Einen Monat vor der Eröffnung tritt die leidvolle Baugeschichte mit den Verzögerungen und Finanzierungsproblemen in den Hintergrund.
Am 2. November wird das neue Zürcher Kinderspital eröffnet. An diesem Dienstag, einen Monat davor, ist das Gebäude offiziell eingeweiht worden. Eine zentrale Rolle spielte dabei ein Mann mit einer schwarzen Mütze auf dem Kopf, der seine Sätze so leise vom Smartphone ablas, dass sie fast im Strassenlärm untergingen.
«Spitäler gehören zu den hässlichsten Orten der Welt», sagte er. «Beinahe wie Gefängnisse – auch hier in der Schweiz.» Der Mann war Jacques Herzog, die eine Hälfte des Stararchitekten-Duos Herzog & de Meuron, auf deren Entwurf das neue Kinderspital basiert.
Sie wollen den Beweis erbringen, dass es auch anders geht. Das neue Spital ist – wie schon ein vergleichbarer Bau in Basel – geprägt von warm wirkenden, holzverkleideten Fassaden und einem runden Dutzend lichten, üppig bewachsenen Innenhöfen.
Eltern dürften vor allem gespannt sein auf die neue Notfallstation. Dort gibt es jetzt viel mehr Platz und viel mehr Behandlungsräume als im Altbau. Sie sollten also mit ihren Kindern nicht mehr in den Fluren warten müssen, wie das bislang regelmässig vorkam.
Eindrücklich sind auch die Patientenzimmer im Obergeschoss, die mit dem Anspruch einer besonderen Kinderfreundlichkeit gestaltet wurden. Die Böden und die abgeschrägten Decken aus Holz verleihen den Räumen etwas Heimeliges. Hinter den tief herabgezogenen Panoramafenstern beginnt nahtlos eine bepflanzte Brüstung. Für Eltern, die bei ihrem Kind übernachten wollen, hat es direkt neben den Patientenbetten Liegebänke. Auffällig ist auch ein Bullauge, das die Kinder selbst öffnen können, um die Aussenwelt ins Zimmer zu lassen.
Der Innenausbau des neuen Spitals ist abgeschlossen, die Operationssäle sehen aus, als könnten sie schon morgen in Betrieb gehen. Bereit ist auch das Personal, das in den vergangenen Monaten intensiv am neuen Standort geübt hat, damit dort von der ersten Minute an alle Handgriffe sitzen. Das ist zwingend, denn einen Betriebsunterbruch kann sich das Spital nicht leisten, der Übergang muss nahtlos sein.
Der CEO Georg Schäppi hob bei der Einweihung heraus, was für ein Kraftakt dies für das Spitalpersonal ist. 1500 von rund 3000 Beschäftigten haben an solchen Trockenübungen teilgenommen. Derweil ging am alten Standort alles weiter wie gewohnt. Es durfte nicht auffallen, dass Leute fehlten.
Ursprünglich hätte das neue Spital schon vor einem Jahr eröffnet werden sollen. Zu jenem Zeitpunkt war es aber noch immer eine Baustelle. Es waren vor allem Lieferengpässe während der Pandemie, die für Verzögerungen gesorgt hatten – und dafür, dass der Bau teurer und teurer wurde. Derzeit werden die geschätzten Kosten auf 761 Millionen Franken beziffert.
Dieser Betrag gab besonders zu reden, als im vergangenen April bekanntwurde, dass sich das von einer privaten Stiftung getragene Spital hilfesuchend an den Kanton wenden musste. Ihm waren die Mittel ausgegangen, die Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (SVP) sicherte damals Hilfe zu.
Rickli streifte dieses Thema an der Einweihung nur kurz, weil sie die Feier nicht trüben wollte. Sie erwähnte dann aber doch, dass noch immer eine Untersuchung laufe, die klären solle, wie es dazu habe kommen können. Die Spitalverantwortlichen wurden denn auch nicht müde, ihr zu danken, dass sie das Kinderspital damals als unentbehrlich einstufte. Sonst ginge der Neubau am 2. November kaum wie geplant in Betrieb.
Dies zeigt ein Blick nach Wetzikon. Das dortige Spital hat sich ebenfalls mit einem Bauprojekt übernommen, doch im Gegensatz zum Kinderspital wurde ihm die Hilfe durch den Kanton versagt. Seither stehen die Baumaschinen still.