Freitag, Oktober 18

Lange waren sie fast unsichtbar, nun trägt man sie stolz spazieren: Warum das Accessoire aus den aktuellen Kollektionen für Männer und Frauen nicht wegzudenken ist.

Socken unterm Weihnachtsbaum? Galt lange als der Gipfel der Einfallslosigkeit. Heute könnte ein solches Geschenk durchaus für leuchtende Augen sorgen. Wenn es die richtigen Socken sind. Denn die Fussbekleidung hat in den letzten Jahren eine beachtliche Karriere hingelegt: von der wenig geliebten Notwendigkeit zum Must-have. Das alles begann eigentlich mit der Abwesenheit von Socken. Die Millennials, die Generation der zwischen 1980 und 1995 Geborenen, bevorzugten es, ihre Knöchel nackt zu zeigen. Die Hosen verkürzt, als wäre man schon lange herausgewachsen. Und im Sneaker verschämt ein Füssling, der fast nicht zu sehen war, aber Schweissfüsse und Fersenblasen wollte man schliesslich auch keine.

Dies war nicht nur als eine typisch jugendlich modische Unvernunft zu verstehen, mit der man Erwachsene provozieren konnte, die sich sorgten, so mangelhaft bekleidete junge Menschen könnten sich verkühlen. Es war auch eine Abkehr von einer Generation, die Socken als unabdingbar verstand – und gleichzeitig als Möglichkeit, sich abzugrenzen. Das galt vor allem für Männer.

Denn gerade im Business-Kontext wurde – und wird – das nackte Männerbein als absolute Zumutung empfunden. Bedeckt soll es sein, auch beim Sitzen, wenn die Hosenbeine hochrutschen. Deshalb geht ein klassischer Businessstrumpf bis zum Knie. Und deshalb gab es einst die Sockenhalter, die man ab und an in alten Filmen sieht. Diese waren der Tatsache geschuldet, dass auch gestrickte Stoffe früher nicht so dehnbar waren wie heute. Um ein Hinunterrutschen zu verhindern, mussten die Socken extra befestigt werden.

Mehrere hundert Franken für Socken

Gerade der typische Bürogummistrumpf wurde aber bald zur Spielwiese. Vergleichbar mit den spassigen Krawatten, mit denen man Väter eine Weile gerne beschenkte, tummelten sich darauf Donuts, Avocados und Comicfiguren wie die Simpsons. So konnte Mann seine Individualität zeigen, trotz seriöser Bürokluft. Auch eine anständige Frau hatte ihre nackten Beine nicht zu zeigen. Das ging so weit, dass man sich in der Nachkriegszeit Strumpfnähte hinten auf die Beine malte, um eine Nylonstrumpfhose vorzutäuschen. Denn diese waren nicht nur schwer zu bekommen, sondern auch für viele geradezu unerschwinglich.

Das gilt auch wieder für die aktuelle Sockenmode. Für Modelle von einer Luxusmarke kann man problemlos mehrere hundert Franken ausgeben. Dafür trägt man dann das Logo des Brands deutlich sichtbar. Ironischerweise sind solche Produkte trotz ihren hohen Preisen durchaus als Einsteigermodelle zu verstehen: Ein Pullover des gleichen Brands kostet gleich nochmals eine Null mehr. Gleichzeitig trägt man so eine gewisse Nonchalance spazieren: Ein Strumpf ist, egal wie teuer, ein Produkt, das häufig gewaschen wird und sich relativ schnell verschleisst. Optisch ist gerade vieles angesagt – ausser die im Schuh fast verschwindende Knöchelsocke. Denn auch die nächste Generation grenzt sich ab.

Ironie trifft Ugly Chic

Auf dem Videoportal Tiktok kursiert sogar die Theorie, man könne das Alter eines Menschen an seinen Socken ablesen. Kurze Socken: Millennial. Hohe Socken: Gen Z, also zwischen 1996 und 2012 Geborene. Und diese will ganz hoch hinaus: Brave Kniestrümpfe sind wieder en vogue, sie dürfen bestickt oder aufwendig gestrickt sein wie bei der ersten Kollektion von Alessandro Michele für Valentino. Gerne wird auch mit dem Verhältnis von Socken zu Schuhen gespielt. Sie kommen Ton in Ton daher, wie bei der aktuellen Kollektion von COS. Ab und an verwachsen sie sogar miteinander: Der «Atomic Boot» von Bottega Veneta ist eine warme Socke mit einer dünnen Sohle darunter.

Man trägt Wollsocken in Birkenstocksandalen oder labberige Modelle zu Schuhen im Ugly-Chic wie Crocs und Uggs und bezieht sich dabei ironisch auf den Look der extra nicht modeaffinen Ökos der 1980er und 1990er Jahre. Beliebt sind auch Sportsocken von Brands wie Miu Miu oder Lamarel mit deutlich sichtbarem Label. Es lohnt sich also, sich zu informieren, sollte man erwägen, Socken unter den Weihnachtsbaum zu legen. Nicht, dass es dann doch die falschen sind.

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