Dienstag, April 29

Seit Montagmittag sind Teile der Iberischen Halbinsel ohne Strom, die Ursache bleibt unklar. Ministerpräsident Pedro Sánchez sprach von «kritischen Stunden». Inzwischen ist die Versorgung zu 99 Prozent wiederhergestellt.

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Das Wichtigste in Kürze

  • Ein massiver Stromausfall hat am Montagmittag (28. 4) die Iberische Halbinsel erfasst. Weite Teile Spaniens und Portugals und kurzzeitig auch benachbarte Regionen im Süden Frankreichs wurden durch den Zwischenfall lahmgelegt.
  • Die Ursache des Stromausfalls ist laut Spaniens Regierung noch unklar. Eine Untersuchung zum grössten Blackout der iberischen Geschichte läuft auf Hochtouren, sagte Regierungschef Sánchez. Im Raum stehen Spekulationen über einen Cyberangriff, ein Problem an der Stromverbindung zu Frankreich oder ein seltenes atmosphärisches Phänomen. Sánchez betonte, man schliesse keine Möglichkeit aus, warnte jedoch vor voreiligen Schlüssen.
  • Betroffen sind Millionen Menschen insbesondere auf dem Festland der Halbinsel. Tausende steckten in Zügen, U-Bahnen und Aufzügen fest, Feriengäste strandeten an Flughäfen. Das Internet und die Telefonnetze brachen zusammen, Ampeln fielen aus, Spitäler liefen im Notbetrieb auf Generatoren. Auf dem Festland kam das Arbeitsleben weitgehend zum Erliegen.
  • Der spanische Netzbetreiber Red Eléctrica teilte gegen 6 Uhr am Dienstagmorgen (29. 4) mit, dass etwa 99 Prozent der Stromversorgung wieder hergestellt seien. Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez hatte am späten Montagabend in einer Fernsehansprache eine Rückkehr zum Normalzustand am Dienstag in Aussicht gestellt.

Gegen 12 Uhr 33, mitten in der Mittagszeit, brach die Stromversorgung auf der iberischen Halbinsel innerhalb weniger Minuten massiv ein. Auf dem Festland waren Millionen Haushalte ohne Strom, auch das Mobilfunknetz wurde unterbrochen. Einzig die Balearen und die kanarischen Inseln blieben von Unterbrüchen verschont.

Der französische Netzbetreiber RTE teilte mit, das iberische Stromnetz sei um 12 Uhr 38 automatisch vom europäischen Verbund getrennt worden.

Zuvor war auch im französischen Baskenland kurzzeitig der Strom ausgefallen. In Portugal reichte der Blackout vom Norden bis in den Süden des Landes. Laut dem Stromversorger Redes Energéticas Nacionais (REN) waren am späten Montagabend noch immer 1,7 Millionen Menschen betroffen. «Im Laufe der Nacht» solle die Stromversorgung in ganz Portugal wieder vollständig laufen, versicherte der portugiesische Netzbetreiber REN.

In Spanien erklärte Regierungschef Pedro Sánchez am späten Montagabend, die Versorgung im Norden und Süden Spaniens, darunter in den Regionen Andalusien, Katalonien, Aragonien und im Baskenland, in Galicien, Asturien und in Navarra, sei wiederhergestellt. Dies dank der Zusammenarbeit mit Frankreich und Marokko. Am Dienstagmorgen dann teilte der spanische Netzbetreiber Red Eléctrica mit, die Versorgung sei zu über 90 Prozent wiederhergestellt.

Die Ursache für den Stromausfall ist noch völlig unklar. Spaniens nationales Institut für Cybersicherheit untersuche, ob ein Hackerangriff hinter dem Stromausfall stecken könnte, schrieben spanische Medien übereinstimmend. Der portugiesische Regierungschef Luís Montenegro erklärte allerdings gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, es gebe derzeit keine Hinweise darauf, dass ein Cyberangriff am Ursprung des Stromausfalls stehe.

REN verwies gegenüber Medien auf ein «seltenes atmosphärisches Phänomen» als Ursache für die Störung im spanischen Stromnetz. Die vollständige Normalisierung des Netzes könne «aufgrund der Komplexität des Phänomens» eine Woche dauern.

Kristian Ruby, Chef des europäischen Stromwirtschaftsverbands Eurelectric, hingegen erklärte der BBC, ein Problem an der Stromverbindung zwischen Frankreich und Spanien habe zum Ausfall beigetragen.

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez rief die Bürger des Landes dazu auf, angesichts des landesweiten Stromausfalls Ruhe zu bewahren. «Bis die Stromversorgung wiederhergestellt ist, werden wir einige kritische Stunden erleben», sagte er bei einer Ansprache an die Menschen, die im Fernsehen und Radio übertragen wurde.

Sánchez appellierte an die Spanier, nur kurze und zwingend notwendige Gespräche mit dem Handy zu führen, die Notrufnummer 112 nur zu nutzen, wenn es unbedingt nötig sei, um die Netze nicht zusätzlich zu belasten, und auf Reisen zu verzichten.

Zu den Ursachen des landesweiten Blackouts sagte Sánchez, es könne keine Hypothese ausgeschlossen werden, es dürfe aber auch nicht spekuliert werden. Er riet den Menschen, sich über «offizielle Kanäle» zu informieren. Die Regierung stehe mit dem Königshaus, den Parlamentsfraktionen, den europäischen Partnern und der Nato in Kontakt. «Priorität ist, sicherzustellen, dass die Normalität wiederhergestellt wird», versicherte der sozialistische Politiker.

Die autonomen Regionen Spaniens erhöhten ihre Alarmstufen, und in acht von ihnen – darunter Madrid, Andalusien, Galicien und die Comunidad Valenciana – übernimmt damit vorübergehend deren Verwaltung. Dadurch kann nun schneller logistische Unterstützung wie Generatoren oder Sicherheitspersonal in besonders betroffene Gebiete entsandt werden.

Noch am frühen Nachmittag hatte Eduardo Prieto, Betriebsdirektor des spanischen Stromnetzbetreibers Red Eléctrica, erklärt, dass der Stromausfall «aussergewöhnlich und völlig unüblich» sei und die Wiederherstellung der Versorgung voraussichtlich zwischen sechs und zehn Stunden dauern werde.

Auch die EU-Kommission befasst sich mit dem grossflächigen Stromausfall. «Die Kommission wird die Situation weiter beobachten und dafür sorgen, dass ein reibungsloser Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten stattfindet», teilte die Behörde in Brüssel mit.

Der portugiesische Netzbetreiber Redes Energéticas Nacionais (REN) teilte am Montagabend mit, dass die Stromproduktion im Wasserkraftwerk Castelo do Bode und im Wärmekraftwerk Tapada de Outeiro wieder aufgenommen worden sei. Da diese Kraftwerke nun in Betrieb sind, kommt die Energieversorgung in Portugal allmählich wieder ins Laufen – zunächst in der Umgebung dieser Kraftwerke und nach und nach auch in weiter entfernten Gebieten.

Dennoch hatte der Ausfall massive Folgen: Der gesamte Bahnverkehr kam zum Stillstand, Flüge wurden beeinträchtigt, der öffentliche Nahverkehr eingeschränkt, und in zahlreichen Städten fielen die Ampelanlagen aus. In spanischen Grossstädten staute sich der Verkehr deshalb kilometerlang. Über Nacht blieben grosse Bahn- und Busbahnhöfe allerdings geöffnet, so dass gestrandete Passagiere ein Dach über dem Kopf hatten.

Die Generaldirektion für Verkehr rief die Bevölkerung auf, Fahrten mit dem Auto «so weit wie möglich» zu vermeiden. Auch andere Bereiche des öffentlichen Lebens sind betroffen.

Eine Schweizer Touristengruppe, die am Montagmorgen noch vor dem Stromausfall in Málaga gelandet war, berichtete im Gespräch mit der NZZ am Montagnachmittag von langen Schlangen vor Supermärkten und davon, dass in Restaurants nur noch Barzahlung möglich sei. In der Innenstadt allerdings herrsche keine grosse Aufregung – vom Verkehrschaos abgesehen.

In den sozialen Netzwerken meldeten sich allerdings Menschen, die aus steckengebliebenen Aufzügen befreit werden mussten, und vor Geschäften mit batteriebetriebenen Radios bildeten sich gemäss spanischen Medien lange Schlangen.

Das spanische Gesundheitsministerium teilte auf X derweil mit, dass die Spitäler über Reservesysteme verfügten, die die Versorgung sicherstellten. Man sei jedoch mit sämtlichen Regionalregierungen in Kontakt, um die Versorgungslage zu evaluieren. Viele Spitäler stellten jedoch auf Notfallversorgung um und sagten nicht-dringende Eingriffe und Behandlungen ab.

Mit Agenturmaterial.

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