Montag, September 30

Die linke Mehrheit im Zürcher Stadtparlament lehnt die Initiative «Tschüss Genderstern» ab. Nun entscheidet das Volk.

Wer grenzt hier wen aus? Und wer spaltet mit seinem Anliegen die Gesellschaft? Die Sprache ist zum Schlachtfeld der Befindlichkeiten geworden – in der Zürcher Politik spätestens im Juni 2022, als der Stadtrat ein neues Reglement über die sprachliche Gleichstellung beschloss.

Damals entschied die Stadtregierung, dass in behördlichen Texten fortan entweder der Genderstern oder geschlechtsneutrale Begriffe zu verwenden seien.

Die einen sagen, mit dem Genderstern werde der Verwaltung ein Korsett übergestülpt. Hartmuth Attenhofer, alt SP-Kantonsrat und ehemaliger Zürcher Statthalter, findet, es gehe nicht an, dass der Stadtrat den Mitarbeitenden der Stadtverwaltung vorschreibe, «wie sie schreiben, reden, denken sollen». Nun müsse man ein Zeichen setzen. «Sonst wird den Leuten bald vorgeschrieben, wie sie sich zu frisieren haben.»

«Freiheitskämpfer» auf beiden Seiten

Für Attenhofer ist dies der Grund, weshalb er sich für die Initiative «Tschüss Genderstern» einsetzt, die Susanne Brunner, Kantonsrätin und Co-Präsidentin der städtischen SVP, lanciert hat. Am Mittwoch debattierte das Stadtparlament darüber.

Nur: Auch die Gegner des Begehrens setzen sich als Freiheitskämpfer in Szene.

Die SP dreht den Spiess kurzerhand um und bezeichnet die SVP in einer Mitteilung vom Mittwoch als «Sprachpolizei», weil sie den Gebrauch des Gendersterns in der Verwaltung verbieten wolle.

In Wahrheit gehe es um Diskriminierung, so die SP. «Wer sich nicht anpasst, hat gemäss der SVP keinen Platz in der Gesellschaft.» Wobei anzumerken ist, dass die Initiative nicht von der SVP eingereicht wurde, sondern von einem überparteilichen Komitee.

In der Mitteilung der sozialdemokratischen Stadtpartei ist von einer breiten Allianz von politischen Parteien und Organisationen wie dem Zurich Pride Festival die Rede. Auch Kim de l’Horizon positioniere sich gegen die Initiative, werde aber nicht öffentlich in Erscheinung treten.

Das Zitat lautet wie folgt: «Ich fühle mich nicht sicher genug, in körperlicher Präsenz gegen diese Initiative aufzutreten.» Es gebe «von Individuen und Gruppierungen systematische Versuche, mich aus der öffentlichen Sphäre zu verdrängen». Deswegen stehe Kim de l’Horizon für weitere Anfragen nicht zur Verfügung.

In der Debatte am Mittwoch sind die Rollen so verteilt: SP, Grüne, AL und GLP – die Ratsmehrheit – stellen sich gegen die Initiative und hinter den Genderstern, SVP, FDP und Mitte/EVP sind für das Volksbegehren. «Ich verstehe nicht, was das Drama sein soll», sagt Ann-Catherine Nabholz (GLP). Es sei doch «so eine kleine Anpassung», damit die Sprache etwas weniger männerlastig sei und andere Teile der Gesellschaft sichtbar würden.

Nabholz sagt, sie sehe es als demokratische Pflicht des Staates an, dass sich jede Person angesprochen fühle. Ohnehin setzten Unternehmen den Genderstern und dergleichen längst ein, ob in der Werbung oder bei Stelleninseraten.

Prädikat: Faschistisch

Anna-­Béatrice Schmaltz (Grüne) sagt, es sollte eine absolute Selbstverständlichkeit sein, dass Sprache alle einschliesse. Die inklusive Sprache baue Stereotype ab. «Dass die FDP und die Mitte nicht zur queeren Community stehen können, ist mega schade.»

David Garcia Nuñez (AL) geht gar so weit, der Initiative mehr oder weniger unverhohlen das Prädikat faschistisch anzuheften. Dies mit Verweis auf die Debatte in den USA und starker Diskriminierung von Transmenschen in amerikanischen Bundesstaaten.

Stefan Urech (SVP) widerspricht. «Uns ist egal, was für ein Geschlecht Sie haben oder mit wem Sie schlafen. Aber wir haben etwas gegen Bildungseliten, die vorschreiben, wie die Leute zu reden haben.»

Und Përparim Avdili (FDP) sagt, es sei doch seltsam, wenn die Verwaltung die Bevölkerung nicht mit «Zürcherin und Zürcher» ansprechen dürfe. Eine Mehrheit der Leute lehne gemäss Umfragen den Genderstern ab. «Nicht, weil die Leute nicht hinter der Inklusion stehen. Sondern weil Inklusion nicht Aufgabe der Sprache ist», so Avdili.

Tatsächlich kommt der Genderstern in der Bevölkerung schlecht weg. Dies zeigte unter anderem eine repräsentativ gewichtete Umfrage des Forschungsinstituts GfS Bern im Auftrag der NZZ von 2023. Sympathien für dessen Verwendung in öffentlichen Dokumenten zeigten nur 27 Prozent. Selbst in den Städten waren es nur 28 Prozent.

Susanne Brunner, die Mutter der Initiative, sitzt am Mittwoch während der Ratsdebatte auf der Tribüne. Sie sagt: «Es war der Stadtrat, der die Sprache verpolitisiert hat, als er den Genderstern verordnet hat. Dabei wäre es seine Aufgabe, korrekt und verständlich mit der Bevölkerung zu kommunizieren.»

Falsch sei die Behauptung der Initiativgegner, dass sie gegen die sprachliche Gleichstellung gerichtet sei. Diese sei in der Stadt Zürich längst verankert. Brunner verweist auf den Initiativtext. Dort ist von «klarer, verständlicher und lesbarer» Sprache der Behörden die Rede. Diese solle auf Sonderzeichen verzichten.

Das Zeichen, über das so heftig diskutiert wird, hat eine bewegte Geschichte. Der «asterískos», so der altgriechische Name für einen kleinen Stern, geht als editorisches Zeichen auf die Bibliothek von Alexandria zurück.

In der ersten Programmiersprache, die in den 1950er Jahren entstand, fand das Sternchen Verwendung. In vielen Programmen dient es bis heute als Platzhalter. Aus diesem IT-Kosmos ist das Sternchen in den heutigen Sprachgebrauch eingedrungen.

Noch zu Beginn der nuller Jahre war der Asterisk jedoch selbst innerhalb der Trans-Community noch nicht gebräuchlich. Andere Formen wie der Unterstrich waren en vogue. Erst vor rund einem Jahrzehnt hat sich der Gebrauch verfestigt.

Ob er sich in der Stadt Zürich halten wird, ist offen. Im Stadtparlament setzt sich die linke Ratsmehrheit mit 68 zu 44 Stimmen durch. Letztlich entscheiden die Stimmberechtigten an der Urne – voraussichtlich bereits in diesem Herbst.

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