Mittwoch, Januar 15

Die alte Garde will den Rückzug von der Börse erzwingen – obwohl man sich bei der Strategie überraschend einig ist.

Besser spät als nie. Nach diesem Motto wollen drei Gründer einen der grössten Schweizer IT-Konzerne wieder auf Touren bringen: SoftwareOne aus Stans. Der Riese mit weltweit über 9000 Mitarbeitern ist in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt, denn er agiert hinter den Kulissen der IT von Unternehmen. Die Firma ist Wiederverkäufer von Software und der grösste sogenannte Reseller von Microsoft-Produkten. Höchstens unter Anlegern dürfte der Name ein Begriff sein: ‹vor allem wegen der schlechten Performance der Aktien.›

Kam der Börsengang zu früh?

Der Verkauf von Software ist nicht mehr so leicht, wie es das nach der Jahrhundertwende war. Oder wie Daniel von Stockar es im Gespräch formuliert: «SoftwareOne ist zu träge und risikoscheu geworden. Der Drive ist abhandengekommen.» Neben von Stockar, der Verwaltungsratspräsident werden möchte, sind René Gilli, der ebenfalls in das Präsidium einziehen will, und der Unternehmer Beat Curti an dem Aufstand beteiligt.

Die drei Gründer haben mit der Private-Equity-Gesellschaft Bain Capital zusammengespannt. Bains Ziel ist, SoftwareOne erst zu kaufen und dann von der Börse zu nehmen. 2023 erklärte Bain sein Interesse, doch der Verwaltungsrat von SoftwareOne wies den offerierten Preis von 18.80 Franken je Aktie zurück. Nun haben die Gründer eine ausserordentliche Generalversammlung angestrengt, um das Präsidium neu zu besetzen. Sie wird am 18. April stattfinden.

SoftwareOne geht auf eine Firma zurück, die Daniel von Stockar und der langjährige Geschäftsführer Patrick Winter im Jahr 2000 gegründet hatten (Winter verstarb unerwartet vor sechs Jahren). 2005 fusionierten sie mit einem Konkurrenzunternehmen von René Gilli. Später stiess der Unternehmer Beat Curti als Investor hinzu, der durch seine Engagements im Schweizer Medien- und Detailhandelssektor bekannt geworden war. Die vier Geschäftsleute holten sich 2015 die Private-Equity-Gesellschaft KKR ins Boot, um die weitere Expansion zu finanzieren. Die ging weltweit mit grossen Schritten voran.

Wie für Finanzinvestoren üblich, suchte KKR nach einigen Jahren den Ausstieg – und wählte dafür einen Börsengang. Doch es scheint, als sei dieser Schritt im Jahr 2019 aus Sicht der Gründer zu früh gekommen. Jedenfalls halten sie nun den Rückzug für angebracht: «Wir möchten, dass sich die Firma optimal entwickeln kann. Das ist derzeit in einem privaten Kontext besser möglich als an der Börse», sagt von Stockar. «Die Entwicklung braucht Weitblick. Das passt nicht zum Quartalsdenken des Finanzmarktes.»

Bescheidende Ziele: Wenigstens den Einsatz will man zurück

Am Markt ist SoftwareOne nicht belohnt worden. Der Kurs fiel Anfang 2022 unter den Ausgabepreis von 18 Franken und tat erst wieder einen Sprung auf dieses Niveau, als Bain Capital seine Offerte präsentierte. Zu diesem Preis sind die Gründer bereit, rund die Hälfte ihrer Anteile von derzeit insgesamt 29 Prozent an Bain zu verkaufen.

SoftwareOne kommt nicht zur Ruhe

Kursentwicklung seit dem Börsengang, in Prozent

Swiss-Performance-Index (SPI)

1

Investor KKR steigt ganz aus

2

Bain Capital und Gründer lancieren Angebot

3

Endgültige Ablehnung des Angebots zeichnet sich ab

4

Gründer fordern ausserordentliche Generalversammlung

Die Transaktion würde SoftwareOne mit rund 3 Milliarden Franken bewerten. Man darf allerdings erwarten, dass der mittlerweile 86-jährige Beat Curti seinen Anteil stärker reduzieren dürfte als von Stockar und Gilli, die sich im Verwaltungsrat einbringen wollen. Curti sucht keine aktive Beteiligung an der Unternehmensführung. Seine Anteile liegen bei einer Holding, die von seiner Frau geleitet wird.

Klappt der Aufstand, wäre es für Daniel von Stockar eine Rückkehr auf einen Posten, den er bereits von 2013 bis zum Frühjahr 2023 innehatte. Vor rund einem Jahr gab er den Vorsitz des Verwaltungsrats ab und trat wegen seiner Kooperation mit Bain Capital in den Ausstand. Gilli war bereits 2022 ausgeschieden.

Die Börse legt Unternehmern Fesseln an

Nach dem Börsengang hatten die Gründer offenbar die Freiräume vermisst, die sich bieten, wenn man keine Rücksicht auf die Märkte nehmen muss: «Als Unternehmer kann ich mit Risiken anders umgehen», sagt von Stockar.

Zu diesen Risiken gehört, andere Firmen zu kaufen, ohne dass der Kapitalmarkt den Sinn oder Zeitpunkt hinterfragt – so, wie er es in der Vergangenheit gelegentlich tat. Weil sich die Reseller-Branche ohnehin konsolidiert, will von Stockar auch verhindern, dass die Firma selbst zum Ziel einer Übernahme wird. Er möchte Ruhe: «SoftwareOne ist noch nicht fertig gebaut. Es braucht noch bis zu fünf Jahre», sagt der mittlerweile 62-Jährige.

Anders als man vermuten könnte, geht es dabei nicht um einen Strategiewechsel. Die grundsätzliche Transformation, in der SoftwareOne steckt, wird von niemandem bestritten. Der Weiterverkauf von Software ist zwar margenstärker, gerät aber immer mehr unter Druck. Grosse Anbieter wie Microsoft treten selbständig mit Firmenkunden in Kontakt, weil sie längst nicht nur Software, sondern auch Speicherplatz in der Cloud offerieren und einen direkten Zugang zu den Klienten haben.

SoftwareOne sieht Beratung als Türöffner

Geschäftszahlen nach Sparten für 2023, in Millionen Franken

Wiederverkauf (Marketplace)

Dienstleistungen (Services)

Also will SoftwareOne die eigenen Handelsbeziehungen zu den Kunden nutzen und nicht nur Software verkaufen, sondern Unternehmen beraten und Dienstleistungen offerieren – etwa beim anspruchsvollen Umzug von Firmendaten in die Cloud, der sich je nach Unternehmen über mehrere Jahre hinziehen kann. Dienstleistungen machten im vergangenen Jahr bereits 46 Prozent des Umsatzes von insgesamt 1 Milliarde Franken aus. Die Beratung ist zwar deutlich weniger profitabel als das angestammte Geschäft, dient aber als Türöffner.

Die Strategie ist unbestritten

SoftwareOne hat im Frühjahr 2023 mit Brian Duffy einen neuen CEO berufen, der vom Cloud-Geschäft von SAP kommt und die Transformation beschleunigen soll. Duffy präsentierte am Donnerstag eine «Vision 2026», wonach der Umsatz in Lokalwährung wieder um rund 15 Prozent wachsen soll. Vergangenes Jahr waren es 8 Prozent.

Möglich werden soll dies etwa durch mehr Zusammenarbeit mit grossen Cloud-Anbietern und durch die Nachfrage nach KI-getriebenen Angeboten, etwa dem «Copilot»-Assistenten von Microsoft für Office-Programme. Das Strategie-Update barg wenig Überraschendes – und der Aktienkurs reagierte kaum.

Obwohl über den grundsätzlichen Weg Einigkeit mit der Unternehmensleitung herrscht, glaubt Daniel von Stockar, dass der Umsturzversuch genug Aktionäre überzeugen wird. «Wir sind zuversichtlich, dass wir an der Generalversammlung eine Mehrheit für die Neubesetzung des Verwaltungsrats finden», sagt er. Neben ihm und René Gilli werden vier weitere Personen als neue unabhängige Mitglieder vorgeschlagen.

Dass mit Bain Capital am Ende ein ähnliches Szenario drohen könnte wie mit KKR, nämlich ein Ausstieg des Finanzinvestors mit unliebsamen Nebenwirkungen, beunruhigt von Stockar augenscheinlich nicht. Die Entwicklung von SoftwareOne, wie sie ihm vorschwebt, soll abgeschlossen sein, bevor sich für Bain die Frage eines Exits stellt.

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