Donnerstag, Oktober 3

Wie das Verlangen nach einer «Sonnencrème-Giesskanne» in der Stadt scheitert.

Wer in der Badi keinen Sonnenbrand riskieren will, trägt Sonnencrème auf – selbstgekaufte.

In der Stadt Zürich wollten die Linken das Verteilen von Sonnencrème nun aber zur Staatsaufgabe machen: Als Teil einer Hautkrebs-Präventionskampagne sollte künftig in Schulen, Badis sowie öffentlichen Aussenanlagen gratis Sonnencrème zur Verfügung stehen – insbesondere in den Monaten mit hohem durchschnittlichem UV-Index.

Umweltverträgliche Produkte müssten es natürlich sein. Zudem sollte die Bevölkerung kostenlos Hautkrebs-Screenings in Anspruch nehmen können. Dies verlangten die Gemeinderäte Anna Graff (SP) und Dominik Waser (Grüne) in einer Motion, die am Mittwoch im Stadtparlament behandelt wurde.

Die Schweiz gehöre zu den Ländern mit den höchsten Erkrankungsraten bei Hautkrebs, so die Begründung der Motionäre. Die beste Prävention sei ausreichender Sonnenschutz – deshalb brauche es kostenlose Sonnencrème, «besonders an Orten mit wenig oder keinem Schatten», sagte Anna Graff. Als Vorbild werden die Niederlande genannt, die letztes Jahr ausgediente Dispenser für Desinfektionsmittel aus der Corona-Zeit mit Sonnencrème befüllten.

Der Stadtrat lehnte die Motion ab. Hautkrebs, so erklärte er, sei in Zürich aus epidemiologischer Sicht kein prioritäres Problem. Etwa 14 Personen in der Stadt stürben jährlich an schwarzem Hautkrebs. Deutlich mehr seien es bei Lungenkrebs (135), Brustkrebs (62) und Prostatakrebs (57).

Die Präventionskampagne habe ausserdem den falschen Fokus: Von Kampagnen, die ihren Fokus auf Sonnenschutzmittel legten, rate die Krebsliga ab. Diese könnten sogar negative Folgen haben, weil sie ein falsches Sicherheitsgefühl vermitteln und deshalb zu mehr Sonnenexposition führen könnten – was wiederum zu einem zusätzlichen Hautkrebsrisiko führen könnte, so der Stadtrat.

Tatsächlich rät die Krebsliga insbesondere, sich zum Schutz vor der Sonne vermehrt im Schatten aufzuhalten – mindestens zwischen 11 und 15 Uhr. «Schatten ist der beste Sonnenschutz, insbesondere in den Mittagsstunden, wenn die Sonne am intensivsten scheint», schreibt die Krebsliga in einer Broschüre. Eine weitere Empfehlung ist das Tragen von Kleidung mit UV-Schutz.

Das Auftragen von Sonnenschutz wird als ergänzende wichtige Massnahme genannt. In der Broschüre heisst es dazu: «Auch Sonnenschutzmittel mit einem hohen Lichtschutzfaktor sind kein Freipass für einen unbeschränkten Aufenthalt an der Sonne.»

Statt kostenloser Sonnencrème sah der Stadtrat vor allem eine Massnahme als sinnvoll an: Beschattung. Damit ergäben sich sogar Synergien: Das Pflanzen von Bäumen trage auch zur Hitzeminderung in der Stadt und somit zum Klimaschutz bei.

Prävention sei zweifellos wichtig, sagte Stadtrat Andreas Hauri (GLP), sollte aber auf einer anderen Ebene passieren: «Wir sollten besser darein investieren, dass Kinder und Jugendliche ein besseres Bewusstsein für ihren Körper entwickeln.»

Letztlich standen SP und Grüne mit ihrer Forderung alleine da. Nicht einmal die AL wollte die Motion unterstützen. Man habe zwar Verständnis für das Anliegen, sagte David Garcia Nuñez. Zur Prävention von Hautkrebs gebe es bereits etablierte Kampagnen auf nationaler Ebene. Zudem scheine das Verlangen nach kostenloser Crème nicht weit verbreitet zu sein: «Ich habe jedenfalls noch keine Demo dazu gesehen.» Er sei ausserdem gegen eine «Sonnencrème-Giesskanne», von der auch die Einwohnerinnen und Einwohner am Zürichberg profitieren würden.

Nicolas Cavalli (GLP) sagte, er verstehe nicht, warum sich eine Präventionskampagne ausschliesslich auf das Zürcher Stadtgebiet konzentrieren solle – «die Sonne ist hier ja nicht zehnmal stärker als anderswo». Und: Wer Sonnencrème in der Badi brauche, könne sich welche beim Grossverteiler kaufen oder von Kollegen ausleihen.

Auch David Ondraschek (Mitte) plädierte für Eigenverantwortung. Die Risiken von Sonnenbaden seien hinlänglich bekannt: Es ist nicht die Aufgabe des Staates, den Bürger vor der eigenen Risikobereitschaft zu schützen.

Und Thomas Hofstetter (FDP) sagte: «Allein der Begriff ‹kostenlos› lässt mir die wenigen Haare auf dem Kopf zu Berge stehen.» Gratis sei diese Sonnencrème keineswegs, denn letztlich komme der Steuerzahler dafür auf.

Dominik Waser (Grüne) zeigte sich enttäuscht über die breite Ablehnung und wandelte die Motion in ein weniger bindendes Postulat um. Die anschliessende Abstimmung sorgte dann für Gelächter im Ratssaal: Es stand 57 zu 57 Stimmen, womit der Ratspräsident Guy Krähenbühl (GLP) den Stichentscheid fällen musste.

Und der lautete wie folgt: «Es gibt keine Sonnencrème.»

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