Sonntag, Oktober 6

Trotz Abkommen und Investitionen in Marokko und Westafrika steigt die illegale Migration weiter. Pedro Sánchez plant nun einen neuen Deal: legale Arbeitsmigranten zur Eindämmung der illegalen Migration aus Mauretanien, Gambia und Senegal.

In Spanien bricht nach der Sommer- nun die Migrationssaison an. Sobald der Atlantik ruhiger wird, dominieren die Bilder von überfüllten Booten und von Migranten, die notfalls schwimmend versuchen, das spanische Festland zu erreichen, wieder die Öffentlichkeit.

Schon 2023 erreichte die Zahl der Migranten in Spanien fast das Niveau des Rekordjahres 2018. Im ersten Halbjahr 2024 sind bereits 66 Prozent mehr Migranten über das westliche Mittelmeer nach Spanien gekommen als im selben Zeitraum des Vorjahres. Sogar um 126 Prozent stieg die Zahl der Migranten, die von Mauretanien, Senegal und Gambia aus über die gefährliche westafrikanische Route zu den Kanarischen Inseln gelangen, im Vergleich zu 2023.

Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez reist deshalb in diesen Tagen durch Westafrika. Im Gepäck hat der Sozialist neben weiteren Finanz- und Wirtschaftshilfen, um illegale Migranten an der Abfahrt zu hindern, ein zusätzliches Angebot: Spanien will mit den westafrikanischen Staaten Abkommen zur Förderung der sogenannten zirkulären Migration schliessen. Früher hätte man von Gastarbeiter-Verträgen gesprochen.

Diese sehen vor, dass Mauretanier, Gambier und Senegalesen für eine bestimmte Zeit nach Spanien kommen können, um dort in Bereichen zu arbeiten, in denen ein Mangel an Arbeitskräften herrscht. Zwar dürften sie in den ersten vier Jahren maximal neun Monate pro Jahr in Spanien arbeiten und müssen danach wieder nach Hause zurückkehren. Wer diese Auflage allerdings erfüllt, kann dann eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung in Spanien beantragen.

Zwei Verdrängungseffekte zwingen Spanien zum Handeln

Dass Spanien diesen Weg wählt, ist ein Eingeständnis, dass die bisherige Politik nicht ausreicht. Zwar pflegt das Land mit dem südlichen Nachbarn Marokko eine enge Kooperation. Rabat fungiert seit Jahren als Türsteher des EU-Landes und hindert Migranten daran, über den Landweg auf spanischen Boden zu gelangen.

Das lässt sich Marokko teuer bezahlen: seit 2014 haben Spanien und die EU gemeinsam mehr als 400 Millionen Euro für die Hilfe überwiesen. 2022 sicherte sich Rabat ausserdem die Unterstützung Madrids im Westsahara-Konflikt.

Die Migration via Marokko nahm ab, aber Spanien verärgerte Algerien, das seitdem die Küstenkontrollen gelockert hat und keine abgewiesenen Asylbewerber mehr zurücknimmt. Viele Migranten weichen nun über Algerien aus oder schlagen sich an die Küsten Westafrikas durch, wo sie dann den Weg auf die Kanarischen Inseln antreten.

Weil Tunesien nach einem Abkommen mit der EU die zentrale Mittelmeerroute stark kontrolliert, schwenken nun auch Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Mali auf die westafrikanische Route um und brechen Richtung Spanien auf.

Genau das wollten sowohl die EU als auch Spanien in den letzten Jahren eigentlich verhindern. Mehr als 2,2 Milliarden Euro investierten Europa und Spanien seit 2014, um Fluchtursachen in den westafrikanischen Ländern zu bekämpfen und die Grenzüberwachung zu verstärken. Dafür entsandte Spanien gar knapp hundert Grenzpolizisten mit Booten.

Geld für Grenzschutz und Fluchtursachen sind zu wenig Anreiz

Mit der Ausweitung legaler Migrationswege für Bürger der wichtigsten Küstenländer Westafrikas erweitert Sánchez nun diese Strategie. Kritiker warnen bereits davor, dass dies zu einem weiteren Anstieg der Migrantenzahl führen könnte.

Das Risiko besteht. Doch vor dem Hintergrund, dass Milliardeninvestitionen in Finanzhilfen und Grenzschutz allein nicht zu nachhaltig sinkenden Zahlen geführt haben, sind Sánchez’ Abkommen einen Versuch wert.

Aus den Partnerländern Mauretanien, Gambia und Senegal emigrieren seit Jahren Tausende nach Spanien – alleine 2023 waren die Hälfte der Migranten Bürger dieser Länder. Spanien bietet diesen nun eine sichere und attraktive Alternative zur riskanten Atlantiküberfahrt, indem es ihnen einen schnellen und legalen Zugang zum spanischen Arbeitsmarkt ermöglicht. Dies soll wirtschaftliche Verbesserungen für die Migranten bringen und schliesslich auch den Herkunftsländern zugutekommen.

Die spanische Regierung erhöht damit auch den Anreiz für diese Länder, illegale Bootsmigranten daran zu hindern, die Überfahrt anzutreten. Das könnte Spanien wieder mehr Kontrolle darüber zurückgeben, wer an seinen Grenzen ankommt.

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