Montag, Oktober 7

Im konservativen Nordwesten im Gliedstaat Georgia steht eine der grössten Solarpanel-Fabriken der USA – dank Bidens Steueranreizen. Kamala Harris besuchte das Vorzeigeprojekt bereits. Allerdings hat auch Trump seinen Anteil am Erfolg.

Die Kleinstadt Dalton im Südstaat Georgia war bisher für zwei Dinge bekannt: für ihre vielen Teppichfabriken und für ihre rechtskonservative Kongressabgeordnete. Die 35 000-Seelen-Gemeinde gehört zum Wahlkreis von Marjorie Taylor Greene. Die Republikanerin verehrt Donald Trump, verharmlost Wladimir Putin und bezeichnet den menschengemachten Klimawandel als «Schwindel».

Doch ausgerechnet hier – 145 Kilometer nordwestlich von Atlanta – baute die südkoreanische Firma QCells in den vergangenen Jahren die grösste Solarpanel-Fabrik der USA. Ihre beiden Produktionshallen liegen in einem Industriepark etwas ausserhalb der Stadt. Die erste entstand noch in der Amtszeit von Präsident Donald Trump und nahm 2019 ihren Betrieb auf. Unter Präsident Joe Biden verdoppelte QCells aber nicht nur seine Belegschaft in Dalton auf knapp 2000 Angestellte, sondern baute auch eine weitere Fabrik in Cartersville – unweit von Atlanta. Dort fügen die Koreaner nicht mehr nur die Panels zusammen, sondern produzieren auch die Solarzellen dafür.

Eine Fabrik, die Leben verändert

Bidens Klimapolitik spielte dabei eine entscheidende Rolle. Im August 2022 verabschiedeten die Demokraten im Kongress ohne die Hilfe der Republikaner die sogenannte «Inflation Reduction Act» (IRA). Das Gesetz enthält Fördermassnahmen für den Klimaschutz im Wert von knapp 400 Milliarden Dollar in den folgenden zehn Jahren. «Die Expansion in Dalton und die Investition in Cartersville wären ohne die IRA nicht möglich gewesen», erklärt Marta Stoepker, Pressesprecherin bei QCells. Das «Schlüsselelement» sei dabei eine Steuervergünstigung für jedes in Amerika produzierte und verkaufte Solarpanel gewesen.

Für Robert Howey bedeutete die neue Fabrik in Dalton auch ein neues Leben. Seine Mutter habe ihm bereits als Kind gesagt: «Wenn du hier nicht rauskommst, wirst du in der Teppichindustrie oder in einem Restaurant arbeiten», erzählt der 31-jährige QCells-Mitarbeiter. Die Worte seiner Mutter nahm er sich zu Herzen. Howey ging zunächst zum Militär. Über drei Jahre war er für die Navy in Japan stationiert. «Aber dann kriegte ich Heimweh.»

Es kam, wie es kommen musste. Howey fand eine Stelle in der Teppichindustrie. Die Branche ist trotz einer tiefen Krise nach 2008 immer noch der wichtigste Arbeitgeber in und um Dalton. Allein die drei grössten Firmen beschäftigen rund 15 000 Angestellte. Aber in den Teppichbetrieben seien die Fabrikhallen nicht klimatisiert: «Es ist heiss im Sommer und kalt im Winter», erzählt Howey. Als «Creeler» musste er die leeren Garnspulen durch volle ersetzen und ihre Fäden miteinander verschweissen. Sein Lohn habe gerade so gereicht, um die Rechnungen zu bezahlen. «Es ist kein wirkliches Leben, wenn du nur dafür kämpfst, genügend Essen auf den Tisch zu bringen.»

Als Howey vor fünf Jahren zu QCells wechselte, begann er als einfacher Arbeiter an den weitgehend automatisierten Maschinen. Heute koordiniert er die Ausbildung neuer Mitarbeiter. Im Vergleich zur Teppichindustrie ist für ihn nicht nur die klimatisierte Fabrik ein Vorteil: «Mein Lohn hat sich verdreifacht», erzählt Howey. Jetzt habe er etwas Luft, um das Leben mit seiner Familie zu geniessen. Zudem identifiziere er sich mit der Mission des Unternehmens, für saubere Energie zu sorgen. «Ich sehe die Welt in einem grösseren Zusammenhang.»

QCells wolle zu einem Umdenken in der Gesellschaft beitragen, sagt Lisa Nash. Sie ist für die Personalführung zuständig. Seit den achtziger Jahren hätten die Amerikaner ihren Kindern erzählt, dass sie im Leben nur mit einem Universitätsdiplom eine Chance hätten. Dies gelte es zu ändern. Eine Ausbildung in der Fertigungsindustrie sollte wieder als «erste Wahl» gesehen werden, meint Nash. Howey und andere ihrer Mitarbeiter würden diese Woche deshalb an einem Camp für Oberstufenschüler teilnehmen. «Sie bauen mit ihnen kleine Solarautos und lassen sie damit ein Rennen fahren.»

«Ich lehre den Schülern eigentlich das Gegenteil von dem, was meine Mutter mir sagte», erklärt Howey. Anstatt sie zur Abwanderung zu ermutigen, könne er ihnen nun sagen: «Es gibt eine grossartige Chance nicht weit die Strasse runter hier in Dalton.»

Republikanische Gliedstaaten profitieren mehr

Kein Wunder, ist die Fabrik in der konservativen Trump-Hochburg für die demokratische Regierung in Washington zu einem Vorzeigeprojekt für ihre Wirtschaftspolitik geworden. Im April war die Vizepräsidentin und Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris in Dalton zu Besuch. Sie kündigte dabei eine neue Bestellung von 2,5 Millionen Panels für den Bau neuer Solarkraftwerke in verschiedenen Gliedstaaten an. «Diese Bestellung wurde durch unsere Investitionen möglich, um die amerikanische Fertigungsindustrie zu erweitern und die Nachfrage nach sauberer Energie zu erhöhen», meinte Harris.

Die Expansion in Dalton sei eines der grössten von über 60 Investitionsprojekten für die amerikanische Solarindustrie, erklärte Präsident Biden seinerseits vor einem Jahr. «Ihr könnt es vermutlich kaum glauben, aber dies ist der Wahlkreis von Marjorie Taylor Greene», sagte er mit einem Grinsen. Greene stimmte nicht nur gegen den IRA, sie möchte die darin enthaltenen Steuervergünstigungen auch rückgängig machen. Trotzdem bezeichnete sie die neuen QCells-Fabriken in Georgia als «phantastisch». «Ich liebe alle Energiequellen.»

Sein Klimagesetz besitze transformative Kräfte, stellte Biden fest. «Alle diese Kongressmitglieder, die dagegenstimmten, merken plötzlich, wie grossartig es ist.» Tatsächlich profitieren konservative Gliedstaaten bis jetzt mehr als demokratische Regionen von den staatlichen Förderprogrammen für saubere Energien. Dies sei kein Problem, meint Biden in seiner Rede zur Lage der Nation im vergangenen Jahr. «Ich habe versprochen, der Präsident aller Amerikaner zu sein.»

Nicht alle Einwohner in Dalton sind jedoch glücklich mit Washingtons Wirtschaftspolitik. «QCells ist doch in erster Linie wegen der Zölle hier», meint der frühere Bürgermeister David Pennington bei einem Mittagessen in einem lokalen Restaurant. Der 71-Jährige spielt auf die Einfuhrgebühren an, die Donald Trump 2018 auf ausländische Waschmaschinen und Solarpanels verhängte. Die Strafzölle seien für die Konsumenten nichts anderes als eine Steuer, erklärt Pennington, dessen Familie seit mehreren Generationen ein Versicherungsgeschäft in Dalton betreibt.

Auch die staatlichen Förderprogramme sind Pennington ein Graus. «Ein Grund, warum unsere Wirtschaft in den vergangenen Jahren wuchs, sind die riesigen Staatsausgaben. Das ist künstlich», sagt der selbsterklärte «small government conservative». Von seiner Sorte gebe es heute kaum noch Vertreter in der amerikanischen Politik – auch bei den Republikanern nicht. Niemand spreche mehr darüber, wie die USA ihre Staatsschulden in den Griff kriegen könnten. Dabei verstehe kein gewählter Politiker mehr von der Wirtschaft als der Markt. «Das Einzige, was sie tun, ist, den Wettbewerb zu verzerren und zu zerstören», meint Pennington überzeugt.

Ruf nach neuen Schutzzöllen

Tatsächlich gibt es in den USA bereits Zeichen eines Überangebots. «In den amerikanischen Lagerhäusern befinden sich derzeit Solarpanels, die den Bedarf für fast zwei Jahre decken», erklärt die QCells-Sprecherin Stoepker. «Das ist viel.» Allein im vergangenen Jahr seien die Preise für die Panels um 50 Prozent gesunken. Der Hauptgrund dafür seien grosse Importmengen an «künstlich verbilligten» Solarpanels, meint Stoepker. Das erschwere die Situation für inländische Produzenten: «Wir sorgen uns um unsere Konkurrenzfähigkeit.»

Im April haben die sieben grössten Solarpanel-Hersteller deshalb eine Antidumping-Beschwerde beim Handelsministerium in Washington eingereicht. Sie werfen chinesischen Unternehmen vor, ihre Produktion nach Kambodscha, Malaysia, Thailand und Vietnam verlegt zu haben, um die bestehenden amerikanischen Zölle gegen Peking zu umgehen. Neue Investitionen in Fabriken würden in den USA deswegen bereits aufgeschoben, sagt Suzi Emmerling, eine Sprecherin der beschwerdeführenden Herstellerfirmen. Die amerikanischen Handelsgesetze müssten deshalb gegen die «illegal subventionierten» Importe angewendet werden. Im Klartext würde dies wohl neue Strafzölle gegen die Einfuhren aus Südostasien bedeuten. Über 80 Prozent der in die USA importierten Solarpanels und Solarzellen stammen heute von dort.

Die ursprünglich von Trump verhängten Importzölle und die von Biden gewährten Steuervergünstigungen scheinen noch nicht auszureichen, um die heimische Produktion zu schützen. Trotzdem verteidigt Georgias Minister für Wirtschaftsentwicklung, Pat Wilson, vor allem die von Trump eingeführten Zölle: «Natürlich glauben wir an den Freihandel. Aber noch mehr glauben wir an fairen Handel», betont Wilson im Gespräch. Es brauche für alle gleich lange Spiesse.

Georgia sei in den USA einer der Pioniere in der Herstellung von Solarpanels gewesen, erzählt Wilson. Die Firma Suniva – ein Spin-off der technischen Hochschule in Atlanta – sei nach 2008 zu einem grossen Produzenten aufgestiegen. Doch mit den chinesischen Importen habe sie nicht mithalten können und sei in Konkurs gegangen. Trumps Zölle hätten die Wende gebracht. Hersteller wie QCells begannen Fabriken in Amerika zu bauen. Bidens Fördergesetz habe diesen Prozess einfach beschleunigt: «Der IRA hat Benzin ins Feuer gegossen.»

Die Südstaaten werden zum «Battery Belt»

Wilson will den Erfolg in Georgia aber auch auf die eigene Standortpolitik zurückführen. Sein republikanisch regierter Gliedstaat sei gut geführt, betont er. Je mehr Arbeitsplätze eine Firma schafft, desto grösser sind die Steuervergünstigungen. Zudem: «Wir stellen sicher, dass ein Unternehmen schneller als in jedem anderen Gliedstaat produzieren kann.» Dazu gehört etwa die Hilfe bei der Suche eines Grundstücks, bei den Bewilligungen und bei der Schulung des Personals. «Mit dem Programm Quick Start bilden wir die Mitarbeiter aus, während die Fabrik gebaut wird», erklärt Wilson.

Auch QCells profitierte von dem Programm. Die Personalchefin Lisa Nash meint: «Ich glaube, es gibt keinen Gliedstaat in den USA, in dem das Büro des Gouverneurs so aggressiv vorgeht, um Stellen zu schaffen und zu erhalten.» Während Trump gegen Bidens grüne Förderungspolitik wettert und bei seiner Wiederwahl ein goldenes Erdölzeitalter verspricht, verfolgt der republikanische Gouverneur von Georgia ein anderes Ziel. Brian Kemp will seinen Gliedstaat zur «Weltkapitale der Elektromobilität» machen.

Neben QCells haben sich auch andere Zweige der grünen Wirtschaft in Georgia niedergelassen. Hyundai baut derzeit eine Fabrik für Elektroautos, KIA fertigte im Juni seine ersten Elektroautos in Georgia. Derweil wird LG die Batterien für Hyundai ebenfalls vor Ort herstellen. Bereits 2019 nahm die südkoreanische SK Battery ihren Betrieb auf. Gleichzeitig befindet sich die Fabrik der norwegischen Freyr Battery südwestlich von Atlanta im Bau. Der Boom, der sich auch über andere konservative Südstaaten von Tennessee bis North Carolina erstreckt, hat der Region bereits den Übernamen «Battery Belt» (Batterie-Gürtel) eingebracht.

Diese grossen Investitionen in konservativen Gliedstaaten und ländlichen Gebieten wie jene von QCells in Dalton könnten für das Überleben des IRA vielleicht entscheidend sein, sollte Trump die Wahl im Herbst gewinnen. So schrieb etwa «Politico» im vergangenen Jahr: «Dalton – und ähnliche Regionen im ganzen Land – könnten die politische Versicherung für das Klimagesetz sein.»

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