Freitag, September 20

Die Regierung will rund 90 Prozent der jüngst erhaltenen Sparempfehlungen umsetzen. Zudem strebt sie Mehreinnahmen von etwa 300 Millionen Franken pro Jahr an.

Das ist schnell gegangen. Die vom Bundesrat eingesetzte Expertengruppe unter Leitung des früheren Bundesfinanzverwalters Serge Gaillard hatte erst vor gut zwei Wochen ihre Vorschläge zu Einsparungen im Bundeshaushalt vorgelegt. Nun hat der Bundesrat bereits entschieden, wie er die ohne Reformen drohenden Milliardendefizite vermeiden will.

Gemäss den jüngsten Planrechnungen müsste der Bund ohne Gegenmassnahmen ab 2027 mit strukturellen Jahresdefiziten von rund 3 Milliarden Franken rechnen – Tendenz weiter steigend, vor allem wegen der überproportionalen Kostenzunahmen für die AHV und die Armee. Den Korrekturbedarf für 2030 beziffert die Regierung auf 3,2 Milliarden Franken. Und sollen die Armeeausgaben so rasch steigen, wie es das Parlament will, kämen nochmals 1 bis 1,5 Milliarden Franken pro Jahr hinzu.

Ausgaben im Hauptfokus

Das Paket der Gruppe Gaillard umfasste über sechzig Vorschläge. Deren Hauptvariante sieht die Sanierung allein über die Reduktion der Ausgaben beziehungsweise des Ausgabenwachstums vor. Die Nebenvariante enthält zusätzlich auch einige Vorschläge zur Einnahmensteigerung (vor allem Reduktion von Steuerprivilegien).

Gemessen am Sparpotenzial hat der Bundesrat nun rund 90 Prozent der Sparempfehlungen der Expertengruppe übernommen. Die Anhänger eines einigermassen konsequenten Sparkurses dürften in der Regierung eine knappe 4:3-Mehrheit haben (je zwei FDP- und SVP-Exponenten). Im Parlament werden es die Sparer schwieriger haben.

Die Regierung strebt auf der Ausgabenseite eine Entlastung ab 2027 von mindestens 3,5 Milliarden Franken pro Jahr an; bis 2030 soll dieser Effekt auf 4,3 Milliarden steigen. «Sparen» ist in der Bundespolitik relativ. Gemäss dem Bundesratskurs sollen die Bundesausgaben in den kommenden Jahren nicht mehr um durchschnittlich etwa 3 Prozent jährlich wachsen, sondern «nur» noch um etwas über 2 Prozent.

Der grösste Einzelposten beim Sparkurs der Regierung betrifft die Kinderkrippen: Der Bund soll, wie von den Experten vorgeschlagen, auf die Krippenfinanzierung verzichten und diese voll den Kantonen überlassen (Sparwirkung beim Bund 800 bis 900 Millionen Franken pro Jahr). Hier geht es nicht um eine Ausgabenreduktion beim Bund, sondern um die Vermeidung von Zusatzausgaben, die zurzeit Gegenstand einer im Parlament steckenden Gesetzesvorlage sind. Zur Debatte steht dabei auch die Finanzierung von Krippensubventionen via Lohnabzüge.

Im Weiteren sollen die Bundessubventionen für die AHV künftig «nur» noch proportional zur Wirtschaftsentwicklung steigen; die Subventionen wären künftig an die Entwicklung der Mehrwertsteuer gebunden statt an die Entwicklung der AHV-Ausgaben. Ob das mittelfristig zu höheren Lohnabzügen oder zur Bremsung des ständigen Leistungsausbaus der AHV führt, muss sich noch zeigen. Auch die Bundessubventionen für die Verbilligung der Krankenkassenprämien sollen weniger schnell steigen.

Übernommen hat die Regierung auch noch viele andere Empfehlungen der Expertengruppe – zum Beispiel zu den Bundesbeiträgen an die Kantone für die Integration der Flüchtlinge, zu den Subventionen für den Regionalverkehr, den Tourismus und die Landwirtschaft. Auch im Eigenbereich einschliesslich der Personalausgaben will der Bundesrat die Ausgaben wie empfohlen bremsen (Sparwirkung 300 Millionen Franken pro Jahr).

Überbrückungsrente soll bleiben

Die Regierung erwähnte in ihrer Mitteilung vom Freitag gut ein halbes Dutzend Expertenvorschläge, die sie nicht oder nur teilweise übernommen hat. So will sie zum Teil an den Klimasubventionen festhalten, obwohl die Experten dort erhebliches Verschwendungspotenzial geortet hatten.

Der Bundesrat begründet sein Festhalten namentlich mit dem Volksentscheid vom vergangenen Jahr zum Klimagesetz. Dieses Gesetz enthält neue Subventionen für Unternehmen und Gebäudeeigentümer. Allerdings sollen diese neuen Subventionen direkt mit der CO2-Abgabe statt zulasten des Bundeshaushalts finanziert werden. Und die Klimasubventionen im Rahmen des schon länger bestehenden Gebäudeprogramms will die Regierung reduzieren oder eventuell ganz streichen. Die Details sind hier noch offen.

Festhalten will der Bundesrat an den erst 2021 eingeführten Überbrückungsleistungen für ältere Langzeitarbeitslose. Auch hier verwies die Regierung auf einen Volksentscheid. Diese neue Sozialmassnahme war zwar nicht Gegenstand eines Urnengangs, doch sie wurde im Hinblick auf die Abstimmung über die SVP-Volksinitiative zur Begrenzung der Einwanderung eingeführt, um die Linke zum Widerstand gegen die rechte Volksinitiative zu motivieren.

Vom empfohlenen Verzicht auf die Subventionierung des Güterverkehrs will der Bundesrat absehen, weil ein Gesetzesprojekt zum Güterverkehr zurzeit im Parlament stecke – und das Parlament direkt selber entscheiden könne, was es wolle. Nur zur Hälfte übernahm der Bundesrat die Expertenempfehlung zur Streichung der indirekten Presseförderung (Verbilligung der Zustellung). Anstelle der empfohlenen Abschaffung wolle man diese Subventionen von 50 auf 25 Millionen Franken pro Jahr halbieren und sie auf die Lokal- und Regionalpresse fokussieren.

Ein Steuerprivileg soll fallen

Den grössten Teil des Sanierungspakets sollen Korrekturen auf der Ausgabenseite ausmachen. Finanzministerin Karin Keller-Sutter hatte schon wiederholt betont, dass der Bund kein Einnahmenproblem habe, sondern ein Ausgabenproblem. Ob man 1990, 2000 oder 2010 als Ausgangsjahr nimmt: Die Bundesausgaben sind in den letzten Jahrzehnten etwa im Einklang mit der Volkswirtschaft gewachsen oder sogar stärker. Die Regierung verwies überdies am Freitag auf mehrere jüngst beschlossene oder bald kommende Steuererhöhungen, die 2027 zusammen einschliesslich Kantonsanteile etwa 7 Milliarden Franken ausmachen könnten und in den Finanzplänen schon berücksichtigt sind.

Dies betrifft vor allem zwei Erhöhungen der Mehrwertsteuer für die AHV (ab 2024 sowie zwecks Finanzierung der 13. Monatsrente ab 2026), die Schweizer Umsetzung der globalen Mindeststeuer für Grosskonzerne (budgetwirksam ab 2026) und die Besteuerung der Elektrofahrzeuge (ab 2024).

Zwei relativ kleine Massnahmen sieht die Regierung indes auch auf der Einnahmenseite vor. So soll das Steuerprivileg für Kapitalbezüge in der zweiten und der dritten Säule der Vorsorge fallen. Die Steuerbelastung auf solchen Kapitalbezügen soll künftig ähnlich hoch sein wie bei Rentenbezügen. Das könnte geschätzte Mehreinnahmen von 220 Millionen Franken für den Bund und 60 Millionen für die Kantone bringen. Zudem soll der Bund künftig alle Importkontingente für landwirtschaftliche Güter versteigern, was geschätzte 80 Millionen Franken pro Jahr zusätzlich in die Bundeskasse spülen könnte.

Einschliesslich dieser Zusatzeinnahmen würden die vom Bundesrat vorgeschlagenen Massnahmen die Bundesrechnung 2027 um 3,6 Milliarden Franken entlasten und 2030 eine Verbesserung von 4,6 Milliarden Franken bringen. Akzeptiert das Parlament das volle Paket, liesse sich damit laut Bundesangaben sogar die von der bürgerlichen Parlamentsmehrheit gewünschte Beschleunigung des Armeeausbaus ohne Zusatzsteuern finanzieren.

Gemäss Bundesrat braucht es für rund vierzig der vorgeschlagenen Massnahmen Gesetzesänderungen. Die Regierung will dem Parlament alle Vorschläge für Gesetzesänderungen in einem Mantelerlass vorlegen. Dies soll den «Paketcharakter» der Massnahmen unterstreichen. Die konkrete Umsetzungsvorlage soll bis Ende Januar 2025 in die Vernehmlassung kommen. Die Vorlage wird noch eine Menge zu streiten geben.

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