Teure Nischendüfte, günstige Eigenmarken und konsequente Rabattjagden: Das Weihnachtsgeschäft 2024 zeigt, wie widersprüchlich der Schweizer Konsum geworden ist.
Das Jahr 2024 spielt dem Detailhandel in die Hände – zumindest vom Kalender her. Heiligabend fiel auf einen Dienstag, und viele Menschen haben bereits seit Freitag frei. Vier arbeits- und schulfreie Tage standen zur Verfügung, um Weihnachtsvorbereitungen zu tätigen und Geschenke einzukaufen – ideale Voraussetzungen für den Detailhandel. Doch hatten die Menschen auch Lust, Geld auszugeben? Diese Frage ist angesichts der wirtschaftlichen und weltpolitischen Gemengelage nicht leicht zu beantworten.
Kaufkraft gestärkt, aber Preissensibilität bleibt
Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zeigen ein gemischtes Bild. Die Schweizer Wirtschaft verzeichnet zwar ein leichtes Plus, das jedoch weitgehend auf das Bevölkerungswachstum zurückzuführen ist. Gleichzeitig hat die Kaufkraft 2024 wieder zugenommen – dank einer deutlich zurückgegangenen Inflation. Dennoch belasten steigende Krankenkassenprämien und die unsichere Weltlage das Konsumverhalten vieler Haushalte.
Dagmar Jenni, Direktorin der Swiss Retail Federation, beschreibt das Kaufverhalten als zwiespältig: «Mit der Inflation im vergangenen Jahr hat die Preissensibilität der Kundschaft stark zugenommen», sagt sie, «und sie ist geblieben, obschon wir kaum mehr Teuerung haben.» Die Kunden griffen vermehrt zu günstigeren Produkten, nicht unbedingt aus finanzieller Not, sondern oft aus bewusster Sparsamkeit. Paradoxerweise seien sie jedoch bereit, bei bestimmten Marken oder Produkten tief in die Tasche zu greifen. «Die Menschen sparen an der einen Stelle und leisten sich an der anderen etwas Besonderes», erklärt Jenni.
Zwischen Stagnation und leichtem Wachstum
Die Warenhausgruppe Manor spürt die wachsende Preissensibilität deutlich. Laut dem CEO Roland Armbruster sind die Besucherzahlen stabil, doch die Kunden achten verstärkt auf Preise. Besonders gefragt seien deshalb Eigenmarken und Rabatte. Die Black Week brachte Manor hervorragende Umsätze. Allerdings gingen diese zulasten der Wochen davor und danach, die merklich schwächer ausfielen. Insgesamt erwartet Armbruster ein Weihnachtsgeschäft auf Vorjahresniveau – ein zufriedenstellendes Ergebnis.
«10 000 Panettone bestellt und praktisch alle verkauft»
am. Fragt man Schweizer Warenhäuser nach den Bestsellern dieses Weihnachtsgeschäfts, zeichnet sich im Lebensmittelbereich ein klarer Favorit ab: der Panettone. Der kuppelförmige Hefekuchen aus Mailand wird inzwischen in unzähligen Varianten und Preisklassen angeboten. Jelmoli etwa hat laut dem CEO Reto Braegger 10 000 Exemplare eingekauft – und fast alle verkauft. Im Non-Food-Bereich dominieren Adventskalender, die es mittlerweile ebenfalls in den verschiedensten Ausführungen gibt. Cashmerepullover erfreuen sich ebenfalls grosser Beliebtheit. Gleichzeitig erlebt ein ganz anderer Pullover-Trend einen Aufschwung: der sogenannte Ugly Sweater. Dieser bunte, oft kitschige Weihnachtspullover, ein Trend aus den USA, hat sich nun offenbar auch in der Schweiz etabliert. Manor bietet laut dem CEO Armbruster mittlerweile über dreissig verschiedene Designs an. Bei Galaxus sieht die Hitliste etwas anders aus: Dort ist Lego der grosse Renner, vor dem iPhone und Dubai-Schokolade.
Globus verzeichnet ein leicht anderes Konsumverhalten. Laut dem CEO Franco Savastano kaufen die Kunden weniger, dafür aber hochwertigere Geschenke. So sei etwa dieses Jahr Champagner statt Prosecco gefragt. Und bei den Parfums stünden hochpreisige Nischendüfte zuoberst auf der Begehrtheitsskala. Insgesamt erwartet Savastano gegenüber dem Vorjahr ein leichtes Umsatzplus, was auch der Wiedereröffnung des Geschäfts am Bellevue im November zu verdanken sein dürfte.
Auch beim Online-Händler Brack wurden dieses Jahr eher weniger, dafür grössere Geschenke gekauft, wie das Unternehmen auf Anfrage angibt. Insgesamt rechnet Brack gegenüber dem Vorjahr mit einem leicht höheren Umsatz im Weihnachtsgeschäft. Es gehe jedoch um Änderungen im einstelligen Prozentbereich, so dass man bestenfalls von Tendenzen sprechen könne.
Was die Black-Friday-Woche betrifft, war diese bei Brack sehr erfolgreich. Das Unternehmen machte laut eigenen Angaben in der letzten Novemberwoche 25 Prozent mehr Umsatz als im Vorjahr und erzielte das beste Ergebnis je. Aber auch bei Brack ging dieses Umsatzplus teilweise auf Kosten des Geschäfts davor und danach. «Die Menschen beziehen die Rabatt-Tage offenbar immer gezielter in ihre Planung mit ein und warten mit Geschenkkäufen oder grösseren Anschaffungen, bis sich die Anbieter in der Black Week mit Angeboten gegenseitig unterbieten», schreibt Brack.
Stationäre Ladengeschäfte behaupten sich gut
Detaillierte Zahlen zum Weihnachtsgeschäft werden erst in ein paar Wochen vorliegen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird es ein ansprechendes, aber kein aussergewöhnliches Jahr. Eine Auswertung von Swisscard für die NZZ zeigt, dass zumindest die erste Hälfte (letzte Novemberwoche bis Mitte Dezember) gut gelaufen ist. Laut dem Kreditkartenunternehmen lagen die Umsätze im Schweizer Detailhandel in der Black-Friday-Woche und den beiden ersten Dezemberwochen um 7 Prozent über dem Vorjahr. Dabei war das Wachstum vor allem in den stationären Läden deutlich – in den Warenhäusern gar zweistellig.
Die Zahlen bestätigen die Resultate der jährlichen Weihnachtsumfrage, die das Beratungsunternehmen EY dieses Jahr zusammen mit der Swiss Retail Federation durchgeführt hat. Sie hatte gezeigt, dass die Konsumenten hierzulande dieses Jahr für Weihnachtsgeschenke genau so viel ausgeben wollen wie im Vorjahr, nämlich im Schnitt 282 Franken. Sie ergab auch, dass der stationäre Handel – speziell Einkaufszentren und Warenhäuser – seinen Marktanteil wieder steigern kann. Der Online-Handel erreicht noch 37 Prozent, während der stationäre Handel auf 56 Prozent kommt. Dabei konnten sich die Einkaufszentren und Warenhäuser um 6 Prozentpunkte auf 29 Prozent steigern.
Dass Einkaufszentren und Warenhäuser wieder im Aufwind sind, hat für Dagmar Jenni vom Verband Swiss Retail Federation mehrere Gründe: «Zum einen wird das weihnachtliche Einkaufserlebnis wieder stärker geschätzt; zum anderen merkt man immer noch einen gewissen Rückkehreffekt nach der Corona-Pandemie zu mehr persönlichem Kontakt.» Dabei scheine es die Kundschaft zu schätzen, mehrere Marken und Läden unter einem Dach zu haben. Dieser Trend sei online ebenfalls zu beobachten. Auch dort wüchsen Plattformen und Marktplätze am stärksten.
Sonderfall Jelmoli
Das Zürcher Warenhaus Jelmoli ist in diesem Jahr ein Sonderfall. Aufgrund der bevorstehenden Schliessung im Februar 2025 verzeichnete es Rekordumsätze. «Unsere Verkaufszahlen liegen täglich 20 bis 30 Prozent über dem Vorjahr, an einzelnen Tagen sogar bis 50 Prozent», berichtet der CEO Reto Braegger. Der Grund: Viele Waren sind bereits jetzt stark reduziert, was Kunden in Scharen anzieht.
Der Erfolg zeigt, was die Kundschaft gerne hätte. Einkaufen vor Ort, in einem schönen Ambiente, aber zu Ausverkaufspreisen. Das ist selbstredend keine Strategie, die aufgeht, denn zum Überleben bleibt bei solchen Preisen unter dem Strich nicht genügend übrig. Bei Jelmoli spielt das keine Rolle mehr – der Ausverkauf ist Teil des Abschieds.