Eheverträge gelten als unromantisch, dabei können sie im Fall einer Trennung vieles vereinfachen. In der Schweiz lässt sich damit aber nicht alles regeln.
«Mein Freund hat mir einfach einen Antrag gemacht. Wir werden bald heiraten!» – «Glückwunsch, aber mach bitte nicht den Fehler, den eine Freundin von mir vor zwei Jahren gemacht hat.» – «Welchen Fehler?» – «Na ja, sie haben einfach keinen Ehevertrag abgeschlossen.»
So beginnt ein Instagram-Video der deutschen Lifestyle- und Finanz-Influencerin Diana zur Löwen. Jede zweite Ehe in Deutschland werde geschieden, erzählt sie darin. Und ein Ehevertrag sei ein guter Weg, sich für einen solchen Fall abzusichern: Themen wie der Ehename, potenzielle Unterhaltszahlungen, Vermögensverwaltung oder Altersvorsorge könnten darin festgehalten werden. Der Titel des Videos: «Was du vor deiner Hochzeit wissen solltest.»
Ein Ehevertrag als Allzweckmittel gegen eine Schlammschlacht bei der Scheidung? Ganz so einfach ist es nicht, zumindest nicht in der Schweiz. Zwar seien Verträge zwischen zwei Personen grundsätzlich bindend, erklärt die Zürcher Scheidungsanwältin Franziska Mulle. «Die Frage ist allerdings, wie hoch die Bindungswirkung ist. Jede Scheidung muss von einem Gericht genehmigt werden. Dieses muss prüfen, ob die getroffene Vereinbarung angemessen ist.»
Bei Unterhalt und Altersvorsorge gibt es Grenzen
So kann der Ehepartner, der weniger verdient, nicht einfach vertraglich auf eine Teilung der ehelich angesparten Altersvorsorge verzichten. Denn die Gerichte prüfen stets, ob eine solche Vereinbarung angemessen ist – und zwar nicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern zu dem der Scheidung. Dasselbe gilt für Unterhaltszahlungen: «Umstände und Gesetze können sich ändern, und das berücksichtigen die Gerichte. Wer vor fünfzehn Jahren von seinem Ehepartner einen monatlichen nachehelichen Unterhalt von 20 000 Franken zugesichert bekam, bekommt diesen unter Umständen bei der Scheidung trotzdem nicht», erklärt Mulle.
Eheverträge, die versuchen, Regelungen über den Ablauf einer Scheidung zu treffen, werden laut Mulles Erfahrung immer üblicher. Im Fachjargon werden sie als antizipierte Scheidungskonventionen oder Vorauskonventionen bezeichnet – weil zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Scheidungsfall bereits antizipiert wird.
Klassische Verträge berücksichtigen den Todesfall
Ein Ehevertrag im klassischen Sinne bezieht sich hingegen ausschliesslich auf das Güterrecht. Er soll Eheleute – in der Regel die Frau – bestmöglich begünstigen, falls ihr Ehepartner früh verstirbt. Damit wird verhindert, dass der auf die gemeinsamen Kinder fallende Teil des Erbes im Kindsvermögen blockiert wird und für den hinterbliebenen Ehepartner nicht antastbar ist. «Dieser Gedanke kommt noch aus einer Zeit der sehr klassischen Rollenteilung», sagt Franziska Mulle. «Man will dafür sorgen, dass die Frau bei einem frühen Tod ihres Mannes finanziell abgesichert ist.»
Doch auch in einer Partnerschaft, die weniger traditionellen Rollenbildern folgt, können Eheverträge sinnvoll sein – oder sogar gerade dann. Denn auch wenn die Punkte Unterhalt und Altersvorsorge gewissen Einschränkungen unterliegen, gibt es im Bereich Güterrecht einiges, das Ehepartner tatsächlich im Voraus regeln können.
Bei einer Scheidung ohne Vertrag unterstehen die Eheleute automatisch und von Gesetzes wegen der sogenannten Errungenschaftsbeteiligung. «Dabei wird vereinfacht gesagt das Vermögen, das die Partner jeweils während der Ehe angehäuft haben, hälftig geteilt», erklärt Stefanie Wimmer, selbständige Rechtsanwältin aus Uster. Im alleinigen Besitz verbleibt im Wesentlichen nur das, was jeder bereits vor der Ehe hatte oder währenddessen geerbt oder geschenkt erhalten hat.
Die Güteraufteilung kann individuell angepasst werden
«Wenn ein Ehepaar die Regeln der Errungenschaftsbeteiligung für sich als nicht richtig erachtet, dann bleibt die Möglichkeit, einen Ehevertrag zu schliessen», so Wimmer. Er ermöglicht es Paaren, eine sogenannte Gütergemeinschaft einzugehen, bei welcher ein gemeinsames Gesamtvermögen geteilt wird. «Oder man entscheidet sich für eine Gütertrennung, dann gibt es grundsätzlich gar kein Vermögen, das aufgeteilt wird. Jeder behält, was auf seinen Namen lautet oder sich in seinem Besitz befindet. Ein bisschen, wie wenn man gar nie geheiratet hätte.»
Dabei müssen Paare diese Entscheidungen nicht zu Beginn ihrer Ehe fällen. Eheverträge können zu jedem Zeitpunkt – auch mit rückwirkender Geltungsdauer – abgeschlossen und beliebig oft angepasst werden. Wenn etwa ein Partner nach zehn Jahren Ehe das Familienunternehmen übernimmt, kann ein Ehevertrag mit Gütertrennung plötzlich sinnvoll werden. Allerdings bedürfen Eheverträge für ihre Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung durch einen Notar, auch dann, wenn sie nur angepasst beziehungsweise abgeändert werden sollen.
Die wichtigsten Punkte zum Thema Ehevertrag
Was regelt ein Ehevertrag in der Schweiz?
Ein Ehevertrag regelt den Güterstand der Vermögenswerte. Dabei ist es möglich, bestimmte Vermögenswerte als Eigengut zu definieren. In einem Ehevertrag kann auch eine Gütertrennung oder eine Gütergemeinschaft vereinbart werden.
Was kann in einem Ehevertrag nicht geregelt werden?
Unterhalts- und Sorgerechtsbestimmungen können in einem Schweizer Ehevertrag nicht geregelt werden, ebenso wenig die Altersvorsorge. Auch eine Vereinbarung zum Unterhaltsverzicht der Ehefrau ist unzulässig.
Wann kann ein Ehevertrag abgeschlossen werden?
Ein Ehevertrag kann sowohl vor der Hochzeit als auch während der Ehe abgeschlossen werden. Dabei ist es unerheblich, wie viele Jahre die Ehe bereits besteht. Eine Änderung des Ehevertrags ist möglich, sofern sich beide Ehepartner einig sind.
Wie hoch sind die Kosten?
Der Preis eines Ehevertrags hängt vom Umfang des Vertrags, aber auch vom Wohnsitz des Paares ab. Der Vertrag muss notariell beglaubigt werden, und jeder Kanton legt eigene Gebühren für die Arbeit von Notaren fest. Darum können die Kosten von 50 bis 7500 Franken reichen. Dazu kommen Kosten für die Beurkundung des Inventars, die 150 bis 1500 Franken betragen können.
Ob sich der Aufwand lohnt, ist dabei von Fall zu Fall verschieden. «Für ein ganz klassisches Modell ist ein Ehevertrag aus meiner Sicht nicht zwingend notwendig», glaubt die Scheidungsanwältin Mulle. «In einer Ehe mit Kind, in der man eine klassische Rollenverteilung lebt, ist man bis zu einem gewissen Punkt über die Errungenschaftsbeteiligung gut abgesichert.»
Auch für Paare, die jung heiraten, ist ein Ehevertrag oft nicht der richtige Weg. «Mit Anfang zwanzig hat man das ganze Leben noch vor sich, hat in der Regel kein Vermögen und baut alles gemeinsam auf.» Für viele Paare kommt eine Gütertrennung deswegen nicht infrage, und eine Gütergemeinschaft einzugehen, ist nicht nötig.
Sollte man Liebe und Finanzen trennen?
Anders sieht es bei Paaren aus, die sich erst mit Mitte 30 für die Ehe entscheiden, etwa weil sie ein Kind erwarten. «In der Regel hat man sich dann schon etwas erarbeitet, eine Karriere aufgebaut. Dann muss man sich die Frage stellen: Will ich, dass alles in einen gemeinsamen Topf fliesst?» Schliesslich könne es auch Vorteile haben, das Finanzielle und das Emotionale zu trennen.
«Meine persönliche Meinung ist, dass jeder das Recht hat, die Finanzen von der Beziehung trennen zu wollen», findet Mulle, die selbst verheiratet ist. Und doch hat sie als Anwältin auch Fälle gesehen, in denen ein Ehevertrag deutlich zum Nachteil eines Partners ausfiel. «Wenn man nichts in die Ehe einbringt und in eine Gütertrennung einwilligt, geht man eben auch mit nichts aus der Ehe wieder hinaus. Als Anwältin kann ich diesen Sachverhalt nicht ändern.»
Wer einen Ehevertrag abschliesse, müsse sich darüber informieren, was das bedeute und was die Konsequenzen seien. Das klischeehafte Bild eines reichen Mannes, der sich gegenüber seiner jungen, unvermögenden Freundin absichern will: Solche Fälle gibt es laut Mulle immer noch oft.
Persönliche Erfahrungen spielen eine Rolle
Doch die Gründe, aus denen Paare sich für einen Vertrag entscheiden, sind vielfältiger: «Wenn man in eine zweite Ehe geht und eine fünfjährige Scheidung hinter sich hat, überlegt man sich schon, sich abzusichern. Spätestens bei ihrer dritten Ehe wollen alle Leute einen Ehevertrag.» Doch nicht nur eigene Erfahrungen können eine Rolle spielen, sondern auch die der Eltern: «Ein Motiv kann sein, dass man seine Kinder vor dem bewahren möchte, was man selbst als Scheidungskind durchmachen musste. Oder dass man verhindern möchte, dass es einem so ergeht wie dem eigenen Vater.»
In ihrem Bekanntenkreis, sagt Franziska Mulle, frage sie verheiratete Paare oft, ob sie einen Ehevertrag abgeschlossen hätten. «Sicher nicht, wie unromantisch», heisse es dann oft. «Dabei gibt es doch nichts Schlimmeres, als sich beim Ende einer Ehe streiten zu müssen. Der Eheschluss ist schliesslich auch ein Vertrag, man bindet sich an jemanden und weiss nicht, wie es ausgeht.»
Gerade bei der jüngeren Generation stellt sie jedoch eine grössere Offenheit fest. «Geschieden zu sein, wird nicht mehr als persönliches Versagen angesehen. Darum kann man offener darüber sprechen.»
Auch unter dem eingangs erwähnten Instagram-Video finden sich zahlreiche zustimmende Kommentare, überwiegend von jungen Frauen. Eine Nutzerin bringt dabei den Kerngedanken auf den Punkt: «Lieber wichtige Entscheidungen treffen, wenn man sich gerade mag, und nicht erst dann, wenn man sich bereits trennen will.»