Dienstag, Januar 21

Wichtige Sektoren wie Pharma, Maschinenbau, Uhren und Nahrungsmittel gelten als verletzbar durch amerikanische Importzölle. Welche Firmen betroffen wären, welche nicht – und was das für Anleger bedeutet.

60 Prozent Strafzölle auf chinesische Importe, 10 Prozent oder 20 Prozent auf alle Importe, 25 Prozent auf Importe aus Mexiko und Kanada oder doch schrittweise monatliche Zollerhöhungen: «Keiner weiss, was Donald Trump unter dem Vorwand einer ‹Krisensituation› per Dekret an Handelsmassnahmen geplant hat», kommentiert Alexander Koch, Leiter Makro-Research bei Raiffeisen Schweiz. «Er wohl auch nicht wirklich.»

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Nach dem Wahlsieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November hatten viele Börsianer zunächst gejubelt. Vor allem am amerikanischen Aktienmarkt stiegen die Kurse.

Als Trumps Republikanische Partei aber auch die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus gewann, machte sich bei den Investoren in Europa Beunruhigung breit. «Es stiegen die Sorgen darüber, dass Trump seine im Wahlkampf verkündeten Importzölle auf chinesische und europäische Waren nun einfacher durch den amerikanischen Kongress bringen könnte», sagt Marc Hänni, Chef des Schweizer Aktien-Teams bei Vontobel.

USA als wichtigster Exportmarkt für Schweizer Firmen

Im Anschluss an das Wahlergebnis wuchsen auch die Sorgen der Aktionäre von Schweizer Konzernen. Schliesslich verkaufen Schweizer Unternehmen jährlich Waren im Wert von mehr als 50 Milliarden Franken in die Vereinigten Staaten. «Die USA sind der wichtigste Exportmarkt für die Schweiz», sagt Hänni. Den Umsatzanteil aller an der Schweizer Börse kotierten Unternehmen schätzt er auf knapp 30 Prozent.

«Handelsrestriktionen sind negativ für die Weltwirtschaft und damit vor allem für zyklische Geschäftsbereiche wie solche aus den Uhren- und Medtech-Industrien und Hersteller von Produkten mit langen Lieferketten wie die Automobilindustrie», sagt Stefan Meyer, Aktienanalytiker Schweiz bei der Grossbank UBS. Höhere Zölle zahlten letzten Endes die Konsumenten, was wiederum Konsumgüterhersteller belaste. Die Schweiz als kleines Land mit überschaubarem Heimmarkt gilt zudem als stärker abhängig von Importen und Exporten als grosse Wirtschaftsräume.

«In der Schweiz wären Schlüsselsektoren wie die Pharmaindustrie, der Maschinenbau, die Uhrenindustrie und die Lebensmittelindustrie betroffen», sagt Nannette Hechler-Fayd’herbe, Chefin Investment-Strategie für Europa, den Nahen Osten und Afrika bei der Bank Lombard Odier. Bilaterale Handelsabkommen könnten jedoch dazu beitragen, die potenziellen Auswirkungen abzumildern.

Produktionsstätten in Mexiko betroffen

Vontobel hat die Auswirkungen der potenziellen amerikanischen Zölle auf 140 Schweizer Unternehmen, darunter die 20 Konzerne im Swiss-Market-Index sowie 120 kleine und mittelgrosse Firmen, analysiert.

  • Rund ein Drittel der analysierten Unternehmen wäre demzufolge von amerikanischen Importzöllen tangiert. Diese Firmen bedienen einen Teil der amerikanischen Nachfrage aus Produktionsstätten ausserhalb des Landes.
  • Bauchschmerzen bereiten Schweizer Aktienanlegern indessen die von Trump angekündigten Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Güter, die von Mexiko in die USA exportiert werden. «In den letzten Jahren haben einige Schweizer Unternehmen Produktionsstätten in Mexiko errichtet, um kostengünstiger in die USA zu liefern», sagt Hänni. Dazu zählen der Schokoladehersteller Barry Callebaut, das Schraubenhandels- und Logistikunternehmen Bossard, der Industriekonzern Dätwyler, das Chemieunternehmen Ems-Chemie sowie die Verpackungsfirma SIG.
  • Die von Trump geplanten drastischen Zölle auf Waren aus China gelten hingegen als weniger relevant für Schweizer Unternehmen. Mit ihrer nach China ausgelagerten Produktion belieferten sie grösstenteils China selbst, heisst es bei Vontobel. Einige Unternehmen hätten ihre Lieferungen von China in die USA eingestellt oder gar nicht erst aufgenommen, da der Kostenvorteil aufgrund der Zölle nicht mehr gegeben sei, sagt Hechler-Fayd’herbe.
  • Als Ausnahme gilt indessen Logitech. Der Weltmarktführer für Computerzubehör setzt immer noch mehr als die Hälfte seiner in China hergestellten Waren ausserhalb des Reichs der Mitte ab. «Sollten die angekündigten Strafzölle Realität werden, dürfte Logitech die Diversifikation weg von China weiter beschleunigen», ergänzt Hänni. Logitech habe früher rund 90 Prozent in China produziert und liege jetzt bei etwa 50 Prozent, teilt Hechler-Fayd’herbe mit.
  • Bei zwei Dritteln der Schweizer Unternehmen erwarten die Aktienspezialisten von Vontobel keine wesentlichen Auswirkungen. Manche dieser Firmen generieren gar keinen Umsatz in den Vereinigten Staaten. Dazu zählen alle Schweizer Immobilienunternehmen, die meisten mittelgrossen Banken und Versicherungen, die Telekom- und die Tourismusfirmen (vgl. Tabelle).
  • Ebenfalls keine Folgen zu befürchten haben dürften Firmen, die eine lokale Produktionsbasis in den USA haben. Der Schokoladehersteller Lindt & Sprüngli oder die Industrieunternehmen Georg Fischer und Sulzer produzieren beispielsweise direkt in den USA. Insbesondere grosse Schweizer Unternehmen hätten in den vergangenen Jahren verstärkt eine Local-for-Local-Strategie umgesetzt, um in grossen Märkten wie den USA und in China vermehrt lokal Produziertes zu verkaufen, sagt Meyer dazu.

Zölle könnten Inflation erhöhen

Derweil ist es nicht sicher, dass Trump die angekündigten Zölle tatsächlich in dieser Höhe umsetzen wird. Schliesslich sind China und Europa auch wichtige Abnehmer für Produkte, die in den USA hergestellt werden. Die Zölle könnten auch die Inflation in den Vereinigten Staaten wieder nach oben treiben, was wiederum die US-Notenbank Federal Reserve dazu bewegen könnte, bei Zinssenkungen zurückhaltend zu sein.

«So könnte sich Trump mit den Zöllen letztlich ins eigene Fleisch schneiden», sagt Hänni. Es dürfte auch länger dauern, bis die Zölle in Kraft treten, als viele Investoren befürchten. Dies sollte den Schweizer Unternehmen Zeit geben, um sich den veränderten Handelsbedingungen anzupassen.

Viele Schweizer KMU haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie sich neu erfinden können. Zu den Herausforderungen, die sie ausgeglichen haben, zählen etwa die hohen Löhne in der Schweiz oder der starke Franken.

Ist Trump der Schweiz wohlgesinnt?

Es sei davon auszugehen, dass Schweizer KMU, welche die USA mit nicht vor Ort hergestellten Waren belieferten, bereit und imstande wären, innerhalb von ein bis zwei Jahren eine Produktion in den USA aufzuziehen, sagt Hänni. Zudem sei Trump der Schweiz während seiner ersten Präsidentschaft durchaus wohlgesinnt gewesen.

Folglich ist der Aktienexperte auch für den Schweizer Aktienmarkt vergleichsweise optimistisch und sieht Aufholpotenzial. «In den letzten zwei bis drei Jahren hat die Schweizer Börse deutlich schlechter abgeschnitten als andere Märkte, es ist sehr viel Negatives eingepreist, und die Bewertungen sind niedrig», sagt er. Im Durchschnitt gehe er bei den Schweizer Unternehmen von einem Gewinnwachstum im hohen einstelligen Bereich aus.

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