwarten wären, würde ein Grossteil der verbleibenden US-Kohlekraftwerke in wenigen Jahren verschwinden.
Elektroautos haben es schwer – aber die Hoffnung lebt
Viel Potenzial bietet die Dekarbonisierung des Verkehrs. Er ist in den USA für 28 Prozent des Treibhausgasausstosses verantwortlich, wenn man die Stromproduktion als eigenen Sektor betrachtet. Ein Grossteil davon ist dem privaten Autoverkehr zuzuschreiben.
Die USA verfügen ausserhalb der Grossstädte nur über wenig öffentlichen Verkehr, daher sind viele Amerikaner aufs Auto angewiesen. Sie fahren im Schnitt längere Distanzen als die Europäer und haben eine Vorliebe für schwere Benzinschlucker, die pro gefahrenem Kilometer im Schnitt deutlich mehr als 200 Gramm CO2 emittieren; in etwa doppelt so viel wie die in Europa gefahrenen Autos.
Die Hoffnungen ruhen deshalb darauf, dass die Amerikaner auf Elektroautos umsteigen, die wiederum grünen Strom verwenden. Tatsächlich sind Jahr für Jahr mehr E-Autos auf den Strassen unterwegs. Sie machen jedoch erst rund 8 Prozent der Neuregistrierungen aus.
Die hohen Kaufpreise schrecken weiterhin viele Käufer ab. Hinzu kamen jüngst Probleme bei zwei der grössten Hersteller im Land, Tesla und GM. Derzeit erleben Hybridfahrzeuge ihren zweiten Frühling. Es wird weitere Fortschritte bei der Ladeinfrastruktur und tiefere Preise brauchen, um eine Mehrheit der Amerikaner vom Kauf eines E-Autos zu überzeugen.
Etwas weniger im Fokus steht die Heizung und Kühlung von Wohn- und Bürogebäuden, die ebenfalls viel Energie verschlingt. Im kälteren Norden des Landes kommen oft Gasheizungen zum Einsatz, in Neuengland zudem Ölheizungen.
Im Land der Klimaanlage geht es langsam voran
Klimafreundliche Wärmepumpen verbreiten sich, denn im Süden sparen die Hauseigentümer damit Geld. Im Norden setzen sie sich durch, weil sie inzwischen auch in sehr kalten Regionen effizient betrieben werden können und weil demokratisch regierte Staaten wie New York oder Illinois den Wandel vorantreiben wollen. Der Umstieg geht aber nicht besonders schnell voran.
Laut den Forschenden von Princeton und Evolved Energy Research würden die USA ihr Emissionsziel, um bis 2050 auf netto null zu gelangen, mit den aktuellen Massnahmen noch immer deutlich verfehlen.
Dennoch werden die Präsidentschaftswahlen einen Einfluss auf die weitere Erderwärmung haben. Das liegt auch an der Vorbildwirkung der USA: Unterstützen sie den weltweiten Kampf gegen den Klimawandel, sind auch andere Regierungen eher bereit, politisches Kapital für unpopuläre Massnahmen wie den Verzicht von Subventionen auf Benzin einzusetzen.
Doch sollten sich die USA unter Präsident Trump aus der internationalen Klimapolitik zurückziehen, fänden auch Länder wie Brasilien, China oder Indien Gründe, keinen weiteren Beitrag zu leisten.