Samstag, September 28

Man redet viel vom Sparen in Bern, macht es aber kaum. Bilanz einer kostspieligen Session.

Mit dem Wald und den Bäumen ist es so eine Sache. Wer den Überblick verliert, sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Man kann aber auch vor lauter Wald das grosse Ganze aus dem Blick verlieren. Den Beweis dafür haben National- und Ständerat in der Herbstsession erbracht, die am Freitag zu Ende gegangen ist.

Viele Debatten in diesen drei Wochen standen im Zeichen des Geldes – des fehlenden Geldes. Der Bund hat in den letzten vier Jahren Defizite geschrieben und Schulden gemacht, und die Ausgaben werden auch in den nächsten Jahren stärker wachsen als die Einnahmen, wenn die Politik nichts dagegen unternimmt. Der Bundesrat arbeitet an einem Entlastungspaket, das bereits für erhebliche Unruhe sorgt. Dies ist das grosse Ganze, das die Herbstsession prägte. Im Kleinen aber ging es, zum Beispiel, um den Wald.

«Programmvereinbarungen im Umweltbereich»: Unter diesem Titel hat das Parlament über mehrere Kredite verhandelt, wovon einer den Wald betrifft. Wie viel Geld soll der Bund einsetzen, um Schutzwälder aufzuforsten oder die Artenvielfalt zu verbessern? 450 Millionen Franken für vier Jahre: So hat es der Bundesrat vorgesehen.

Bäumige Lobbyarbeit

Doch da hat er die Rechnung ohne Daniel Fässler gemacht. Der Mitte-Politiker ist nicht nur Ständerat von Appenzell Innerrhoden, sondern auch Präsident von Wald Schweiz, dem Verband der Waldeigentümer. Seine Lobbyarbeit hat bäumig funktioniert. In den letzten Jahren hatte er mit mehreren Vorstössen vorgespurt, nun konnte er ernten: Fässler hat den Ständerat dazu gebracht, das grosse Ganze mitsamt allen Bedenken beiseitezuschieben – und im Kleinen die Ausgaben für den Wald um 100 Millionen Franken oder 22 Prozent aufzustocken.

Dann geschah etwas Ungewöhnliches: Der Nationalrat zeigte sich finanzpolitisch für einmal restriktiver als der Ständerat und lehnte die Krediterhöhung für die Waldeigentümer ab – zumindest im ersten Anlauf. Im weiteren Hin und Her zwischen den Kammern hat der Ständerat einen Kompromiss vorgeschlagen: eine Erhöhung um 70 statt 100 Millionen.

Damit waren am Ende auch die Nationalräte der Mitte sowie rund die Hälfte der SVP-Fraktion einverstanden. Die Linke ihrerseits hat die finanzpolitische Aufforstung ebenfalls unterstützt. Und so kam es schliesslich, dass der exemplarische Deal in beiden Kammern eine Mehrheit fand.

Vorentscheide sind wirkungsvoll

So lief das nicht nur beim Wald, ganz generell haben die eidgenössischen Räte in den vergangenen drei Wochen eifrig vom Sparen gesprochen und gleichzeitig enorme Ausgaben beschlossen. Es war, so betrachtet, eine relativ kostspielige Session. Die Finanzverwaltung hat eine Übersicht über alle Finanzbeschlüsse erstellt, die National- und Ständerat gefällt haben. Manche sind noch nicht definitiv, und am Ende zählt immer nur das, was das Parlament Ende Jahr jeweils in das Budget für das nächste Jahr schreibt. Aber die Budgetdebatte beginnt nicht im luftleeren Raum. Mit Vorentscheiden wie in dieser Session stellt das Parlament die Weichen, zeigt, wo es Prioritäten setzen will – und wo nicht, wobei dieser Teil oft vergessengeht.

90 Milliarden Franken: Dies ist die Summe aller finanzrelevanten Entscheide der Herbstsession für die künftigen Bundesausgaben, wenn man nur die grössten Posten zusammenzählt.

Der Betrag muss jedoch relativiert werden: Dass er derart hoch ausfällt, liegt daran, dass die meisten Beschlüsse Zahlungsrahmen umfassen, die jeweils Ausgaben für vier Jahre definieren. Sie legen Obergrenzen fest, von denen das Parlament später theoretisch abweichen kann, was praktisch nicht immer so einfach ist. Steht ein Betrag einmal in einem Zahlungsrahmen, wird er von der zuständigen Lobby schleunigst zum «Versprechen» umgedeutet, das mit aller Kraft verteidigt wird.

Bürgerliche gegen Bürgerliche

Vor allem aber zeigt die Finanzbilanz der Session, wie wenig die vorwiegend rot-grüne Rhetorik von Abbau und Kahlschlag, von Kaputt- und Totsparen mit der Realität zu tun hat. Der Staat gedeiht weiter. Selbst wenn alle Kürzungen umgesetzt würden, die der Bundesrat nun ins Auge fasst, würden die Ausgaben immer noch wachsen. Vereinzelt gäbe es zwar tatsächlich Bereiche, in denen der Bund weniger ausgeben würde als bisher – oder in denen er auf geplante neue Subventionen verzichtet, etwa bei der Kinderbetreuung oder den Nachtzügen.

Bei den meisten Aufgaben aber, von Bildung über Verkehr bis Sozialstaat, gäbe es immer noch einen Anstieg, der lediglich geringer ausfiele. Punktuell ist auch eine weitere Expansion des Förderstaats geplant, so hat der Ständerat in dieser Session beschlossen, den Güterverkehr stärker zu subventionieren als bisher – entgegen dem Rat der Expertengruppe, die für den Bund Sparvorschläge erarbeitet hat. Und in zwei Bereichen werden die Ausgaben unabhängig von der Sparübung in jedem Fall stark wachsen: bei der AHV und der Armee.

Um die Landesverteidigung ging es beim gewichtigsten Finanzbeschluss der Herbstsession. Nach langer, hitziger Debatte hat sich der Nationalrat beim Zahlungsrahmen für die Armee dem Ständerat angeschlossen. Damit fand ein zäher Grabenkampf ein vorläufiges Ende: Auf der einen Seite steht das Parlament, auf der anderen der Bundesrat. Hier wie dort haben SVP, FDP und Mitte die Mehrheit, eine Einigung lässt dennoch auf sich warten.

Für die Armee hat der Bund in den Jahren 2021 bis 2024 kumuliert rund 22,6 Milliarden Franken ausgegeben. Für die nächsten vier Jahre sieht der Bundesrat einen Anstieg auf 25,8 Milliarden vor. Das Parlament hat nun aber beschlossen, dass es 29,8 Milliarden sein sollen, 30 Prozent mehr als in der letzten Vierjahresperiode. Noch ist unklar, wie das Parlament die Aufstockung finanzieren will, zumal in der Bundeskasse bereits jetzt beträchtliche Lücken drohen. Die Ideen reichen von weiteren Kürzungen etwa bei der Entwicklungshilfe über eine Finanzierung zulasten der Kantone bis hin zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer.

Hier etwas mehr, dort etwas mehr

Erschwerend kommt hinzu, dass das Parlament in dieser Session auch bei Finanzbeschlüssen ausserhalb des Armeebudgets mit Sparsamkeit gegeizt hat. Der Ständerat hat entgegen früheren Absichtserklärungen darauf verzichtet, die Gelder für die Entwicklungshilfe zu reduzieren. Hier ist nun der Nationalrat am Zug. Umgekehrt wollte dieser die Ausgaben für die Eisenbahn nicht kürzen. Stattdessen hätte eine Mitte-links-Allianz beinahe noch eine halbe Milliarde obendrauf gepackt. Im Ständerat könnte es ähnliche Versuche geben, der Ausgang ist offen.

Bereinigt sind hingegen die Ausgaben für die Kultur, auch hier hat das Parlament davon abgesehen, die Anträge des Bundesrats zu kürzen, und hat sie stattdessen sanft erhöht (plus 2 Millionen). Ebenfalls zur Debatte stand der Zahlungsrahmen für Bildung, Forschung und Innovation, der deutlich mehr Geld bindet. Auch hier hat das Parlament den Vorschlag des Bundesrats – gut 29 Milliarden bis 2028 – nicht nur nicht reduziert, sondern sogar noch aufgestockt. Die Erhöhung beträgt zwar «nur» 60 Millionen, bestätigt aber die Regel: Wenn das Parlament bei einem Finanzbeschluss von der Planung des Bundesrats abweicht, dann fast immer nach oben.

Nachzutragen bleibt, dass das Parlament nicht einfach nur Geld verteilt, sondern tatsächlich auch Ausgaben reduziert hat: Die beiden Räte sind sich einig, dass sie den Bundesbeitrag an die Arbeitslosenversicherung temporär senken wollen, falls es deren Finanzlage zulässt. So wollen sie in den nächsten drei Jahren 1,3 Milliarden Franken «sparen».

Spannend wird es im Dezember. In der Budgetdebatte wird Kosmetik nicht genügen.

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