Sonntag, Oktober 6

Linke fordern im Nationalrat, dass das Dienstreglement der Armee für Schulbesuche angepasst wird. Auslöser war ein Anlass in einer Primarschule in Zug.

Soldaten, die mit ihrem Gewehr am Bahnhof stehen oder im Zug sitzen, gehören zum alltäglichen Bild der Schweiz. Doch ein Panzer auf dem Pausenplatz einer Primarschule gehört nicht dazu. Eine solche Aktion sorgte deshalb Ende März für Schlagzeilen, sogar bis nach Deutschland. «Bild.de» titelte: «Schweiz: Vater schickt Panzer auf den Pausenhof». In der Herbstsession forderte der SP-Nationalrat Hasan Candan in einem Vorstoss, das Dienstreglement der Armee mit klaren Regeln anzupassen. Unter anderem sollen keine Panzer oder Waffen gezeigt werden dürfen.

Was war passiert? Auf dem Pausenplatz einer Zuger Stadtschule standen Ende März mehrere Armeefahrzeuge, darunter ein Radschützenpanzer Piranha, ein geschütztes Mannschaftsfahrzeug Duro sowie ein Sanitätsfahrzeug. Anlass war, dass in diesem Schuljahr den Kindern verschiedene Berufe nähergebracht werden sollten. Die «Zuger Zeitung» berichtete als Erste darüber.

Neben den Fahrzeugen wurden auch Gewehre oder eine Landmine präsentiert. Die Sieben- bis Zwölfjährigen hätten auf die Fahrzeuge stehen und mit den Waffen herumhantieren können. Ein Mädchen habe mit einem Gewehr auf andere gezielt, die kreischend davongerannt seien. Es sei daraufhin zurechtgewiesen worden.

Die Journalisten versuchten mit dem Veranstalter zu reden. Organisiert hatte die Aktion Daniel Gruber, ehemaliger Oberst und heutiger Parteipräsident der FDP Kanton Zug. Er gab jedoch keine Auskunft und drohte mit rechtlichen Konsequenzen, sollte trotzdem über den Anlass berichtet werden.

Das Thema aufgenommen hatten dann auch diverse andere Medien. Daniel Gruber erklärte später im «Blick», er sei ein überzeugter Milizsoldat, weswegen er den Anschauungsunterricht für die Klasse seiner Tochter «auf dem Dienstweg» organisiert habe. Er finde es gut, «wenn eine positive Stimmung für die Armee geschaffen werden kann».

Bundesrat sieht keinen Handlungsbedarf

Auf nationaler Ebene werden nun klare Vorgaben gefordert. Der SP-Nationalrat Hasan Candan möchte diese in das Dienstreglement der Armee schreiben: «Ich finde, Schulen sollten nicht instrumentalisiert werden für Kriegspropaganda.» Besuche der Armee in Bildungseinrichtungen sollen ohne Gefechtsfahrzeuge oder Waffen stattfinden.

Ausserdem sollen Armeeangehörige dafür sensibilisiert werden, wie sie mit Kindern und Jugendlichen umgehen, die aus kriegsversehrten Ländern kommen. Dies, um sie vor weiteren Traumata zu schützen, sagt der Sozialdemokrat: «Geflüchtete Kinder haben teilweise schreckliche Dinge erlebt mit solchen Waffen. Diesem Aspekt sollte die Armee Rechnung tragen.» Für die Besuche der Armee an Primarschulen fordert er ausserdem besondere Vorgaben. 25 Parlamentsmitglieder der SP und der Grünen haben seinen Vorstoss mitunterzeichnet.

In der Sommersession hatte Hasan Candan dem Bundesrat Fragen gestellt zum Anlass in Zug. Die Antwort der Regierung folgte im August: Die Armee dürfe sich der Bevölkerung präsentieren und sachlich sowie objektiv informieren. Abstimmungs- und Wahlpropaganda sei jedoch verboten gemäss dem Dienstreglement. Ausserdem müssten sämtliche Sicherheitsvorschriften eingehalten werden und die verantwortlichen Behörden einverstanden sein. Der direkte Kontakt von Kindern und Jugendlichen mit militärischen Mitteln wie Waffen werde verhindert. Diese Vorgaben würden ausreichen, so der Bundesrat.

Liegt ein Verstoss vor?

Im Fall in Zug «liegt offenbar ein Verstoss vor», schlussfolgert Hasan Candan, da verschiedene Medien berichteten, die Kinder hätten Waffen in den Händen gehalten. Der Armeesprecher Mathias Volken erklärt auf Anfrage, dass das Dienstreglement sich nur auf Abstimmungs- oder Wahlpropaganda beziehe und keine weiteren Bestimmungen enthalte. Jedoch entsprächen die zusätzlichen Vorgaben, die der Bundesrat in seiner Antwort erwähnt, der «gängigen Praxis». Der Anlass in Zug sei von der Schule vorgeschlagen und vom Vater einer Schülerin initiiert worden. Die Präsentation sei ausserdem zuvor mit dem zuständigen Kommandanten abgesprochen worden.

Stefan Holenstein, Oberst im Generalstab und Präsident des Verbands Militärischer Gesellschaften Schweiz, findet, der Vorstoss von Hasan Candan gehe zu weit. Gerade in der heutigen, sicherheitspolitisch bedenklichen Situation in Europa sei es wichtig, dass die Armee Kinder und Jugendliche informiere über ihren Sinn und Zweck und auch über die militärische Ausstattung. Die Milizarmee müsse «jederzeit unabhängig und ungefragt vom Verteidigungsdepartement die Möglichkeit haben», sich in Bildungseinrichtungen zu präsentieren. Den Soldaten könne ausserdem zugetraut werden, dass sie Gefechts- und Waffensysteme «mit dem pädagogischen Fingerspitzengefühl und der Situation bzw. dem Alter und Wissensstand der Kinder angemessen erklären».

Bereits konkrete Folgen hatte die Aktion für alle städtischen Schulen in Zug. Das Bildungsdepartement hat für zukünftige Anlässe verboten, dass Schusswaffen gezeigt werden. Informationsveranstaltungen von Polizei, Feuerwehr und Militär sollen jedoch weiterhin möglich sein. Diese stiessen bei Kindern auf grosse Begeisterung, erklärt Etienne Schumpf, Vorsteher des Bildungsdepartementes der Stadt Zug, auf Anfrage.

Informationsveranstaltungen der Armee an Schulen haben in der Vergangenheit ebenfalls schon für Schlagzeilen gesorgt. 2019 schickte die Armee angehende Offiziere und Unteroffiziere an Schulen für Vorträge. Das kam nicht überall gut an. Im Kanton Basel-Stadt beispielsweise lehnte man die Veranstaltungen ab. Die Schüler würden über das Thema Armee informiert, aber nicht von Armeeangehörigen. Im selben Jahr wollte die Armee eine Spritztour für Zürcher Primarschüler mit Panzern machen. Der Anlass wurde kurzfristig abgesagt, nachdem das Medienportal «20 Minuten» die Armee nach Sinn und Zweck des Ausflugs angefragt hatte. Der Armeesprecher nannte damals unnötige Emissionen, technische Probleme und wichtigere Ausbildungsverpflichtungen des zuständigen Offiziers als Gründe für die Absage.

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