Donnerstag, Mai 1

Das Land ist stolz auf sein Energiesystem, das stark auf Erneuerbare setzt. Nicht zuletzt deshalb wähnte sich Madrid sicherer aufgestellt als der Rest Europas. Doch der Stromausfall vom Montag zeigt: Auch Spanien muss nachbessern – und Europa mitziehen.

Am Montag ist auf der Iberischen Halbinsel das passiert, was niemand erleben will. Ein stundenlanger Blackout legte die Stromversorgung, das Internet und den Mobilfunk auf dem gesamten Festland lahm. Im Zentrum stand Spanien, über das auch die Stromversorgung von Portugal und Teilen des französischen Baskenlandes läuft. Fast sechzig Millionen Menschen waren betroffen. Für Spanien ist der grösste Stromausfall in der Geschichte der Halbinsel ein Weckruf. Er erklang nur wenige Tage, nachdem die Regierung angekündigt hatte, mehr in Sicherheit und Verteidigung zu investieren – und betraf ausgerechnet einen Bereich, auf den das Land besonders stolz ist: seine Energieversorgung.

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Das spanische Stromnetz gilt unter internationalen Experten als eng verzahnt, gut überwacht und modern. Rund 60 Prozent des Stroms stammen inzwischen aus erneuerbaren Quellen wie Sonne, Wind und Wasserkraft. Das macht Spanien zum Spitzenreiter und Musterschüler Europas bei der Energiewende.

Von der grössten Sicherheitskrise verschont

Stolz ist man südlich der Pyrenäen auch, dass man weitgehend unabhängig vom Rest Europas ist – und, noch wichtiger, von russischem Öl und Gas. In Madrid wähnte man sich deshalb sowohl energetisch als auch sicherheitspolitisch auf einer Insel. Von Europas grösster Sicherheitskrise der vergangenen Jahre, Russlands Invasion in der Ukraine, blieb man nicht nur geografisch weitgehend verschont.

Anders als im Rest Europas blieben in Iberien nach dem Ukraine-Krieg die Energiepreise niedrig. Das bremste die Inflation und kurbelte den Konsum an, wovon Bevölkerung und Unternehmen in Spanien profitierten. Die niedrigen Energiekosten locken Investoren, die auf günstige Rahmenbedingungen setzen. Die Folge ist ein kräftiges Wirtschaftswachstum, das laut IWF-Prognose für 2025 mit 2,1 Prozent des BIP stärker ist als in jedem anderen europäischen Land. Daran wird auch der wirtschaftliche Schaden, der durch den Stromausfall entstanden ist, kaum etwas ändern. Die Investmentbank RBC beziffert diesen auf bis zu 4,5 Milliarden Euro.

Spanien muss und kann schnell nachbessern

Doch der Stromausfall am Montag hat auch ohne endgültigen Ursachenbericht deutlich gemacht: Spanien ist weder eine Energie- noch eine Sicherheitsinsel. Das iberische Stromnetz hat Schwächen. Wenn Spanien nicht erneut im Dunkeln sitzen will – und den Ausbau erneuerbarer Energien wie geplant vorantreiben möchte –, muss es dringend nachrüsten.

Denn die starke Ausrichtung auf die Erneuerbaren birgt Risiken. Anders als Wasser- oder Wärmekraftwerke können Wind- und Solaranlagen die Netzfrequenz nicht stabilisieren. Je höher ihr Anteil, desto anfälliger wird das Stromnetz für Schwankungen, die grossflächige Ausfälle provozieren können.

Spanien muss daher sein Stromnetz zügig leistungsfähiger und effizienter machen und dafür Milliarden in zusätzliche Netzkapazitäten stecken. Vor allem aber braucht die Iberische Halbinsel eine stärkere Anbindung ans europäische Stromsystem. 2024 lag die grenzüberschreitende Kapazität laut dem Netzbetreiber Red Eléctrica bei nur drei Gigawatt – gerade einmal 2 Prozent der gesamten Erzeugungsleistung. Damit verfehlt Spanien das EU-Ziel von 10 Prozent deutlich.

Dass der Strom nach 24 Stunden wieder floss, lag auch an der schnellen Hilfe aus Frankreich und Marokko. Dennoch hat Spanien den Blackout gut gemeistert. Die Bevölkerung blieb ruhig, versorgte sich schnell mit Wasser, Radios und genügend Klopapier. Die Zentralregierung und alle relevanten Behörden handelten schnell und informierten regelmässig und transparent über das, was sie wussten – und was nicht. Trotz sechzig Millionen Betroffenen gab es bisher nur zehn Todesfälle, die mutmasslich auf den Stromausfall zurückzuführen sind.

Spanien ist noch einmal an einer Katastrophe vorbeigeschrammt – doch ausruhen darf man sich weder in Madrid noch im Rest von Europa. Jetzt gilt es, Lehren zu ziehen: durch Investitionen in stabile Netze, bessere Überwachung und krisensichere Kommunikation samt Notstromversorgung. Einen ersten Schritt haben sowohl der Bund als auch die EU kürzlich unternommen: Sie haben die Bevölkerung darüber aufgeklärt, was im Ernstfall in keinem Haushalt fehlen darf.

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