Mittwoch, Dezember 4

Die Staatsanwaltschaft von Trient ermittelt gegen mehr als siebzig Personen wegen betrügerischer Immobiliengeschäfte. Ein Vertrauter des Signa-Gründers Benko und die Bürgermeisterin von Riva del Garda wurden unter Hausarrest gestellt.

Die juristischen Probleme des Signa-Gründers René Benko haben sich am Dienstag drastisch verschärft. Die Staatsanwaltschaft von Trient in der italienischen Region Südtirol hat im Rahmen grossangelegter Ermittlungen einen Haftbefehl gegen den österreichischen Immobilienmogul erlassen. Ihm wird zusammen mit über siebzig weiteren Verdächtigen Korruption im Zusammenhang mit Immobilienprojekten vorgeworfen. Sie sollen unter anderem Baubewilligungen unrechtmässig erhalten haben.

Unter den Betroffenen der Strafuntersuchung sind neben Unternehmern zahlreiche Beamte der öffentlichen Verwaltung und lokaler Behörden sowie Angehörige der Polizei. Laut Medienberichten wurden neun Personen unter Hausarrest gestellt, unter ihnen die Bürgermeisterin von Riva del Garda, Christina Santi, und der Bozner Wirtschaftsprüfer Heinz Peter Hager, ein Vertrauter Benkos und Italien-Chef seines Immobilienkonzerns. Auch ein ehemaliger italienischer Senator ist in die Affäre involviert.

Mehr als hundert Durchsuchungen von Südtirol bis Rom

Hager gilt schon lange als enger Weggefährte von Benko. So sitzt er unter anderem im Vorstand der Laura-Privatstiftung, die ebenfalls Benko zugeordnet wird. Das bekannteste Projekt von Benko und Hager ist der Waltherpark in Bozen. Hier soll ein ganzes Quartier in der Innenstadt der Südtiroler Landeshauptstadt entstehen.

Nach der Insolvenz der Signa hat der Familienkonzern Schoeller Group aus Deutschland im vergangenen April neben anderen Signa-Projekten in Italien auch den Waltherpark übernommen. Das Bauprojekt wurde Ende 2023 noch mit 255,1 Millionen Euro bewertet. Verkauft wurde es dann für 14,5 Millionen Euro.

Am Dienstag kam es zu insgesamt mehr als hundert Durchsuchungen durch Carabinieri und die italienische Finanzpolizei bei Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen nicht nur in Südtirol, sondern laut der italienischen Nachrichtenagentur Ansa auch in Mailand, Pavia, Brescia, Verona und Rom sowie über die internationale Rechtshilfe auch im Ausland.

Um welche konkreten Immobilienprojekte in Norditalien es bei der gegenwärtigen Untersuchung der Staatsanwaltschaft geht, ist nicht bekannt. Laut Medienberichten soll es sich aber um Geschäfte im Zeitraum zwischen 2018 und 2022 handeln. Im Raum stehen möglicher Betrug, Korruption, die illegale Finanzierung von Parteien und die Manipulation von Ausschreibungen.

Für die Staatsanwaltschaft ist René Benko dabei die zentrale Figur. Er habe durch seine wirtschaftliche Macht eine kriminelle Vereinigung gefördert, die eng mit Hager zusammenarbeite. Das geht aus Gerichtsdokumenten hervor, welche der NZZ vorliegen. Benko habe laut der Staatsanwaltschaft in der Region mehr oder weniger die Position eines «Quasi-Monopolisten» auf dem Immobilienmarkt innegehabt, heisst es darin weiter.

Keine Vollstreckung des Haftbefehls

Laut der österreichischen Zeitung «Der Standard» bestätigte die Staatsanwaltschaft Innsbruck, dass gegen Benko ein europäischer Haftbefehl erlassen worden sei. Der Unternehmer sei am Dienstag auch vom Landeskriminalamt Tirol einvernommen worden. Er befindet sich aber ohne spezielle Auflagen auf freiem Fuss. Grundsätzlich liefert Österreich wie viele andere Länder eigene Staatsangehörige nicht aus.

Die Innsbrucker Staatsanwaltschaft teilte der Zeitung denn auch mit, sie gehe nicht davon aus, den Haftbefehl vollstrecken zu müssen. Sie prüft laut einem Sprecher derzeit, ob die Benko in Italien vorgeworfenen Delikte auch in Österreich strafbar sind und ein entsprechendes Verfahren geführt werden kann.

Auch Benkos österreichischer Anwalt Norbert Wess geht nicht davon aus, dass ein europäischer Haftbefehl gegen Benko vollzogen wird. Zu den Gründen dieser Einschätzung äusserte sich der Jurist nicht. «Herr Benko wird weiterhin – wie bisher – mit allen nationalen wie internationalen Behörden vollumfänglich kooperieren und ist zuversichtlich, dass sich allfällige Vorwürfe ihm gegenüber als inhaltlich unrichtig aufklären lassen», schrieb Wess in einem Statement an die NZZ.

Nicht nur in Italien, auch in Österreich gibt es neue Ermittlungen gegen Benko. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Wien untersucht, ob Benko für das «Chalet N» in Lech am Arlberg während der Pandemie zu Unrecht Fördergelder bezogen hat. Das Chalet soll nicht wie angegeben als Luxushotel betrieben worden sein, sondern diente in erster Linie dem Immobilienunternehmer und seinen Geschäftspartnern als Unterkunft.

Auf Anfrage der NZZ hat die WKStA die Ermittlungen bestätigt, gibt aufgrund des laufenden Verfahrens jedoch keine weiteren Informationen bekannt. An die Betreibergesellschaft des «Chalets N» wurden während der Pandemie rund 1,1 Millionen Euro an Fördergeldern ausbezahlt.

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