Sonntag, September 29

Seine Rollen wählt er mit Freude an der Grenzübertretung aus. Kein Hollywoodstar wollte das Sadomaso-Erotik-Drama «Basic Instinct» machen, er liess sich darauf ein. Eine Würdigung zum 80. Geburtstag.

Michael Douglas war nie ein junger Hoffnungsträger des Films, der schnell verbrannte und in der Versenkung verschwand. Im Gegenteil. Als Schauspieler fand er sich spät, schrieb sich dafür aber umso nachhaltiger in die Filmgeschichte ein, als einer der grossen Charakterdarsteller des amerikanischen Kinos.

Seine Karriere begann zäh, begleitet von beruflichen Rückschlägen und einem komplizierten Privatleben, einer unglücklichen Ehe und etlichen Affären. Von 1972 bis 1977 jagte er in «The Streets of San Francisco» fünf Staffeln lang an der Seite von Karl Malden Verbrecher. Damals war das Fernsehen bestenfalls ein Plan B für ehrgeizige Schauspieler, da half auch der grosse Erfolg der Serie nichts. In den achtziger Jahren nahm Michael Douglas’ Kinolaufbahn Fahrt auf mit dem von ihm produzierten Film «Romancing the Stone» (1984).

Zum Superstar wurde er erst mit über vierzig in dem Stalker-Drama «Fatal Attraction» (1987). Da spielt er einen verheirateten Mann, dessen One-Night-Stand mit einer Psychopathin (Glenn Close) sein Leben und das seiner Familie in Gefahr bringt. Berühmt wurde nicht zuletzt eine Szene, in der das Kaninchen der Kinder den Terror der verschmähten Geliebten nicht überlebt. Aus feministischer Sicht wurde die Produktion heftig debattiert, und Michael Douglas hatte sich in den Fokus der Debatte gespielt.

Dabei positionierte er sich als unvollkommener Mann mit ausgeprägten Schattenseiten – dessen Spiel man trotzdem gespannt folgt. Weil er sich seiner Makel sehr genau bewusst ist und entweder darunter leidet oder sie ausspielt. In den Folgejahren sollte Douglas den Typ des scheiternden Mannes in verschiedenen Ausprägungen variieren und vertiefen – als mephistophelischer Macher («Wall Street», 1987), fehlbarer Ehemann («The War of the Roses», 1989), braver Bürger im Amoklauf («Falling Down», 1993) und als Schriftsteller mit Schreibblockade («Wonderboys», 2000). Dabei machte er es seinem Publikum nie leicht: Sollte man ihn lieben, hassen oder bedauern?

Opfer der eigenen Libido

Mit grosser Präzision schreitet dieser Kopf- und Nervenschauspieler die Grauzonen seiner Figuren aus. Seine Rollen wählt er oft mit erkennbarer Freude an der Grenzübertretung des guten Geschmacks oder bestimmter Normen aus. Der Part in «Basic Instinct» (1992) war einer langen Reihe von Hollywoodstars angeboten worden, von Tom Cruise bis Denzel Washington, die alle abgelehnt hatten. Douglas liess sich auf das Sadomaso-Erotik-Drama ein, in dem er wieder den selbstbesessenen Mann am Abgrund gab, der ein Opfer seiner eigenen Libido und Leichtfertigkeit wurde: Es sollte einer der berühmtesten und seiner erotischen Freizügigkeit wegen meist diskutierten Filme seiner Karriere werden.

Douglas war besonders gut, wenn er sich gegen starke Frauenfiguren behaupten musste, wie sie Sharon Stone, Kathleen Turner oder Glenn Close verkörperten. Ein spätes Meisterstück differenzierter Charaktergestaltung lieferte er als manipulativer, einsamer, bösartiger Star in «Behind the Candelabra» (2013). In der Rolle des Liberace ist er zu schillernd, zu scharfsinnig und zu bissig, um sich für das Etikett des traurigen Monsters zu qualifizieren. Aber er kommt ihm sehr nah.

Richard Attenborough, der Michael Douglas mit der Hauptrolle in «The Chorus Line» (1985) betraut hatte, sprach über das Charisma seines Darstellers, der bei Nahaufnahmen «so filigran» wirke wie ein Bild mit Aquarellfarben: «Doch dahinter spürt man, wie bei allen grossen Stars, die Explosivität, die sich jeden Augenblick entladen kann.» Diese Art von Strahlkraft schaltete Douglas vor allem dann ein, wenn er Männer mit Macht spielte, den US-Präsidenten in «The American President» (1995) oder den aasigen Finanzjongleur Gordon Gekko, der nach «Wall Street» zur Symbolfigur einer ganzen Epoche wurde. Verkürzte Zitate aus dem Film – «Gier ist gut» – wanderten in die Alltagskultur.

Nicht zufällig hatten Michael Douglas’ Filme immer wieder politische Implikationen. Seine engagierte Zeitgenossenschaft äusserte sich in dem von ihm produzierten Dokumentarfilm «Direct Order» (2003) über ein geheimes Experiment der US-Army während des Golfkriegs, bei dem Soldaten ohne ihr Wissen Anthrax-Erreger injiziert wurden, um einen Impfstoff gegen Milzbrand zu entwickeln.

Zuerst war er Produzent

Lange bevor sich eine signifikante Karriere vor der Kamera abzuzeichnen begann, hatte er einige der einflussreichsten Kinowerke der siebziger Jahre produziert, die nicht vor sperrigen Themen zurückschreckten. «One Flew Over the Cuckoo’s Nest» (1975) führt in eine psychiatrische Klinik – gedreht wurde an einem Originalschauplatz – und bebildert die Machtverhältnisse zwischen Patienten und medizinischem Personal. Der Film, dessen Rechte sich ursprünglich Michaels Vater Kirk gesichert hatte, wurde mit fünf Oscars prämiert, darunter als bester Film seines Jahrgangs. Douglas’ enger Freund Jack Nicholson erhielt die Trophäe für die beste Hauptrolle.

Er selbst spielte nicht mit, ebenso wenig wie in «The China Syndrome» (1979), in dem es um die Katastrophe eines defekten Kernreaktors geht. Kurze Zeit nachdem das Werk damals in die Kinos kam, ereignete sich ein schwerer Reaktorunfall in Harrisburg, Pennsylvania. Die Koinzidenz verhalf dem Film zu einer sensationellen, wenn auch makabren Publicity. Douglas’ Arbeit als Produzent – in den neunziger Jahren war er einer der mächtigsten in Hollywood – blieb weitgehend unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung, zumal er nur gelegentlich selbst in den von ihm produzierten Filmen auftrat.

«Grund für meine Karriere als Produzent war nur meine Unfähigkeit, Rollen als Schauspieler zu erhalten», erklärte Douglas einmal. Man hätte glauben können, dass ihm als Sohn eines der grossen Hollywoodstars des goldenen Zeitalters, Kirk Douglas, die Türen der Traumfabrik von Anfang an offengestanden hätten. Doch die Belastung, Kind eines berühmten Vaters zu sein, wog schwer und war für ihn ein Lebensthema: «Es ist ein Minenfeld, angefüllt mit Katastrophen, zerbrochenen Karrieren und Selbstzerstörung.»

Das schwierige Verhältnis zum Vater

Kirk Douglas, der sich als Star und Mitproduzent von «Spartacus» (1960) in die Filmgeschichte eingeschrieben hatte, lebte für seine Karriere und hielt seine Söhne innerlich auf Distanz. «Wenn ich gewusst hätte, was für ein grosser Zampano Michael eines Tages werden würde, wäre ich in seiner Kindheit und Jugend netter zu ihm gewesen», scherzte Kirk Douglas spät in seinem langen Leben – er starb 2020 mit 103 Jahren. Nicht alle Kinder von Kirk Douglas, dem jüdischen Sohn russischer Einwanderer, besassen Michaels Talent und Glück. Sein Halbbruder Eric versuchte sich erfolglos als Schauspieler. Er starb vor zwanzig Jahren an einer akuten Vergiftung durch Alkohol, Beruhigungs- und Schmerzmittel.

Die zweite Lebenshälfte liess sich für Michael Douglas gut an, für das Altern schien er Talent zu besitzen. Aus einer Ehe mit der Schauspielkollegin Catherine Zeta-Jones gingen zwei Kinder hervor, und er machte Erziehungsfehler gut, die er in der ersten Ehe begangen hatte. Unterdessen verbüsste sein Sohn aus erster Ehe aufgrund schwerwiegender Drogendelikte jahrelange Gefängnisstrafen, bis er schliesslich clean wurde und sich Bilder des Vaters und Grossvaters auf den Bauch tätowieren liess.

2010 wurde bei Michael Douglas eine Krebserkrankung im vierten Stadium diagnostiziert. Nach einer schwierigen Genesung trat er in der Rolle eines querulantischen Schauspiellehrers an der Seite von Alan Arkin in der Serie «The Kominsky Method» (2018–21) wieder vor die Kamera und zeigte noch einmal, wie mutig und schonungslos er die B-Seiten menschlicher Existenz auf die Leinwand bringen – und wie brillant er unangenehm sein kann.

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