Freitag, November 1

Demnächst wählt die Delegiertenversammlung die Nachfolge von Gilles Marchand. Neuerdings ist auch der Chefredaktor von CH Media im Gespräch, als Favoritin gilt weiterhin Susanne Wille.

Der neue SRG-Direktor hat eigentlich nur eine Aufgabe: Er muss die Halbierungsinitiative der SVP und der Jungfreisinnigen abwenden. Alles andere ist sekundär. Denn wenn das öffentlich-rechtliche Medienhaus in Zukunft nur noch 200 statt wie bis anhin 335 Franken pro Haushalt bekommt, kann es das vor kurzem öffentlich gewordene Sparprogramm über Bord werfen. Dann steht ein grösserer Umbau an. Ein bisschen sanfter fährt Albert Rösti ein, der Bundesrat hält der Initiative eine Senkung der Abgaben auf 300 Franken entgegen.

Vor diesem Hintergrund ist ein Name besonders spannend: Patrik Müller. Der Verwaltungsrat soll ihn als möglichen Direktor in den Blick genommen haben, wie es aus mehreren Quellen heisst. Das ist bemerkenswert, denn als Chefredaktor von CH Media kommt der 49-Jährige aus einem Konkurrenzverlag, welcher der SRG naturgemäss mit einer gewissen Skepsis begegnet: Publizistisch begleiten die Zeitungen SRF mit einer kritischen Berichterstattung. Und unternehmerisch moniert der Verleger Peter Wanner seit Jahren, SRF konkurrenziere im Online-Bereich die Privaten, auch wenn die SRG das aufgrund fehlender empirischer Evidenz bestreitet.

«Gewinnender Typ»

Genau diese Umstände machen Müller aus der Sicht von Matthias Ackeret geeignet für den Posten. «Patrik Müller ist vom Profil her sehr gut geeignet», sagt der Verleger des Branchenmagazins «Persönlich» auf Anfrage. Die SRG brauche im gegenwärtigen politischen Gegenwind «jemanden mit Aussensicht, der die privaten Verlage kennt und vernetzt ist». Müller bringt das mit, er hat unter anderem das Swiss Media Forum lanciert, an dem sich die Elite aus Medien, Wirtschaft und Politik Jahr für Jahr über Journalismus unterhält. «Und», sagt Ackeret, der mit Müller befreundet ist, «er ist ein gewinnender Typ.»

Journalistisch hat der CH-Media-Chefredaktor in letzter Zeit vor allem mit der Recherche zu den Corona-Leaks («Berset und der ‹Blick›: Die geheimen Corona-Protokolle») zusammen mit dem Meinungschef Francesco Benini auf sich aufmerksam gemacht. 2016 wurde Müller dagegen vom Presserat wegen seines Artikels über den Badener Stadtpräsidenten Geri Müller gerügt. Die Berichterstattung über dessen Nackt-Selfies habe «die Privat- und Intimsphäre» des Politikers in «schwerer Weise verletzt». Die beiden Parteien einigten sich danach in einem Vergleich. Die damaligen AZ-Medien und Patrik Müller, damals noch Chefredaktor der «Aargauer Zeitung», drückten gegenüber Geri Müller «ihr Bedauern über die Unannehmlichkeiten aus», wie es in einem Statement hiess.

Die respektierte Wille

Ob Müller tatsächlich SRG-Direktor wird, entscheidet demnächst die Delegiertenversammlung. Dort scheint aber Susanne Wille nach wie vor in der Favoritenposition zu sein. Die Leiterin der SRF-Abteilung Kultur geniesst bei ihren Mitarbeitenden hohes Ansehen – es gibt kaum eine Medienchefin, über die so selten gelästert wird. Der Stallgeruch könnte ihr gelegen kommen: Das Wahlgremium besteht zum grössten Teil aus Delegierten der SRG-Regionalgesellschaften.

Auch das Interesse scheint vorhanden zu sein. Während Patrik Müller der NZZ auf Anfrage sagte: «Ich bin und bleibe bei CH Media», hat Susanne Wille sich nie so richtig aus dem Rennen genommen. Im Januar sagte sie CH Media, der Posten der SRG-Direktorin stehe für sie «zurzeit nicht im Fokus». Auf eine Anfrage der NZZ am 15. Mai lässt die Medienstelle ausrichten, SRF äussere sich nicht weiter zum Rekrutierungsprozess.

Deutlich abgesagt hat dafür Nathalie Wappler. Die SRF-Chefin schrieb in einer internen E-Mail, sie habe sich bereits zu Beginn des Rekrutierungsprozesses aus dem Rennen genommen, wie «20 Minuten» als Erste berichtete. Und das Branchenmagazin «Schweizer Journalist» nannte auch den Namen Bakel Walden, derzeit Direktor Entwicklung und Angebot bei der SRG.

Die Halbierungsinitiative ist nicht der erste Angriff auf die SRG. 2018 lehnte die Schweizer Bevölkerung die No-Billag-Initiative mit überdeutlichen 71,6 Prozent ab. Seither hat sich die Stimmung in der Bevölkerung geändert, glaubt der Verleger Matthias Ackeret: Die Bereitschaft für das Bezahlen von Medien habe weiter abgenommen. Und eine Halbierungsinitiative töne weit weniger radikal als die No-Billag-Initiative: «Ich hoffe, die SRG-Verantwortlichen haben das bemerkt und leben nicht mit dem Kopf in den Wolken», sagt Ackeret.

Bei der SRG markiert man Zuversicht: «Dass diese Vorlage in der Abstimmung scheitern wird – davon sind wir überzeugt», sagte Nathalie Wappler gegenüber CH Media. Vielleicht werden Nemos Sieg und der Eurovision Song Contest 2025 in der Schweiz der SRG Rückenwind geben. Vielleicht aber auch andernorts dringend nötige Ressourcen verschlingen.

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