Freitag, November 1

Biel Alino / EPA

Vor allem die Provinz Valencia wurde durch Sturzfluten verwüstet. Die Ursache war ein Wetterphänomen, das in Südeuropa so berühmt wie berüchtigt ist. So stark wie diesmal tobt es aber nur selten.

Teile der am Mittelmeer gelegenen Provinz Valencia mit der gleichnamigen Hauptstadt glichen am Mittwoch einer Trümmerlandschaft. Nach den Sturzfluten stapelten sich in manchen Strassen die weggeschwemmten Autos. Mehr als 150 Personen kamen ums Leben, Dutzende werden noch immer vermisst.

Überschwemmungen verwüsteten das Gebiet schwer, Auslöser dafür waren anhaltende gewittrige Regenfälle am Dienstag.

Autos, die durch die Strassen einer Stadt schwimmen, hat man in diesem Jahr schon öfter gesehen – in Italien und Frankreich. Doch was sich am Dienstag und in der Nacht zum Mittwoch in Spanien abgespielt hat, besass eine andere Dimension. Die Ursache war ein spezielles Wetterphänomen, das im Herbst häufig zu beobachten ist.

Das Unwetter hatte enorme Ausmasse. Innerhalb von 24 Stunden kamen an vielen Orten in der ostspanischen Provinz mehr als 200 Millimeter Regen vom Himmel. Punktuell aber noch viel mehr: In der Gemeinde Chiva, westlich der Provinzhauptstadt, waren es sogar knapp 491 Millimeter innerhalb von nur acht Stunden – das ist fast halb so viel Regen, wie in Zürich oder Bern innerhalb eines ganzen Jahres fällt.

Es ist jedoch die Regenintensität innerhalb kürzerer Zeiträume, die darüber entscheidet, wie heftig Sturzfluten ausfallen. Und diese Intensität sei extrem hoch gewesen, sagt der Meteorologe Daniel Köbele von Meteo Schweiz.

Am Dienstagabend rauschten in Chiva pro Stunde Wassermassen aus den Wolken, die einer Säule von bis zu 122 Millimetern entsprechen. Dieser Regen war doppelt so heftig wie während der Unwetter, die Ende Juni und im Juli den Süden der Schweiz heimgesucht hatten.

Zur Schwere der Überschwemmungen trug auch die Form der Landschaft bei. Die Stadt Valencia ist von Bergzügen umgeben, die teilweise eine Höhe von mehr als 1500 Metern erreichen. Im Nu strömten die gewaltigen Regenmassen am Dienstag in tiefer gelegene Gebiete hinab, sammelten sich und setzten Strasse um Strasse unter Wasser. Schlamm wurde bis ins Meer geschwemmt.

Auslöser dieser Unwetter war ein Wetterphänomen, das im Mittelmeerraum immer wieder auftritt: ein sogenannter Kaltlufttropfen, auf Spanisch «gota fria». Der Name kommt von der Lufttemperatur in dem Tiefdruckgebiet. «Die Luft in der Höhe ist verhältnismässig kühl», sagt Daniel Köbele.

Das Tiefdruckgebiet war von Irland nach Süden gewandert

Dieser Kaltlufttropfen stammte von den Britischen Inseln. Schon Ende der vergangenen Woche machte sich ein kleines Tiefdruckgebiet von Irland aus auf den Weg. Es zog laut Köbele ganz langsam Richtung Süden, überquerte die iberische Halbinsel, erreichte beinahe Marokko und machte dann wieder kehrt. Wieder über Spanien angekommen, rief das Tief schliesslich heftige Gewitter hervor.

Der Kontrast der feuchtwarmen Luft vom Mittelmeer und der kühlen Luft in der Höhe begünstigte die Gewitter. Dass sich der Kaltlufttropfen so langsam bewegte, trug zusätzlich dazu bei, dass die Regenfälle lokal so extrem ausfielen.

Die Rechenmodelle, die dem spanischen Wetterdienst zur Verfügung standen, zeigten die Heftigkeit der zu erwartenden Regenfälle klar und rechtzeitig an, auch die räumlichen Details stimmten. Doch nicht bei allen Einwohnern der Provinz kamen die Warnungen rechtzeitig an.

Vor wenigen Wochen gab es in Frankreich und Italien ähnliche Unwetter

Ähnlich heftige Gewitter wie jetzt in Spanien könne es im Herbst zum Beispiel auch in Ligurien und in Südfrankreich geben, sagt Köbele. In der Tat ist es nur wenige Wochen her, dass Südfrankreich ein derartiges Unwetter erlebt hat, ebenfalls ausgelöst von einem recht ortsfesten Tiefdruckgebiet.

Derzeit sind die Wassertemperaturen im westlichen Mittelmeer ein bis zwei Grad Celsius höher als im langjährigen Durchschnitt. Die Wahrscheinlichkeit, dass im Herbst noch eine solche Wärme herrscht, ist durch den Klimawandel deutlich gestiegen. Dadurch ist auch die Wahrscheinlichkeit gewachsen, dass es bei dieser Wetterlage zu besonders heftigen Regenfällen kommt.

Eine ähnliche Wetterlage hat schon im Jahr 1957 die Stadt Valencia unter Wasser gesetzt. In den Wetteraufzeichnungen ist aber nachzulesen, dass die Regenintensität damals nicht so hoch war wie dieses Mal.

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