Freitag, Oktober 4

Die Mehrheit im Zürcher Stadtparlament stellt sich hinter den Gegenvorschlag des Stadtrats.

Die Forderung nach mehr «bezahlbaren Wohnungen» in der Stadt Zürich ist zum Mantra der linken Parteien geworden. Vor zwei Jahren hat die SP eine gleichnamige Volksinitiative eingereicht.

Diese verlangt, dass die Stadt und ihre Wohnbaustiftungen zusätzliche Liegenschaften und Grundstücke erwerben und so den Anteil an gemeinnützigen Wohnungen in Zürich erhöhen. Zudem solle das Kapital von drei städtischen Wohnbaustiftungen um insgesamt 250 Millionen Franken erhöht werden. Weiter sollten mindestens 5 Prozent der neuen städtischen Wohnungen für sozial benachteiligte Menschen reserviert werden.

Der Stadtrat begrüsst das Ansinnen der Initianten. Vom 2011 gesetzten Drittelsziel, nach dem bis 2050 ein Drittel der Mietwohnungen gemeinnützig sein soll, ist die Stadt nach wie vor weit entfernt. Seit Jahren liegt der Anteil bei gut einem Viertel.

Knapp ein Viertel der Mietwohnungen in der Stadt Zürich ist gemeinnützig

Anteil der verschiedenen Eigentümergruppen an Zürichs Mietwohnungen, in Prozent

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Volksentscheid 2011: Bis 2050 soll ein Drittel aller Mietwohnungen gemeinnützig sein.

Dennoch hat der Stadtrat einen Gegenvorschlag ausgearbeitet. Konkret will er nicht wie gefordert drei, sondern vier städtische Wohnbaustiftungen mit insgesamt 300 Millionen Franken unterstützen.

Die Stiftung Alterswohnungen der Stadt Zürich (SAW) und die Stiftung für Familienwohnungen (SFW) sollen je 100 Millionen Franken an zusätzlichem Kapital erhalten, die Stiftung für den Erhalt von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen (PWG) 50 Millionen Franken. Weitere 50 Millionen Franken sollen an die Stiftung Einfach Wohnen (SEW) gehen.

Widerspruch zu übergeordnetem Recht

Der Gegenvorschlag macht allerdings auch Abstriche. So verzichtet der Stadtrat darauf, den Wohnbaustiftungen konkrete Wachstumsziele zu setzen. Auch einen Mindestanteil an städtischen Wohnungen für sozial benachteiligte Menschen festzulegen, hält der Stadtrat nicht für sinnvoll. Die Forderung sei bereits weitgehend erfüllt.

Die Initiative hatte zudem verlangt, dass der Stadtrat den städtischen Wohnbaustiftungen Darlehen und Bürgschaften ohne Obergrenze gewähren kann, um Liegenschaften zu bauen oder zu kaufen. Damit sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, dass es sich bei Liegenschaftenkäufen um zeitkritische Geschäfte handle.

Der Stadtrat kommt hierbei zu dem Schluss, dass dies im Widerspruch zu übergeordnetem Recht stehe. Es müsste damit gerechnet werden, dass der Regierungsrat eine entsprechende Regelung nicht genehmigen würde.

Deshalb setzt der Stadtrat in seinem Gegenvorschlag eine Limite von 20 Millionen Franken pro Liegenschaft. Höhere Beträge müssten dem Stimmvolk unterbreitet werden.

Eine «reine Show der SP»

Die bürgerlichen Parteien konnten am Mittwochabend im Parlament weder der Initiative noch dem Gegenvorschlag etwas abgewinnen. Hans Dellenbach (FDP) bezeichnete die Initiative als «reine Show der SP». Sowohl die Initiative als auch der Gegenvorschlag würden Dinge versprechen, die sie nicht einhalten könnten. Stattdessen würden «die Linken den Hals nicht vollkriegen» – pro Jahr gebe die Stadt schon 500 Millionen Franken für Liegenschaften aus, und die SP komme bereits mit neuen Forderungen.

Ähnlich sahen es die GLP und die Mitte/EVP-Fraktion. Seit Jahrzehnten seien Stadt- und Gemeinderat in Zürich von den links-grünen Parteien dominiert, sagte Christian Traber (Mitte). Dennoch gehe es nicht voran beim Wohnraum. Serap Kahriman (GLP) stellte zudem die Idee infrage, dass die Stadt Darlehen und Bürgschaften vergeben sollte. «Die Stadt ist keine Bank.»

Kritik an der SP-Initiative gab es auch von der AL. Staubtrocken stellte Patrik Maillard fest, er habe «nichts gegen Populismus per se, jedoch gegen populistische Schnellschüsse». Die SP-Initiative sei nicht gelungen. Insbesondere weil sie in Bezug auf die darin verlangten Finanzkompetenzen für den Stadtrat bei der Vergabe von Geldern gegen übergeordnetes Recht verstosse.

Der Gegenvorschlag löse bei der AL auch keine Luftsprünge aus, sagte Maillard, man werde ihn aber unterstützen. Die AL hatte dazu bereits ein Postulat vorbereitet. Darin wird der Stadtrat aufgefordert, zu prüfen, wie im Zuge des Gegenvorschlags subventionierte Wohnungen gefördert werden könnten.

Für die SP sei der Gegenvorschlag des Stadtrats ein gangbarer Kompromiss, der fast alle Punkte der Initiative berücksichtige. Die Partei sei deshalb auch bereit, die Initiative zurückzuziehen, sagte der Co-Fraktionspräsident Florian Utz.

Gleichzeitig empfahl die SP ihre Initiative zur Annahme. «Wir haben einen umfassenden Massnahmenkatalog zusammengestellt», sagte Utz. Es müsse verhindert werden, dass die Immobilienkonzerne ihre Anteile am Wohnungsmarkt stetig vergrösserten. Wegen der hohen Mieten werde sogar der Mittelstand aus der Stadt verdrängt.

Die SVP stimmte mit der SP für die Initiative. Dies, obwohl Samuel Balsiger (SVP) wortreich argumentiert hatte, mit Initiative und Gegenvorschlag werde nur Symptombekämpfung betrieben.

Mit 63 zu 46 Stimmen sprach sich die Mehrheit des Parlaments am Ende für die Ablehnung der Initiative aus. Die Schlussabstimmung zu Initiative und Gegenvorschlag findet in ein paar Wochen statt. Das letzte Wort haben die Stimmberechtigten an der Urne. Das Postulat der AL zur Förderung von subventionierten Wohnungen überwies der Gemeinderat mit 60 zu 52 Stimmen an den Stadtrat.

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