Montag, Oktober 7

Spaniens Regierung krebst beim Plan zurück, von Touristen E-Mail-Adressen und Kontonummern zu verlangen. Doch der Staat bleibt eine Gefahr als Datenkrake in der digitalen Welt.

In Spanien hat sich gerade im Kleinen abgespielt, was Bürger von westlichen Ländern noch lange beschäftigen wird. Es ist das Ringen zwischen einem Staat, der ungebremst Daten sammeln will, und den Menschen, die auf Freiheit und Privatsphäre pochen.

Spanien hat das am Beispiel der Touristen durchexerziert. Die Regierung wollte ein neues Melderegister einführen. Es sah vor, dass Touristen beim Aufenthalt in einem Hotel, beim Bezug einer Ferienwohnung oder beim Mieten eines Autos viel mehr persönliche Daten als bisher preisgeben müssen. Name, Geburtsdatum, Wohnort und Ausweisnummer sollten nicht mehr reichen. Der spanische Staat wollte zusätzlich auch die Kreditkartennummer, die E-Mail-Adresse, das Bankkonto oder den Zivilstand von Touristen wissen.

Madrid revidiert Pläne

Doch nun krebst die spanische Regierung zurück. Das neue Melderegister soll zwar in Kraft treten. Aber die Touristen müssten vorerst nicht mehr Daten preisgeben als bisher üblich, stellte der Innenminister klar. Es scheint eine Kompromisslösung zu sein, mit der die Regierung das Gesicht wahren kann und mit der sich für die Touristen doch nicht viel ändern soll.

Dass in Madrid Vernunft einkehrt, ist vor allem der spanischen Tourismusbranche zu verdanken. Sie hatte das neue Meldesystem vehement bekämpft – nicht aus hehren Motiven, sondern aus Eigeninteresse. Spanien hat im vergangenen Jahr 85 Millionen internationale Touristen empfangen. Damit war es weltweit das zweitbeliebteste Reiseland hinter Frankreich.

Das geplante Melderegister sei nicht nur ein bürokratischer Albtraum, sondern es drohe auch Touristen abzuschrecken, kritisierten die Tourismusverbände. Tatsächlich kann man sich gut vorstellen, dass Reisewillige öfter einen Bogen um Spanien machen würden, wenn der Staat von ihnen einen Daten-Striptease verlangte.

Nervöse Tourismusbranche

Der Fall zeigt einerseits, welch grosse Nervosität im Tourismussektor herrscht. Er ist zur Kampfzone geworden. In Barcelona will die Stadtverwaltung Airbnb-Wohnungen verbieten, nachdem aufgebrachte Einheimische in diesem Jahr Touristen mit Wasserpistolen attackiert haben. Auf den Balearen und den Kanarischen Inseln sind Tausende auf die Strassen gegangen, um gegen zu viele Reisende zu protestieren.

Doch gleichzeitig ist klar, dass der Tourismus für Spanien ein überaus wichtiger Wirtschaftszweig bleibt. Der «Overtourism» konzentriert sich auf wenige Hotspots, an vielen Orten möchte man hingegen die Touristen nicht missen. Die Branche reagiert empfindlich auf alle politischen Vorstösse, das Reisegeschäft stärker zu regulieren.

Gegen den digitalen Überwachungsstaat

Anderseits geht es bei diesem Fall um Grundsätzliches. Die spanische Regierung begründete die Notwendigkeit des neuen Meldesystems mit Sicherheitsinteressen: Man brauche die Daten, um das Land besser gegen Terrorismus und kriminelle Aktivitäten zu schützen. Ob dies zutrifft, sei dahingestellt. Auf jeden Fall zeigt sich: Auch in demokratischen Ländern droht der Staat zu einer Datenkrake zu werden, die auf allerlei persönliche Daten zugreifen will.

Dagegen sollten sich die Menschen wehren. Wenn der Staat ungebremst Daten sammelt, ist dies besonders problematisch. In der Privatwirtschaft können die Menschen immerhin noch ausweichen, wenn ihnen das Vorgehen eines Anbieters nicht passt. Digitale Dienste wie Google oder Facebook nicht zu verwenden, weil man sich um seine Privatsphäre sorgt, ist zwar schwierig. Aber es ist möglich, denn es gibt Alternativen. Der Staat hingegen hat eine Monopolstellung. Einem digitalen Überwachungsstaat können sich die Menschen nicht entziehen.

Es ist deshalb zu begrüssen, dass die spanische Regierung jetzt in ihrer überzogenen Datensammelwut gebremst worden ist. Der Fall hält eine Lehre bereit, die über die Iberische Halbinsel hinausstrahlt: Der Kampf für Privatsphäre lohnt sich – und er kann gewonnen werden.

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