Mittwoch, März 19

Die Korrektur von Fehlanreizen und eine stärkere Selbstbeteiligung sind effektive Wege, um das Kostenwachstum zu bremsen.

Die Gesundheit ist uns teuer, doch die Kosten dafür werden immer schwerer. Was also tun, um diese erträglicher zu machen? Die Gesundheits-Initiativen, die am 9. Juni zur Abstimmung kommen, bieten zwei Ansätze. Leider haben beide grundlegende Schwächen.

Fehlanreize führen zu Mengenausweitung

Der wesentliche Fehler der Prämien-Entlastungs-Initiative ist, dass nicht gespart wird . Die reine Deckelung ändert nichts an den Ursachen der hohen Gesundheitskosten. Ein Teil der Prämienzahler würde zwar entlastet. Die Kosten auffangen sollen aber Bund und Kantone. Damit landet die Rechnung via Hintertür wieder beim Steuerzahler. Der langjährigen Tendenz zur Ausweitung der Mengen wird nichts entgegengesetzt. Durch die erweiterte Prämienentlastung sinkt sogar der Sparwille.

Bei der Kostenbremse-Initiative würde zwar effektiv gespart. Zum Zeitpunkt der Abstimmung bleibt aber unklar, wo genau der Hebel angesetzt werden soll. Die Gefahr ist deshalb, dass dies dort passiert, wo der Widerstand am geringsten ist. Gegnerinnen und Gegner der Initiative befürchten, dass Behandlungen verzögert werden und längere Wartezeiten entstehen.

Da das eigentliche Problem weniger in den Kosten der einzelnen Leistungen liegt als vielmehr in der Mengenausweitung, müssten wirksame Massnahmen hier anknüpfen. Ökonomisch sinnvoller als eine stärkere Regulierung, Preisobergrenzen oder eine Ausweitung der staatlichen Kontrollen sind Massnahmen, die Fehlanreize korrigieren, und zwar auf der Ebene der Patienten, der Leistungserbringer, des Staats und der Hersteller von Medikamenten und Hilfsmitteln.

Eigenverantwortung der Patienten

Sind Franchise und Selbstbehalt ausgeschöpft, haben die Patienten keinerlei Anreize mehr, weniger Leistungen zu beziehen. Um die Gesundheitskosten zu senken, ist es notwendig, die Eigenverantwortung der Versicherten zu stärken.

Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die Franchise. Die Mindestfranchise von 300 Franken wurde seit Jahren nicht mehr angehoben. Sie könnte an die Lohnentwicklung angepasst werden. Ein weiterer Ansatz ist, die Franchise einkommensabhängig zu gestalten, wie es etwa Werner Widmer, Lehrbeauftragter der Universität St. Gallen und Universität Luzern, vorgeschlagen hat. So könnte die Franchise bis auf zehn Prozent des Einkommens eines Haushalts steigen.

Dadurch wären Menschen mit höheren Einkommen länger direkt an den Kosten beteiligt. Man überlegt sich dann eher, ob eine Behandlung wirklich sinnvoll und notwendig ist. Fällt die Selbstbeteiligung weg, besteht aufgrund der hohen Prämien ein Anreiz, aus Vorsicht eher einmal etwas mehr kontrollieren zu lassen als nötig.

Zielführende Anreize für Leistungserbringer

Auch bei den Leistungserbringern krankt das System an falschen Anreizen. In der Regel werden Einzelleistungen vergütet. Je mehr Behandlungen ein Arzt oder Therapeut erbringt, desto höher sein Einkommen. Abhilfe schaffen Systeme, bei denen die Leistungserbringer an der Gesundheit verdienen statt an der Krankheit. Sie zielen darauf ab, sinnlose oder sogar schädliche Überversorgung zu vermeiden. Das Mittel dazu sind integrierte Versorgungsnetzwerke, wie der Gesundheitsökonom Tilman Slembeck immer wieder betont. In diesen Bereich fällt auch die Förderung von Managed-Care- und Hausarztmodellen sowie der Telemedizin.

Zentralisierte Spitalplanung und Parallelimporte

Ungelöste Zielkonflikte zeigen sich auch beim Staat beziehungsweise bei den Kantonen. Beträchtliche Beträge liessen sich sparen, wenn unausgelastete Spitäler geschlossen würden. Sie sind in der Schweiz im Schnitt nur zu 80 Prozent ausgelastet. Bereits 2017 hatte der Bericht einer Expertengruppe zur Dämpfung des Kostenwachstums im Gesundheitswesen gefordert, dass der Bund das Spitalwesen planen sollte und nicht mehr die Kantone.

Das hätte zudem den Vorteil, dass komplexe Behandlungen an weniger Standorten durchgeführt würden, dafür von hochspezialisierten Teams. Nicht jedes Spital muss, um ein einfaches Beispiel zu nennen, Knie und Kreuzbänder operieren. Dass die Bevölkerung Spitalaufenthalte in der Nachbarschaft erwartet und die Politiker diesem Wunsch nur zu gern entsprechen, ist zwar eine heilige Schweizer Kuh. Die Patienten sind sich oft zu wenig bewusst, dass es umso weniger Komplikationen gibt, je höher die Fallzahlen und entsprechend erfahrener die Ärzteteams sind. Eine weite Anfahrt zum Spital ist weniger schmerzhaft als eine schlecht operierte Hüfte.

Sparen lässt sich auch bei den Medikamenten. Viele Ökonomen plädieren dafür, Parallelimporte von patentgeschützten Medikamenten zu erlauben. Dagegen wehrt sich allerdings die Pharmaindustrie, denn die Praxis, Medikamente in der Schweiz teurer zu verkaufen als im Ausland, würde dadurch erschwert. Immer wieder genannt wird ferner eine Verpflichtung von Apothekern und selbstdispensierenden Ärzten, Generika abzugeben.

Effizienzsteigerung durch Digitalisierung

Ein weiterer Ansatz ist die Förderung der Digitalisierung einschliesslich automatisierter Abrechnungsverfahren. So können Verwaltungsprozesse effizienter gestaltet und Behandlungsfehler eher vermieden werden. Die Einführung eines elektronischen Patientendossiers würde das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Gesundheitsanbietern verbessern. Heikel ist dabei, dass Datendiebstähle und damit eine potenzielle Verletzung der Privatsphäre nie zu 100 Prozent ausgeschlossen werden können.

Ein weiterer Kostentreiber ist die zunehmende Zahl von Gesetzen, Erlassen und neuen Auflagen im Gesundheitswesen. So fordert etwa Fridolin Marty, Leiter Gesundheitspolitik beim Wirtschaftsverband Economiesuisse, dass nicht nur die Leistungen, sondern auch die Gesetze und Verordnungen auf ihren Nutzen und ihre Wirtschaftlichkeit geprüft werden müssten.

Hohe Ansprüche

Doch selbst wenn das Sparpotenzial künftig besser ausgeschöpft wird als in der Vergangenheit: Auch in Zukunft muss mit hohen Kosten gerechnet werden. Gründe dafür sind die demografische Alterung der Bevölkerung, die zu einem höheren Bedarf an Gesundheitsleistungen führt. Zudem haben sowohl die Möglichkeiten der Medizin wie auch die Ansprüche an sie enorm zugenommen. Im Krankheitsfall will jeder die beste Behandlung.

Eine gute Gesundheitsversorgung kostet. Wirtschaftlicher Erfolg ist die Grundlage, dass man sich das leisten kann. Sparpotenziale auszuschöpfen und die Anreize für möglichst alle Beteiligten richtig zu setzen, ist notwendig, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Ein Gesundheitssystem, bei dem man alles bekommt und nichts oder zu wenig zahlt, ist eine trügerische Illusion.

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