Samstag, Oktober 5

Cédric Flaction verkaufte Hunderttausende Liter Wein mit falschen Etiketten. In dem Fall gibt es viele Verbindungen zur ähnlichen Affäre Dominique Giroud. Es könnte nur die Spitze des Eisberges sein.

Man nehme: 3000 Liter Wein der Rebsorte Heida, 900 Liter Gewürztraminer und andere Weissweine – sowie 5000 Liter spanischen Weins. Alles miteinander vermischen. Aber auf dem Etikett nur eine Rebsorte nennen, die traditionelle Walliser Heida. Nebst der geprüften Herkunftsbezeichnung «AOC Valais».

Rezepte dieser Art fanden die Ermittler in der Affäre um den Walliser Weinhändler Cédric Flaction. Sein Anwalt sagte vergangene Woche im Prozess vor dem Bezirksgericht in Sitten, diese Notizen dienten nur Versuchen, deren Resultate nie in den Handel gelangt seien. Überhaupt habe er nie – wie von der Anklage argumentiert – spanische und Schaffhauser Weine als Walliser Erzeugnisse verkauft, sagte Flaction.

Das Gericht jedoch ist am Montag in der Sache weitgehend der Staatsanwaltschaft gefolgt. Es verurteilte Flaction wegen gewerbsmässigen Betrugs, Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsführung.

Gericht kritisiert Staatsanwaltschaft

Beim Strafmass hingegen wich das Gericht deutlich von den Forderungen der Anklage ab: Es verurteilte Flaction nicht zu fünf, sondern nur zu dreieinhalb Jahren Gefängnis. Das Gericht begründete das unter anderem mit einem Verstoss gegen das Beschleunigungsgebot – auf gut Deutsch: Die Staatsanwaltschaft ermittelte zu lange bis zur Anklage, nämlich seit 2017.

Zudem reduzierte das Gericht die Geldsumme, die Flaction zum Ausgleich seines illegalen Gewinns in die Staatskasse zahlen soll, erheblich: Statt zwölf Millionen Franken – wie von der Staatsanwaltschaft gefordert – sind es nur knapp zwei Millionen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Flaction in den Jahren 2009 bis 2016 Hunderttausende Liter Wein mit falschen Walliser Etiketten verkauft habe. Dafür kaufte Flaction bei zwei Händlern in der Deutschschweiz insgesamt 730 000 Liter spanischen und 105 000 Liter Schaffhauser Weins. Ausserdem kaufte er die Überproduktion von Walliser Winzern, die eigentlich nicht in den Handel geraten darf. Die Produktionsmengen im Weinbau sind mit Quoten beschränkt.

Betrügen sei für Flaction zur Gewohnheit geworden, sagte die vorsitzende Richterin bei der Urteilsverkündung laut Westschweizer Medienberichten. «Er hat sein Unrecht nur sehr teilweise anerkannt und keine Verantwortung für sein Handeln übernommen.» Weiter erwähnte die Richterin Flactions «Mangel an Glaubwürdigkeit» und «wiederholte Dementis», die im Widerspruch zu den objektiven Elementen der Akte stünden.

Porsche und Ferraris beschlagnahmt

Der Angeklagte habe «dank den erzielten Margen erhebliche Gewinne erzielt», sagte die Richterin. Die Ermittler hatten von Flaction mehrere Immobilien sowie 13 Autos beschlagnahmt, unter anderem Luxuswagen von Porsche, Ferrari und Aston Martin.

Viele Fragen sind weiterhin offen. Etwa diese: In welchen Flaschen befand sich letztlich der gepanschte Wein? Niemand habe das vor Gericht nachweisen können, hatte der Verteidiger Julien Ribordy kritisiert. Den Schaffhauser Pinot noir etwa habe Cédric Flaction legal als Landwein oder Schweizer Tafelwein verkauft.

Dem Gericht reichten andere Belege für das Betrugssystem. So kaufte Flaction regelmässig die Weine ausserhalb des Wallis, um wenig später grosse Mengen vermeintlichen Walliser Weins zu verkaufen. Die Staatsanwaltschaft hatte etwa auf Dutzende gefälschte Rechnungen verwiesen. Mit ihnen habe Flaction belegen wollen, dass er Walliser Wein eingekauft habe, nicht solchen aus Spanien und Schaffhausen.

Die Affäre um Cédric Flaction hat viele Verbindungen mit jener um den Walliser Weinhändler Dominique Giroud, der unter anderem wegen Urkundenfälschung und Steuerbetrugs verurteilt worden war. So behauptete Flaction vor Gericht, den spanischen Wein habe er an Giroud verkauft.

Laut der Staatsanwaltschaft hatte Flaction zudem falsche Rechnungen in Höhe von drei Millionen Franken auf den Namen Girouds ausgestellt. Der Walliser Zeitung «Le Nouvelliste» sagte ein Anwalt Girouds, sein Klient sei sehr überrascht davon, dass sein Unternehmen in diesem Zusammenhang genannt werde.

Weitere «Walliser Weine» aus dem Ausland

Die Machenschaften von Flaction und Giroud könnten nur die Spitze des Eisbergs im Walliser Weinhandel sein. Der Chef des Branchenverbands Swiss Wine Valais, Yvan Aymon, sprach kürzlich in einem Interview von einem «System». Er verwies zudem darauf, dass die Polizei 2022 zwei Lastwagen mit ausländischem Wein entdeckte, der ebenfalls als angeblicher Wein AOC Valais verkauft werden sollte. Der Branchenverband habe deshalb Anzeige erstattet wegen unlauteren Wettbewerbs.

Die Saga um die gepanschten Walliser Weine dürfte noch weitergehen. Cédric Flaction sagte am Montag, er warte auf die Urteilsbegründung und behalte sich vor, in Berufung zu gehen. Und im Fall Dominique Giroud soll ein Sonderermittler bis Ende des Jahres Anklage zu weiteren Vorwürfen erheben.

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