Montag, November 4

Die Wirtschaftskommission des Nationalrats hat sich diese Woche ohne Gegenstimme für eine Verfassungsänderung zur Besteuerung von Ferienwohnungen ausgesprochen. Dies soll die Kantone besänftigen, welche die Abschaffung des Eigenmietwerts bisher ablehnten.

Die Besteuerung des Eigenmietwerts auf selbst bewohnten Liegenschaften gehört seit Jahrzehnten zum Inventar der Kontroversen in der Bundespolitik. Diese Besteuerung ist bei Betroffenen unbeliebt. Die Abschaffung wird immer wieder gefordert, doch eine mehrheitsfähige Variante gab es bisher nicht. Zuletzt haben sich beide Kammern des Bundesparlaments für die Abschaffung ausgesprochen, aber die vorgeschlagenen Modelle unterscheiden sich in zentralen Punkten.

Ein Kernunterschied: Der Nationalrat will den Eigenmietwert für Erst- und Zweitwohnungen abschaffen (Beschluss vom Juni 2023), der Ständerat will die Abschaffung auf Erstwohnungen beschränken (Dezember 2023). Die Beschränkung auf Erstwohnungen soll Steuereinbussen vor allem für Tourismuskantone vermeiden und die grundsätzlich reformskeptische Haltung der Kantone aufweichen. Kritiker bezeichnen dieses Modell jedoch als administrativ aufwendig, als Einladung zur Steueroptimierung und als verfassungsrechtlich zweifelhaft wegen der unterschiedlichen Behandlung von Erst- und Zweitwohnungen.

Ohne Gegenstimme

Das Geschäft kommt diesen Herbst wieder in den Nationalrat. Dessen Wirtschaftskommission hat nun den Boden bereitet, um den kritischen Kantonen entgegenzukommen. Mit 25 zu 0 Stimmen sprach sich die Kommission diese Woche für eine Änderung der Bundesverfassung aus, die eine Rechtsgrundlage für die Einführung einer «Objektsteuer» auf überwiegend selbst genutzten Zweitliegenschaften schafft. Diese Sondersteuer könnte in der Höhe deutlich über die jetzt schon zulässige Liegenschaftssteuer hinausgehen.

Das soll den betroffenen Kantonen die Chance geben, Einbussen aus der Abschaffung des Eigenmietwerts zu kompensieren. Reformer mutmassen, dass eine Referendumsabstimmung über die Abschaffung des Eigenmietwerts gegen den Widerstand der grundsätzlich skeptischen Linken und der Kantone eine schwer überwindbare Hürde wäre.

Ob die Aussicht auf die Möglichkeit einer Sondersteuer auf Zweitwohnungen die Kantone genügend besänftigen wird, ist aber zweifelhaft. Die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren (FDK) hatte in ihrer Stellungnahme von diesem Frühjahr betont, dass eine Mehrheit «keinen Handlungsbedarf bei der Wohneigentumsbesteuerung» sehe: «Die Eigenmietwertbesteuerung ist verfassungsrechtlich, ökonomisch und steuersystematisch gerechtfertigt.»

Die vorgeschlagene Verfassungsgrundlage zur Einführung einer Sondersteuer auf Zweitliegenschaften bezeichnete die FDK zwar in der Grundstossrichtung als «nachvollziehbar». Doch es sei ungewiss, ob dadurch die Berg- und Tourismuskantone ihre finanziellen Einbussen bei einer Abschaffung des Eigenmietwerts kompensieren könnten. Die FDK ortet zudem für die Umsetzung einer Sondersteuer Probleme der Abgrenzung zwischen Erstliegenschaften und überwiegend selbst genutzten Zweitliegenschaften.

Schuldzinsen als Knackpunkt

Das Gesetzesprojekt zur Abschaffung des Eigenmietwerts hat die Nationalratskommission noch nicht bereinigt. Das soll im August geschehen, so dass diese Vorlage zusammen mit der Verfassungsgrundlage zur Sondersteuer auf Zweitliegenschaften im Herbst in den Nationalrat kommt. Vorgesehen ist, dass mit dem Eigenmietwert auf Erst- und Zweitwohnungen auch der Steuerabzug für Liegenschaftenunterhalt verschwinden soll. Der grosse Knackpunkt ist aber noch der Schuldzinsabzug.

Zurzeit sind Schuldzinsen abzugsfähig bis zum Total der steuerbaren Vermögenserträge plus 50 000 Franken. Der Nationalrat hatte sich im Juni 2023 für eine Begrenzung des Schuldzinsabzugs auf 40 Prozent der steuerbaren Vermögenserträge ausgesprochen, der Ständerat beschloss im Dezember eine Begrenzung auf 70 Prozent. Beide Kammern befürworten zudem einen Sonderabzug auf Schuldzinsen für Ersterwerber während zehn Jahren.

Ob der Nationalrat an der Begrenzung auf 40 Prozent festhält, hängt vor allem von der Haltung der Mitte ab. Laut dem Luzerner Mitte-Nationalrat Leo Müller ist diese Haltung zurzeit noch offen. Die Differenz zwischen 40 und 70 Prozent macht bei einem durchschnittlichen Niveau der Hypothekarzinsen von 2 bis 3 Prozent einige hundert Millionen Franken pro Jahr aus.

Die finanziellen Folgen der Vorlage spielen politisch eine zentrale Rolle. Vieles liegt im Auge des Betrachters: Was Bürgerliche vor allem als finanzielle Entlastung von Steuerpflichtigen sehen, werten Linke als Einbussen für den Fiskus. Die Folgen hängen überdies stark vom Niveau der Schuldzinsen ab: Je tiefer das Zinsniveau liegt, desto eher bringt die Reform eine Entlastung für die betroffenen Steuerpflichtigen und eine Einbusse für den Fiskus – weil bei tiefen Zinsen die Reduktion des Schuldzinsabzugs weniger ins Gewicht fällt.

Laut grober Bundesschätzung wäre die Vorlage des Nationalrats vom Juni 2023 bei einem durchschnittlichen Hypothekarzinsniveau von 3,2 Prozent ohne Verhaltensänderung der Steuerpflichtigen etwa aufkommensneutral. Ist das Zinsniveau einen Prozentpunkt tiefer, wäre mit Einbussen für den Fiskus von über einer Milliarde Franken pro Jahr zu rechnen; davon ginge etwa ein Viertel zulasten des Bundes und der Rest zulasten der Kantone.

Zurzeit liegt der durchschnittliche Zinssatz für 5- und 10-jährige Festhypotheken etwas über 2 Prozent. Das deutet auf erhebliche Einbussen des Fiskus durch die geplante Reform. Denn solche Marktzinsen lassen sich als Prognose zu den künftigen Durchschnittszinsen interpretieren. Die Realität wird zwar fast sicher davon abweichen – aber es ist offen, in welche Richtung.

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